- Syrien [1]
Syrien, 1) (Syria, a. Geogr.), im weitern Sinne der Theil Asiens, welcher in der Bibel Aram heißt u. alles Land zwischen Mittelmeer, Ägypten, Arabien, dem Tigris u. Cilicien, also auch Assyrien, Mesopotamien, Babylonien, Judäa u. Phönicien befaßte; im engern Sinne das Land, welches in Osten von Mesopotamien u. Babylonien, hiervon durch den Euphrat getrennt, in Süden von Arabien, in Westen von dem Mittelmeer, in Norden von Cilicien u. Kappadocien begrenzt war; j. noch S. od. Soristan. Die Gebirge des Landes, Zweige des Tauros u. Amanos, waren Libanon, Antilibanon, Kasios u. Pieria; Vorgebirge: die Weiße Küste u. die Rosische Spitze; der Hauptfluß war der Orontes mit dem Marsyas, außerdem Chalos, Kappadox, Singas, Daradax. Die Fruchtbarkeit S-s war sehr verschieden; in einigen Gegenden des nördlichen Theiles war sie natürlich durch mehre Bäche, geschwellt von dem schmelzenden Schnee u. Regen; anderwärts hatte die Kunst viel für Fruchtbarkeit gethan, indem aus dem Orontes durch Wasserräder das Land bewässert wurde; zum Theil war das Land ganz wüst. Hauptproducte waren Schiffsbauholz, Getreide, Reis, Feigen, Datteln, Johannisbrod u.a. Südfrüchte, Baumwolle, Balsamgewächse, Asa fötida, Löwen, Panther, Büffel, Kameele, fettschwänzige Schafe; der Gewerbfleiß brachte bes. Öle u. Salben. Die Einwohner, Syrer od. Syrier, speciell Schwarze Syrer (im Gegensatz zu den Weißen Syrern in Kappadocien), auch Arimäer od. Aramäer genannt, gehörten mit den Assyrern, Mesopotamiern u. Weißen Syrern zu dem Semitischen Volksstamm. Die Religion der alten Syrer scheint theils mit dem phönicischen, theils mit dem assyrischen Heidenthum verwandt gewesen zu sein; die männliche Hauptgottheit war wohl Hadad, die weibliche Hadrach, die von den klassischen Völkern überhaupt Syria dea genannte, soll aus einem Ei, welches vom Himmel in den Euphrat gefallen, von Fischen an das Ufer getragen u. von Tauben ausgebrütet worden sein; sie wurde mit der griechischen Aphrodite identificirt u. war wahrscheinlich gleich der Derketo (s.d.) u. hatte einen Tempel zu Hierapolis. Zum Wahrsagen bediente man sich geschlachteter Tauben, Hühner u. Hunde; vgl. Selden, De diis syriis, Lpz. 1672; Nork, Die Götter S-s, Stuttg. 1842. Die Kunst blühte in S. erst in den Zeiten der Seleukiden, wo die glänzenden Verhältnisse der Hauptstädte die Künstler, welche das verarmende Griechenland verließen, dahin zogen; von den dort entstandenen Monumenten aus Marmor, Erz u. edlen Steinen zeichnen sich bes. die trefflich gearbeiteten Münzen unter den sechs ersten Königen aus, seit Antiochos IV. werden sie geringer u. zu sehr mit Schrift überladen. Über die Sprache der Syrer s. Syrische Sprache, Eingeteilt wurde S. in das eigentliche od. obere S., die nördlichen Striche bis zum Libanon, u. das untere od. hohle S. (Kölesyria), die südlichen Striche mit Phönicien u. Palästina. Das obere S. zerfiel zur Zeit der macedonischen Herrschaft nach den vier Hauptstädten Antiochia, Seleukia, Apamea u. Laodikea in die vier gleichnamigen Theile; unter der römischen Herrschaft in 10 Provinzen: Kommagene, Kyrrhestike, Pieria, Seleukis, Chalkidike, Chalybonitis, Palmyrene, Laodikene, Apamene u. Kassiotis. Constantin d. Gr. trennte Kommagene u. Kyrrhestike ganz von S. u. Theodosius theilte den Rest (von welchem die östlichen Theile am Euphrat u. an der Wüste schon längst an die Parther u. Araber verloren gegangen waren) in Syria prima die Seeküste u. die nördlichen Striche mit der Hauptstadt Antiochia, u. S. secunda, der Theil am südlichen Lauf des Orontes mit der Hauptstadt Apamea. Die vornehmsten Städte S-s waren Samosata, Hierapolis, Myriandros, Alexandria, Seleukia, Chalkis, Chalybon, Palmyra (Thadmor), Laodikea, Apamea, Emesa, Antiochia, in Kölesyrien Damaskos u. Heliopolis (Baalbel) etc. 2) (Bar-el-Cham, Esch-Scham, u. Geogr.), das Küstenland des Mittelmeeres zwischen Kleinasien u. Arabien, westlich durch die Syrische, südlich durch die Arabische Wüste begrenzt, hat einen Flächengehalt von gegen 2300 geogr. QM. u. eine Küstenlänge von 85 Meilen. Von Norden nach Süden wird das ganze Land von zwei Gebirgen durchzogen, welche ein schmales, langes Thal begrenzen, das tief unter das Meeresniveau hinab sich senkend (das Todte Meer 1235 Fuß unter dem Meeresspiegel) in dem Wadi el Araba seine Fortsetzung bis zum Rothen Meere (Busen von Akaba) findet. Die Gebirge schließen sich im Norden an den Taurus an; sie sind Kalksteingebirge u. hie