Weigel

Weigel

Weigel, 1) Valentin, geb. 1533 zu Hain in Sachsen; studirte 1554–57 in Leipzig u. Wittenberg, war seit 1567 Prediger in Zschopau u. st. daselbst 10. Juni 1588. Seine Schriften vervielfältigte erst an 30 Jahre nach seinem Tode Chr. Weikert, Cantor in Zschopau, durch Abschriften u. sie wurden seit 1612 von Anhängern W-s unter verschiedenen Namen (Ulreich Wegweiser, Helld. Meiersbach von Regenbrunn, Johann von Strein), vielleicht auch durch Zusätze entstellt, an mehren Orten, namentlich in Halle u. Magdeburg (Neustadt), herausgegeben; z.B. die Kirchen- u. Hauspostill, 1612; von der Gelassenheit; Dialogus de Christianismo (deutsch Halle 1614); Gülden Griff, 1616, auch Frankf. 1697; Theologie u. Glaubensbekenntniß, 1618; Zwei schöne Büchlein vom Leben Christi, 1621. Ein Auszug aus seinen ganzen Werken erschien als: Philosophia mystica, 1616. W. gehört zu den Mystikern u. Gegnern der Orthodoxie in der Lutherischen Kirche, hatte die Bücher des Paracelsus u. Tauler gelesen u. darin viele geheimnißvolle Weisheit zu finden geglaubt, welche er dann in seinen Erbauungsbüchern auf eigne Weise bearbeitete u. mit naturphilosophischen Ideen versetzt wiedergab. Er nahm zum Ausgang seiner Lehre das Selbstbewußtsein u. wollte nichts für wahr gelten lassen, was sich nicht dem Bewußtsein als wahr aufdränge; die Summe seiner Lehre war der Satz: Mensch, lerne dich selbst kennen; die Bibel war ihm nur eine Gedenkschrift, aber kein wirkliches Glaubenswerkzeug, das innere Wort war ihm die Hauptoffenbarung; der Mensch besteht aus einem dreifachen Princip: aus Leib, von der Erde genommen, aus Seele, aus dem Gestirngeist od. Firmament stammend, u. aus Geist, von Gott gegeben; dieser Geist ist schon der heilige[27] Gottesgeist, u. somit hat der Mensch die neue himmlische Geburt aus Gott in Christo schon von Natur an sich; eine Erbsünde im kirchlichen Sinne gibt es nicht, auch keine Erlösung von der äußern Seite, sondern Christus ist schon durch die Geburt als durch eine Wiedergeburt in dem Menschen; unsterblich ist blos der Geist, die Seele wird wieder von den Gestirnen aufgenommen, der Leib von der Erde verzehrt; Gelehrsamkeit war ihm verwerflich, der äußerliche Gottesdienst werthlos; die Theologie sammt Luthers, Calvins, des Papstes Ansichten falsch u. irrig. Zwar ließ der Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen viele seiner Schriften 1624 in Chemnitz verbrennen, aber sie hatten sich weithin verbreitet u. ihrem Verfasser viele Anhänger (Weigelianer) erworben, unter denen bes. bekannt sind: Esaias Stiefel, Ez. Meth, Paul Nagel, Jakob Böhm, Aug. Fuhrmann. Vgl. A. Z. Hilliger, De vita, fatis et scriptis Weigelii, Wittenb. 1721; Förtsch, De Weigelio, im 10. Bd. der Miscellanea Lipsiensia. 2) Eberhard, geb. 1625 in Weida; zog mit seinen Eltern nach Wunsiedel, studirte dann in Leipzig bes. Mathematik u. wurde Professor derselben in Jena, Hofmathematiker u. Oberbaudirector, erhielt dort den Titel eines pfalzsulzbachischen Raths u. st. 1699. Er verbesserte den Himmelsglobus, fertigte ein Solarium, eine andere Übersicht der Himmelsbewegungen (Pankosmus) u. mehre Spielereien, welche er in seinem deshalb berühmt gewordenen Hause (Weigeliana domus, eins der sieben Wunderwerke Jenas) zu Jena anbrachte. Hauptwerk: Himmelsspiegel, Jena 1713. 3) Christoph, geb. 1654 zu Redwitz im Baireuthischen, lernte in Hof als Goldschmied, dann in Augsburg als Kupferstecher, lebte lange in Wien u. Frankfurt a. M., errichtete später in Nürnberg eine Kunst- u. Buchhandlung u. starb daselbst 1725. Er erfand eine Maschine zur bequemern u. schnellern Auftragung des Grundes der Platten in Schwarzer Kunst u. hinterließ viel schöne u. große Blätter in dieser Manier. 4) Christian Ehrenfried von W, geb. 1748 in Stralsund; hielt 1772 botanische Vorlesungen in Greifswald, wurde 1775 Professor der Chemie u. Pharmacie daselbst, 1780 Assessor u. 1794 Director des Gesundheitscollegiums von Schwedisch-Pommern u. Rügen, 1795 Archiater, 1806 in den Reichsadelstand. 