Tyrol [1]

Tyrol [1]

Tyrol (Gesch.). T. war im Alterthum ein Theil von Rhätien, dessen Einwohner von Ungewisser Abstammung waren (s.u. Rhätien) u. bis 14 v. Chr. frei in ihrem Gebirgslande lebten, in welchem Jahre sie von den Römern unter Drusus u. Tiberius unterworfen wurden. Die neuen Herren machten Rhätien zur 12. u. 13. Provinz von Italien, bauten Brücken u. Straßen u. legten Besatzungen nach Tridentum u. Valdidena; auf der Beste Teriolis (Teriola castra), welche nachher dem ganzen Lande den Namen gab, hatte der Präfect der dritten römischen Legion sein Standquartier. Im 3. u. 4. Jahrh. wurde T. christlich. Nach dem Zerfall des Römischen Reiches kam T. 493 unter die Ostgothen, u. nach Theoderichs Tode der nördliche u. größere Theil an die Herzoge von Baiern, der südliche aber an Italien u. der letztere Theil um 570 an die Longobarden, deren Könige hier einen Statthalter einsetzten, welcher den Titel Herzog von Trient führte. In den nördlichen Theil zogen von Kärnten aus Slawen ins Land u. siedelten sich im Pusterthale an. Nachdem Karl der Große im letzten Viertel des 8. Jahrh. das Longobardische Reich gestürzt u. das Herzogthum Baiern aufgelöst hatte, fügte er mit diesen Ländern auch T. zum Fränkischen Reiche u. theilte dasselbe in mehre Theile, welchen er Grafen vorsetzte. Von diesen wurden mit der Zeit bes. die Grafen von Andechs im Inn- u. Wippthale, die Grafen von Görz im Pusterthale u. die Herren von Teriolis, seit dem 12. Jahrh. Grafen von T., im Vintschgau u. Engadin mächtig; neben ihnen waren die Bischöfe von Trient u. Brixen im Lande reich begütert u. hatte sich zahlreicher Adel gebildet. 1248 starb mit Otto II. das Geschlecht der Andechs aus, u. dessen Besitzungen kamen an Ottos Schwiegersohn, den Grafen Albrecht von T. Aber auch dieser hatte keine männlichen Erben, u. als er 1254 starb, theilten dessen Schwiegersöhne das Land, so daß Graf Meinhard I. von Görz T. u. Graf Gebhard von Hirschberg das Inn- u. Wippthal erhielten. Meinhards I. Sohn, Meinhard II., welcher ihm 1258 folgte, gab seinem Bruder. Albrecht das Pusterthal u. behielt für sich des Vaters Erwerbungen in T., kaufte 1284 auch den Hirschbergern ihren Theil des Landes ab. Er war ein Freund des Kaisers Rudolf von Habsburg u. heirathete Elisabeth, die Tochter des Herzogs Otto von Baiern u. Wittwe des Kaisers Konrad IV.; durch seine ansehnliche Macht gelang es ihm sich zum Herrn des hohen Adels im Lande zu machen u. ungestraft die Stifter Brixen u. Trient, über welche er das Schirmvogtamt hatte, zu beunruhigen. Er st. 1295; von seinen Söhnen folgte ihm erst Otto bis 1310, dann Ludwig bis 1315 u. zuletzt Heinrich. Dieser letzte hatte sich mit Anna von Böhmen vermählt u. machte daher nach des Königs Wenzel kinderlosem Tode Ansprüche auf die Krone Böhmens, konnte aber dieselbe gegen Kaiser Albrecht I. u. Heinrich VII. nicht durchsetzen, führte jedoch den Namen eines Königs von Böhmen bis an seinen Tod. Unter ihm mehrte sich der Wohlstand des Landes durch den zunehmenden Handel, aber er hatte viel Mühe den von seinem Vater unterworfenen Adel im Zaume zu halten; dagegen waren ihm Bürger u. Bauern zugethan u. mit seiner Ritterschaft lebte er ein heiteres, von Becherfreuden u. Minnegesang gewürztes Leben auf der Zenoburg bei Meran. Er st. 1335 u. hinterließ eine einzige Tochter Margarethe, genannt die Maultasch, welche seit 1330 mit dem achtjährigen Johann von Luxemburg, Prinzen von Böhmen u. Mähren u. Bruder des Kaisers Karl IV., vermählt war. Margarete überzog Österreich mit Krieg u. besetzte das Herzogtum Kärnten, auf welches sie Ansprüche machte, aber der Kaiser Ludwig IV. der Baier entschied gegen sie u. beschränkte sie auf T. Nach ihres Vaters Tode sperrte sie ihren Gemahl bei einem Jagdzuge plötzlich, als zur Ehe untauglich, aus dem Schlosse T. aus u. brachte es dahin, daß sie 1341 von ihm geschieden wurde, worauf sie