- Romantisch
Romantisch, ein erst in neuerer Zeit aufgekommenes Wort, welches zwar mit Romanisch verwandt ist, aber zunächst nur von dem Worte Roman im Sinne des Ritterepos (s. Ritterpoesie) abgeleitet werden muß u. somit ursprünglich alles das in Literatur, Kunst u. Leben bezeichnet, was dem Geiste des Mittelalters mit seinem Ritterthum, seiner Frauenverehrung u. seinem religiösen Enthusiasmus entspricht, wie derselbe uns in jenen Poesien entgegentritt. Im Allgemeinen hat daher das Wort R. die Bedeutung von Mittelalterlich überhaupt. So faßt man unter der Bezeichnung Romantische Poesie die ganze ritterliche Epik u. Lyrik des Mittelalters zusammen u. stellt insbesondere das Romantische Epos dem antiken od. modernen Epos gegenüber. Auch spricht man von Romantischen Epen, Schauspielen, Opern etc. dann, wenn dieselben Stoffe des Mittelalters behandeln (z.B. Wieland im Oberon). Namentlich pflegt man die Kunst des Mittelalters einerseits im Gegensatz zur antiken u. klassischen, andererseits zur modernen auch allgemein unter der Bezeichnung Romantische Kunst zusammenzufassen, ohne dabei an die in deren inneren Entwickelung gegebenen Unterschiede des romanischen u. germanischen, ja selbst des moslemischen Styls zu denken. Da nun aber die Kunst des Mittelalters auf die Darstellung des Unendlichen u. Jenseitigen gerichtet ist u. deshalb auf das Erhabene, Ahnungsvolle, Wunderbare u. Phantastische hingeht, so überträgt man auch die Bezeichnung auf das Wildschauerliche, überhaupt das Ungewöhnliche, die Phantasie Aufregende u. spricht von romantischen Gegenden, romantischen Abenteuern etc. Eine neue speciellere Bedeutung erhielt das Wort, als um Beginn unseres Jahrhunderts durch Schellings Philosophie angeregt, A. W. u. Fr. Schlegel mit ihren Freunden Novalis, Tieck, Wackenroder, Brentano etc. sich zur Romantischen Schule zusammenschlossen. Sie selbst wählten diesen Ausdruck, um damit zu bezeichnen, daß sie in ihrer subjectiven Richtung das Wesen der Poesie im Wunderbaren u. Phantastischen suchten u. ihre Vorbilder in der Kunst u. Literatur des Mittelalters erblickten, s. Deutsche Literatur, S. 912, vgl. Eichendorff, Über die ethische u. religiöse Bedeutung der neueren Romantischen Poesie, Lpz. 1847; H. Heine, Zur Geschichte der neueren Schönen Literatur in Deutschland, Hamb. 1833; Hettner, Die Romantische Schule in ihrem Zusammenhang mit Goethe u. Schiller, Braunschw. 1850. Ein ähnlicher Gegensatz zwischen Romantikern u. Klassikern, Romantik (Romanticismus) u. Klassicismus entwickelte sich später in Frankreich, wo die neue Geschmacksrichtung, welche sich der herkömmlichen starren Fesseln des alten Klassicismus von Corneille u. Racine entledigen wollte u. freiere, phantastischere, ja selbst ausschweifendere Formen erstrebte, sich selbst Romantische Schule u. das Wesen ihrer Poesie Romantik nannten, vgl. Huber, Die Romantische Poesie in Frankreich, Lpz. 1832; Michiels, Histoire des idées literaires, 2 Bde., Par. 1841. Derselbe Gegensatz tauchte auch bei allen europäischen Völkern auf, welche sich den Formen bes. des französischen Klassicismus gefügt hatten, wie die Spanier, Italiener, Polen, u. nun theils im Rückblick auf ihre früheren großen nationalen Dichter, theils im Anschluß an die Ideen u. Schöpfungen der Koryphäen der neueren französischen u. deutschen Romantik eine neue nationalere u. selbständigere Poesie erstrebten. Die Entwickelung dieser neuen deutschen u. französischen Romantik war zunächst nur auf die Gebiete der Literatur u. Kunst beschränkt geblieben; als jedoch namentlich die deutsche Romantische Schule auch in Leben u. Sitte, Staat u. Kirche auf das Mittelalter zurückgehen wollte u. dadurch mit der religiösen u. politischen Reaction in Verbindung trat, so kam es, daß das Wort Romantiker zum Parteinamen wurde u. man mit Romantik überhaupt ohne Weiteres alle zurückschreitenden Richtungen der geschichtlichen Bewegung zusammenfaßte. Diese Bezeichnung datirt von dem Manifest gegen die Romantik, welches Ruge u. Echtermeyer in den Hallischen Jahrbüchern (1843) erließen. In diesem Sinne konnte Strauß in der Schrift: Der Romantiker auf dem Thron der Cäsaren (Manh. 1848) den Kaiser Julian bezeichnen, u. Julian Schmidt eine Geschichte der Romantik (Lpz. 1852) schreiben.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.