u. da durch kleine Hochebenen unterbrochen. Das Centrum der westlichen Gebirgskette bildet der Libanon (s.d.), an welchen sich südlich das Bergland Palästinas anschließt. Die östliche Kette heißt im Norden Antilibanon u. erhält südwärts die Bezeichnung Hermon. Die drei Hauptflüsse S-s sind der Orontes, Leontes u. Jordan. Die Küste bietet nur wenig Einschnitte: den Busen von Iskenderun, die St. Georgsbai bei Beirut, den Busen am Cap Carmel; auch Häfen sind wenige vorhanden, die besten bei Iskenderun, Beirut, Akre u. Jaffa. Von den Landseen sind die bemerkenswerthesten: das Todte Meer, der See Genezareth (Tabarieh), Merom, alle drei vom Jordan gebildet, dann der Bahr el Merdj (östlich von Damask) u. der Bahr el Kades (vom Orontes gebildet). Das Klima ist im Sommer bei fast immer wolkenlosem [159] Himmel heiß u. nach der Wüste zu fast unerträglich, bes. wenn Glühwinde (Sam od. Samum) eintreten, selbst an der Küste. Dagegen ist im Sommer der Aufenthalt auf den Gebirgen, bes. auf dem Libanon, angenehm. Der Winter ist gelind. Die Bodencultur ist in den westlichen Theilen gut; im Osten, wo nur Beduinenhorden streifen, wird wenig Ackerbau getrieben. Übrigens ist ein großer Theil des Landes, theils wegen Sand, theils wegen vieler Steinwüsten fast gar nicht zu bebauen. Producte: Pferde, Maulthiere, Esel, Rinder (ein kleiner Schlag), Schafe mit Fettschwänzen, Ziegen (braun, mit langen herabhängenden Ohren), Kameele, Gazellen, wilde Schweine, Raubthiere (Panther, Leoparden, Schakals etc.), Seide (im Libanon), Baumwolle, vortreffliche Weintrauben, Wein (bes. im Libanon u. in Jerusalem), Obst, Bananen, Datteln, Feigen, Mandeln, Pinien, Citronen, Pomeranzen, Apfelsinen, Oliven, Honig, Tabak; Gemüse verschiedener Art, Zucker- u. Wassermelonen; Getreide: Weizen, Gerste u. bes. Durra (s.d.). Behufs der Verwaltung ist S. von den Türken eingetheilt in drei Ejalete (Provinzen): Haleb, Saida u. Esch Scham (Damask). Die Zahl der Einwohner läßt sich nur annähernd schätzen u. wird zu 2 Mill. Seelen angegeben. Ihrer Abstammung nach sind sie größtentheils Araber, eigentliche Syrier, im Libanon Maroniten, Drusen u. Mutualis (s.d. a.); außerdem in den Städten zerstreut Türken, Armenier, Griechen, Juden u. Europäer; auch finden sich Zigeuner, in den nordöstlichen Theilen Turkomanen, endlich auch Nubier u. Abyssinier etc., welche als Sklaven aus Ägypten eingeführt werden. Die vorherrschende Religion ist die muhammedanische; unter den Christen finden sich Römisch-katholische, Griechisch-katholische, Maroniten, Kopten, Nestorianer, Evangelische, außerdem Nossairier u. Juden. Eine große Menge von Klöstern aller Konfessionen findet sich in ganz S., bes. im Libanon, zerstreut. Die Sprache ist allgemein die Arabische, auch Syrisch wird von den eigentlichen Syriern noch gesprochen u. bei deren Cultus angewendet. Die Beschäftigung der Syrier besteht auf dem Lande bes. in Ackerbau u. Viehzucht, beides jedoch mit wenig Fleiß; im Libanon ist der Seidenbau die fast ausschließliche Beschäftigung; Garten- u. Feldbau dagegen gering. Handel u. Gewerbe werden in den Küstenstädten betrieben, jener bes. in den Händen der Franken, Armenier u. Griechen. Auch im Innern des Landes ist in den größeren Städten, wie Damaskus, Aleppo u.a. starker Handelsverkehr durch Karavanenzüge; Jagd u. Fischerei sind ganz unbedeutend; Bergbau wird nicht betrieben. Münzen, Maß u. Gewicht sind im Allgemeinen die türkischen, doch rechnet man im Gewicht gewöhnlich nach Batman = 2 Okka, u. nach Nughi = 1/12 Batman. Vgl. Ch. F. Barker, Memoir on Syria, Lond. 1845; Giov. Briano, La Siria et l'Asia minore, Tur. 1845 (mit Illustrationen); Nozrani, Travels in Egypt and Syria, Lond. 1846, 2. A. 1848; K. Ritter, Vergleichende Erdkunde der Sinaihalbinsel, von Palästina u. S., Verl. 1849–55, 6 Bde.; Patterson, Journal of a tour in Egypt, Syria etc., Lond. 1852; G. W. Curtis, The wandere in Syria, ebd. 1852; van de Velde, Reis door Syrie en Palestina in 1851–52, Utr. 1854, 2 Bde. (deutsch von Göbel, Lpz. 1855 f., 2 Bde., u. englisch Edinb. 1854); Seetzens Reisen durch S. etc., herausgeg. von Kruse, Verl. 1854 s., 3 Bde.; Guys, Voyage en Syrie, Par. 1855; E. Poujade, Le Liban et la Syrie, ebd. 1860; Edwards, La Syrie 1840–62, ebd. 1862; Saint-Marc Girardin, La Syrie en 1860, ebd. 1862; Louet, Expédition de Syrie 1860–61, ebd. 1862; S. aus van de Velde's Karte des Heiligen Landes, Gotha 1860.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.