Gerste

Gerste

Gerste (Hordeum), Getreideart mit weit kürzerem Stängel als Weizen u. Roggen, wie diese in Ähren blühend; jede Blume besteht aus zwei Spelzen, einer inneren kleineren lanzettförmigen u. einer äußeren, zugleich unteren, bauchigen, eckigen, die länger als die Hülse ist u. mit einer langen Granne endigt. Die mittelste von den drei dicht bei einander sitzenden Blumen ist die größere u. gewöhnlich allein fruchtbare. Der Same liegt fest zwischen den Spelzen, ist länglich bauchig, an beiden Enden spitz, eckig u. mehr od. minder gefurcht. Man hat zwei-, drei-, vier-, sechszeilige G., große (Platt-) G., kleine (nackte) G. u. nach der Zeit der Aussaat Sommer- u. Winter-G. Die gebräuchlichsten Sorten sind: a) Gemeine vierzeilige G. (Hordeum vulgare), mit vier Reihen Körnern, wovon aber nur zwei aufrecht in die Höhe gehen, dünnen Hülsen, kleinen Körnern; stammt aus den Hochländern Mittelasiens, wird jetzt auch in Deutschland gebaut; wird als Sommer- u. Winterfrucht ausgesät, wächst schnell u. üppig, ist sehr ergiebig u. verträgt einen feuchteren Boden, als andere Sorten. b) Zweizeilige Sommer-G. (H. distichon), mit längeren Ähren u. größeren Körnern, zwar sechszeilig, aber die vier mittleren haben blos männliche Blüthen; Ertrag reichlicher als von voriger, doch erfordert sie besseren Boden, mißräth öfter u. braucht etwas länger zur Reise, muß daher auch zeitiger gesäet werden. Beide Arten sind die gewöhnlichsten. c) Sechs- od. vielzeilige G. (G. hexa- od. polystichon), als Winter- u. Sommer-G. angebaut, erfordert guten Boden, gibt dem Maße nach zwar reichen Ertrag, aber leichte Körner; das Stroh ist ein sehr gutes Viehfutter, die Körner zu Perlgraupen, Grütze u. Mehl bes. gerühmt. d) Schwarze (Astrachanische) G. (H. nigrum), vierzeilig, kommt mit voriger Art ziemlich überein, Körner schwarz, obgleich sie sehr weißes Mehl geben. e) Nackte (Sibirische) G. (H. nudum), wie die zweizeilige Sommer-G., aber ohne Hülsen; bes. zu Bäckereien nutzbar. f) Himmels-G. (H. coeleste), vielzeilig, auch als Dinkel-G. bekannt, s.u. Dinkel. g) Blatt- (Stauden-) G. (H. frutescens), mit breiten dunkelgrünen Blättern, zweizeilig, mit kleinen Körnern, reist schnell, gibt gutes Mehl u. bes. gutes Stroh. h) Bart-(Türkische) G. (G. zeocriton), zweizeilig, mit sehr langen ausgebreiteten Grannen; wird in England u. Frankreich häufig gebaut u. überhaupt sehr gepriesen. i) Himalaya-G., der Himmels-G. ganz ähnlich, schüttet gut, hat schweres Korn, drischt sich aber schwer. k) Chevalier-G., mit ungewöhnlich langen Ähren, großen Körnern, reift aber spät u. verlangt frühe Saat. l) Jerusalem-G., verlangt guten Boden, lagert sich selten, ist sehr einträglich, drischt sich aber schwer. m) Bunte G., hat großes, dickes Korn u. ist sehr ertragreich. Außerdem gibt es noch eine Menge Sorten, welche in E. Viborgs botanisch-ökonomischer Abhandlung von der G., Kopenh. 