sich 1342 mit dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, dem Sohne des Kaisers Ludwig IV., vermählte. Unter Ludwig erhielt T. seine erste Landesordnung. Er starb 1361 u. im Januar 1363 auch sein einziger Sohn Meinhard III., u. nun übergab Margarethe mit Bewilligung der Stände (Landherrn) T-s das Land ihren Vettern, den Herzögen Rudolf, Albrecht u. Leopold von Österreich (zog sich nach Wien zurück u. st. 1366). Herzog Rudolf erschien alsbald in T. u. erhielt für sich u. seine Brüder die Huldigung, starb aber bereits 1365. Bei der Landestheilung der Herzöge, 1379, kam T. an Herzog Leopold, welcher der Grafschaft T viele Freiheiten ertheilte u. 1386 mit gegen die Schweizer zog u. bei Sempach fiel. In der Erbtheilung 1406 erhielt T. sein ältester Sohn Friedrich IV. mit der leeren Tasche. Seine Macht stand gegen die des reichbegüterten Heinrich von Rotenburg sehr im Schatten, u. als er sich dem Papste Johann XIII. eng anschloß u. dessen Partei auch nach dessen Entsetzung hielt, wurde er in die Reichsacht erklärt u. in Constanz festgesetzt. Um von der Acht befreit zu werden, mußte er dem Kaiser Sigismund T. abtreten, da aber die Stände den Gesandten des Kaisers nicht huldigten u. er aus seiner Haft entkommen war, so nahmen ihn die tyroler Bauern wieder an u. mit dem Kaiser ausgesöhnt erhielt er 1416 T. wieder. Während der Herzog in Hast saß hatte sich der Adel zu Ritterbünden vereinigt, um seine ehemalige Freiheit wieder zu erringen, aber die Bauern halfen dem Herzoge den Adel demüthigen u. sie erhielten nun nebst den Bürgern gleiche Rechte mit dem Adel u. dem Clerus. Friedrich vollendete so die Verfassung T-s,[98] verlegte das Hoflager von Meran nach Innsbruck u. st. 1439. Sein Sohn Sigismund war in unglückliche Fehden verwickelt u. führte keine gute Wirtschaft; doch befand sich das Land wohl, namentlich kam der Bergbau zu hoher Blüthe. Da Sigismund keine eheliche Nachkommenschaft hatte, so gedachte er T. dem Herzog Albrecht von Baiern zuzuwenden, allein die Stände wollten dies nicht, daher übergab er 1490 die Grafschaft seinem Vetter, dem römischen König u. nachmaligen Kaiser Maximilian I. Dieser als ein leidenschaftlicher Gemsenjäger lebte viel in T. Er brachte zwar durch seine Kriege mit den Graubündtnern harte Drangsale über das Land, vergrößerte aber dasselbe nach dem Aussterben der Grafen von Görz, 1500, durch das Pusterthal u. 1505 durch die baierschen Gerichte Kufstein, Rattenberg u. Kitzbühel, so wie später durch Ampezzo, die Präfectur Roveredo, die Städte Arco u. Riva u. die vier Vicariate, gab demselben den Titel einer Gefürsteten Grafschaft, setzte die Landesstellen Regiment u. Kammer ein u. gab 1511 das erste Landlibell, welches zuerst den Landsturm für T. feststellte. Maximilians Nachfolger 1519, Ferdinand, der Bruder des Kaisers Karl V., suchte bes. die Reformation, welche sich auch nach T. verbreitet hatte, zu unterdrücken. 1525 machten die Bauern auch hier einen Aufstand gegen den Adel u. den Clerus, wofür sie im folgenden Jahre schwer büßen mußten. Die Reformationsbestrebungen dauerten fort u. auch Vornehme betheiligten sich daran, doch mußten sie entweder zurücktreten od. auswandern, die gemeinen Leute wurden am Leben gestraft. 1562 kam es unter dem Müller Balthasar Dosser zu einem neuen Bauernaufstände, welcher aber wieder blutig unterdrückt wurde. Nach Ferdinands Tode erhielt 1564 sein zweiter Sohn Ferdinand die Regierung T-s, welcher sich mit seiner schönen Gemahlin, Philippine Welser, gewöhnlich auf Schloß Ambras aufhielt; unter ihm begann die Blüthe T-s zu schwinden, das Bergwesen verkümmerte, der Adel verarmte, das geistige u. regsame Leben sank unter dem Walten des Jesuitismus. Als Ferdinand 1595 starb u. seine u. Philippinens Söhne, die Grafen von Burgau (s.d.), nicht erbfähig waren, aus seiner zweiten Ehe mit Anna Gonzaga aber keine Kinder da waren, so fiel T. an das kaiserliche Haus zurück. 