1817 in den Freiherrenstand erhoben u. st. 1831 in Greifswald. Er schr.: Flora Pomerano-Rugica, Berl. 1768; Observationes chemicae et mineralogicae, Gött. 1771 (deutsch Bresl. 1779, 2 Thle); Observationes botanicae, Greifsw. 1772; Beiträge zur Geschichte der Luftarten, ebd. 1784, 3 Thle.; Grundriß der Chemie, ebd. 1777, 2 Bde.; Magazin für Freunde der Naturlehre, Berl. 1794–97, 4 Bde. 5) Christian Ehrenfried (Erefried) von W., der Jüngere, Sohn des Vorigen, geb. 1776 in Greifswald; prakticirte anfänglich als Arzt in Stralsund, wurde 1808 Leibarzt des Königs Gustav IV. Adolf in Stockholm, welchen er nach Åland u. während des Arrestes nach Drottningholm u. Gripsholm begleitete, 1809 Leibarzt des Königs Karl XIII. u. Vicepräsident des Collegium medicum, 1812 erster Leibarzt des Königs u. Wortführer des königlichen Gesundheitscollegiums. Er schr. mehre staatsärztliche Schriften in Schwedischer Sprache. 6) Joseph, s. Weigl. 7) Karl Christian Lebrecht, geb. 1. Decbr. 1769 in Leipzig; studirte seit 1785 daselbst u. in Göttingen Medicin, lebte nach einer Reise durch Frankreich, Italien u. die Schweiz in Wien u. war bei der versuchten Befreiung Lafayettes in Olmütz betheiligt, brachte auch nach der Wiedergefangennehmung dessen Geld u. Papiere in Sicherheit. 1796 kehrte er nach Leipzig zurück u. hielt hier Vorlesungen, wurde 1799 Arzt in Meißen, seit 1801 in Dresden u. setzte namentlich die Einführung der Kuhpockenimpfung durch. 1813 wurde er den Franzosen verdächtig bei Entweichung von 30 russischen Offizieren, welche er in der Cur hatte, thätig gewesen zu sein u. deshalb im September nach Erfurt gesetzt, aber Ende desselben Jahres gegen einen französischen Offizier ausgewechselt. Während des russischen Gouvernements in Sachsen wurde er Hofrath u. an die Spitze der militärisch-medicinischen Angelegenheiten gestellt, später Arzt bei der Ritterakademie u. starb 17. Jan. 1845 in Dresden. Er schr.: Neugriechisch-deutsch-italienisches Wörterbuch, Lpz. 1796; Deutschneugriechisches Wörterbuch, ebd. 1804; gab heraus Aretäus De pulmonum inflammatione, ebd. 1790, mit K. G. Kühn: Italienische medicinisch-chirurgische Bibliothek, ebd. 1793–97, 4 Bde.; u. übersetzte Strambi, Über die Pellagra, ebd. 1796. 8) Joh. Aug. Gottl., Bruder des Vor., geb. 23. Febr. 1773 in Leipzig; wurde 1795 Universitätsauctionator u. errichtete die bedeutendste, mit dem Auslande in großem Verkehr stehende, antiquarische Buchhandlung in Deutschland. Später verband er damit eine Verlagshandlung, aus welcher eine Reihe ausgezeichneter, bes. klassisch-philologischer Werke hervorgegangen ist, deren Herausgeber er zum Theil mit seinen eigenen Sammlungen von Collationen der Handschriften etc. unterstützte. Auch war er im Besitz einer bedeutenden Sammlung von Originalhandzeichnungen, Gemälden, Kupferstichen etc., beschrieben in der Ährenlese auf dem Gebiete der Kunst, Lpz. 1836–45, 3 Abth. Er st. 25. Decbr. 1846 u. gab heraus: Apparatus litterarius, Lpz. 1807, u. Ausg. ebd. 1834. 9) Rudolf, ältester Sohn des Vor., geb. 1804, errichtete 1831 in Leipzig ein Kunstgeschäft. Der Katalog über sein Kunstlager erscheint in Leipzig seit 1834 in jährlichen Abtheilungen; er gab heraus Holzschnitte berühmter Meister, Lpz. 1851 ff. mit 74 Facsimiles. 10) Theodor Oswald, Bruder des Vor., geb. 1812, übernahm das väterliche Geschäft u. erweiterte dasselbe durch Ankauf mehrer anderer Verlagshandlungen, sowie durch eigene große Unternehmungen auf kunstwissenschaftlichem, naturhistorischem etc. Gebiete. Eine von ihm angelegte Sammlung zur Geschichte der frühesten Kunstdruckweisen, so weit dieselben die Erfindung der Buchdruckerkunst vorbereiteten, steht gegenwärtig als Unicum da u. in der nächsten Zeit erscheint eine Beschreibung davon mit facsimilirten Abbildungen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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