1802, vollständig beschrieben sind. Die Sommer-G., welche meist gebaut wird, liebt warmes, trockenes Klima u. milden, warmen, klaren, weder zu trockenen, noch zu nassen Lehm- od. sandhaltigen Lehm-, auch tiefen, reichen Aueboden; Kälte u. Nässe verträgt sie nicht, sondern vergelbt darnach. Sonst ist sie die sicherste Frucht, selbst in hohen Gebirgsgegenden, nur darf sie hier erst im Mai ausgesäet werden. Den Acker soll man schon im Herbst fast völlig vorbereiten, sonst ist das Ruhren im Frühjahr bei nicht zu trockener Witterung erforderlich. Die besten Vorfrüchte sind Roggen- u. Hackfrüchte; frische Düngung verlangt die G. nicht; frühe Saat behauptet in milden Gegenden den Vorzug vor später. Zeigt sich die G. 11/2 Zoll über dem Boden, so muß sie bei trockener Witterung gewalzt werden. Um zu verhüten, daß die G. zweiwüchsig werde, säet man sie gern vor od. nach einem Regen. Unter die G. werden mit Vortheil auch Linsen (Lins-G.) gesäet; baut man Klee unter ihr an, so muß der Acker bes. tief u. klar bearbeitet werden u. rein von allem Unkraut sein. Wird die junge G. bei kalter regnerischer Witterung gelb, so soll man sie mit stickstoffreichem Compost od. Jauche überfahren. Sie reist meist in der Mitte des August. Man bringt sie jedoch gern noch vor der gänzlichen Reife (in der Gelbreife) ab weil sie leicht ausfällt, od. auch[253] die Ähren vom Winde abgebrochen werden. Man haut sie meist ins Schwad; nach dem Abhauen läßt man sie blos so lange liegen, bis das Gras dazwischen trocken geworden ist. Krankheiten der G. sind: der Rost, dem Brande des Weizens entsprechend, u. die Puppengerste, veranlaßt durch eine Raupe, welche den Gerstehalm anfrißt. Die Winter-G. ist in Körnern u. Stroh einträglicher, als die Sommer-G., aber weniger mehlreich; sie eignet sich hauptsächlich für gemäßigtes, mehr feuchtes als trockenes Klima u. verlangt sehr düngerkräftigen, durchlassenden Untergrund. Beste Vorfrüchte sind Flachs, Klee, Bohnen. Die Bestellung ist wie zum Winterweizen, die beste Saatzeit Ende August od. Anfang September, die Ernte fällt Anfang Juli. Die G. als Samenkorn wird am meisten zu Malz (Gerstenmalz) für das Bierbrauen benutzt; außerdem zu Mehl gemahlen. Weißes Gerstenmehl kann selbst zu Semmelteig als Zusatz benutzt, zu Roggenbrod mit Vortheil bis zu 1/3 zugesetzt werden; selten wird es für sich als Gerstebrod verbacken (s. Brod). Schwarzes Mehl dient zu Brei od. Klösen; die Kleie u. die im Siebe bleibenden Spelzen geben gutes Viehfutter. Auch macht man von G. Graupen, Grütze, Kaffee, Orgeade u. Zucker. Das Stroh ist besonders ein gutes Rindviehfutter u. die Körner sind gequellt od. geschroten mit Vortheil an Pferde, Rindvieh, Schafe, Schweine u. Federvieh zu verfüttern. – Wilde G. fand sich, nach Berosos, in Babylonien, zwischen dem Tigris u. Euphrat, jetzt noch findet man sie in Indien, Georgien, Armenien, Sicilien etc. wild wachsend; sie kam nach Deutschland zuerst aus Italien. Die G. wurde von den Ägyptiern u. Hebräern stark gebaut u. als Viehfutter, wie auch zu Brod für die Ärmeren benutzt. G. war der Griechen älteste Ackerfrucht u. wurde von ihnen am frühesten, von im Juni, geerntet. Die Römer bereiteten aus der G. mancherlei Speisen u. Getränke. Sie weichten sie eine Nacht in Wasser ein, trockneten, rösteten u. zermalmten sie (Polenta); hieraus bereiteten sie mit Wasser, Milch, Wein od. Honig eine Art Brod (Maza). Eine Abkochung der enthülsten G. hieß Plisana. In Gallien, Hispanien, Germanien u. Pannonien, früher auch schon in Ägypten, bereitete man ein Getränk (Bier) aus G.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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