1602 übergab der Kaiser Rudolf II. seinem Bruder Maximilian die Verwaltung T-s, auf welchen 1618 Erzherzog Leopold aus der Steyerschen Linie folgte; er heirathete 1626 Claudia von Medici, welche nach seinem Tode 1632 die Regentschaft für ihren Sohn Ferdinand Karl führte u. einen mit den Mitteln des Landes nicht im Verhältnisse stehenden glänzenden Hofhalt führte; zudem wurde das Land von dem Durchmarsch der liguistischen Truppen in Anspruch genommen. Ferdinand Karl regierte dann 1646 bis 1662 selbst, wo er starb u. seinen Bruder Franz Sigismund zum Nachfolger hatte. Mit diesem starb 1665 die Steyersche Linie in T. wieder aus, u. das Land fiel an das Kaiserhaus zurück u. wurde fortan von Wien aus regiert. Die Tyroler waren stets treue Anhänger des Hauses Habsburg, was sie schon in dem Spanischen Erbfolgekriege bewiesen, wo der Kurfürst Max Emanuel von Baiern 1703 einen Einfall von Norden her nach T. machte, während die Franzosen unter Vendome von Süden her ihm die Hand reichen sollten, aber die Baiern, durch den Aufstand der Tyroler genöthigt, das Land verlassen mußten, s. Spanischer Erbfolgekrieg S. 429 f. Unter Maria Theresia wurde viel für Verbesserung der Schulen, Anlage von Landstraßen u. Hebung des Ackerbaues gethan. Aber die Reformen, welche Kaiser Joseph II. im Lande vornahm, hatten die Billigung der Tyroler nicht, namentlich verdrossen sie seine Veränderungen im Kirchenwesen, der Erlaß des Toleranzedictes u. die Vertauschung des Landsturmes mit der Conscription, daher die Rückkehr zum Alten unter Leopold II. ganz in ihrem Sinne war. In dem Kriege Österreichs gegen Frankreich 1805 hatten die Erzherzöge Ludwig u. Johann T. besetzt (s. Österreichischer Krieg von 1805 S. 484), aber im Presburger Frieden 1806 mußte Österreich das treue T. an Baiern abtreten. Die Baiern aber, welche die Verwaltung des Landes mit der ihres Mutterlandes in Übereinstimmung bringen wollten, die tyroler Landschaft auflösten, neue Steuern u. die Conscription einführten, bes. aber das Kirchenwesen freisinnig behandelten, konnten sich die Liebe der Tyroler nicht erwerben, weshalb auch die Aufforderungen zum Aufstande gegen die neue Regierung, welche vom Erzherzog Johann u. Hormayr ausgingen, allenthalben im Lande Anklang fanden. Dieser Aufstand brach 1809 wirklich aus u. hatte den für die Baiern, Franzosen u. Rheinbundstruppen so verderblichen Krieg zu Folge, in welchem sich bes. Andreas Hofer (s.d.) auszeichnete, welcher aber mit der Unterwerfung T-s endigte, s. Österreichischer Krieg von 1809 S. 490 u. 494. Jetzt wurde T. getheilt: Wälschtyrol mit Botzen kam an das Königreich Italien; das Ober-Pusterthal an die von Frankreich abhängigen Illyrischen Provinzen u. der Rest verblieb bei Baiern. Doch bereits 1814 in dem ersten Pariser Frieden wurde das ganze Land wieder mit Österreich vereinigt u. erhielt seinen, seit der Annexation an Baiern verlornen Namen wieder. Vgl. Hormayr, Geschichte der Gefürsteten Grafschaft T., Tüb. 1806 ff., 2 Bde.; Derselbe, Beiträge zur Geschichte T-s im Mittelalter, Wien 1805; Graf Clemens Brandes, T. unter Friedrich mit der leeren Tasche, Wien 1821; B. Weber, T. u. die Reformation, Innsbr. 1841; Scherer, Geographie u. Geschichte von T., ebd. 1852, 2. A. ebd. 1860; Wagner, Beiträge zur Geschichte T-s, ebd. 1860; A. Jäger, T. u. der baierisch-französische Einfall von 1703, ebd. 1844; Ders., Über Leistungen auf dem Gebiete der Altertumsforschung in T., Wien 1852; Ders., Über das Verhältniß T-s zu den Bischöfen von Chur, ebd. 1853; Ders., Zur Vorgeschichte des Jahres 1809 in T., ebd. 1853; Die Wiedervereinigung T-s mit Österreich in den Jahren 1813–16, ebd. 1856; T. u. der Tyrolerkrieg von 1809, Lpz. 1845, 2 Thle.; The Tyrolese rifleman of 1809, Lond. 1860.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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