- Sicilien [1]
Sicilien (a. Geogr.), bei den Griechen Sikelia, früher wegen ihrer dreieckigen Gestalt Trinakria, latein. Triquetra, d.h. die dreieckige, nach der Einwanderung der Sicaner Sicania genannt; die größte u. wichtigste der Inseln des Mittelmeeres, dem Südwestende Italiens gegenüber, von demselben durch die Sicilische Meerenge (Fretum Siculum, Fretum Siciliense, Fretum Scyllaeum) getrennt; der schmälste Punkt dieser Enge war beim Vorgebirg Pelorum u. betrug 1/3 Meile. Die Durchfahrt wurde lange wegen der Charybdis u. Scylla (s. b.) für sehr gefährlich gehalten. Die Größe wird verschieden angegeben, nach Ein. 550, nach And. 618 Millien; nach Ein. brauchte man zur Umschiffung 5 Tage u. Nächte, nach And. 8 Tage. Von Ost nach West zog sich an der Nordküste das Gebirge der Nebrodes (Nebrodi montes), eine Fortsetzung der Apenninen; auf ihrer östlichen, nach Süden laufenden Nebenkette erhebt sich der Ätna, dann der Neptunius mons, Maro, im Westen Gemelli colles, Cratas, Eryx, in der Mitte nach Süden herab die Heraei montes. Vorgebirge, an der Ostküste: Pelorus (Pelorum, Peloris), Drepanum, Argennum, Plemmyrium, Pachynus (Pachynum); an der Südküste: Odysseum u. Bucra; an der Westküste: Lilybäum; an der Nordküste: Ägithalium u. Phalacrium. Die meisten Flüsse trockneten im Sommer fast aus; die wichtigsten waren auf der Ostseite der Symäthus u. auf der Südseite der Himera; außerdem an der Ostküste: Acesines, Acis, Lyssus, dann getheilt in den Terias u. Pantagies (Pantagias, Pantachus), Alabon, Longanus (Myla), Anapus, Cacyparis, Orinus, Asinarus, Helorus (Helorum); an der Südküste: Motychanus, Hirminius, Hipparis, Oanus, Achates (Alycus), Vagedrusa, Gelas (Gela), Camicus, Acragas, Halycus, Isburus (Solia), Allava, Hypsas, Selinus, ein anderer Halycus; an der Westküste: Mazara, Sossius, Acithius, Porpax; an der Nordküste: Bathys, Scamander, Crimisus, Telmissus, Orethus, Eleutherus, Monalus, Halesus, Cbydas, Timethus, Helicon, Melas. Von Seen sind zu nennen Lysimelia (Syraco) u. Camarina (sd.) auf der Ostküste; im Innern: Pergus; die zwei kleinen Seen am Tempel der Paliker, bei Eryx, hatten warmes, schwefelhaltiges Wasser; auf der Südküste der Cocantus u.a.; Quellen: Arethusa u. Cyane. S. war ausgezeichnet fruchtbar, daher die Insel der Ceres geheiligt war; die Producte im östlichen Theil waren denen von Unteritalien, die im südlichen mehr denen von Nordafrika verwandt; Ausfuhrartikel waren hauptsächlich Weizen (der beste wuchs um Enna, in den Leontinischen Gefilden fand man ihn wild u. der angebaute gab 100fältige Frucht), Schlachtvieh, Maulthiere, Häute, Wolle, ätnäischer u. hybläischer Honig, Wachs, Safran; außerdem gab es Südfrüchte aller Art, Öl u. Wein (bes. der mamertinische in Italien sehr beliebt), Abrotonum, Mangold, Cactus, Zwergpalmen; eßbare Schnecken, Pferde; Erdpech, Marienglas, Achate, Jaspis, Lapis Lazuli, Marmor etc. Über die Bewohner s.u. Sicilien (Gesch.) S.-s f. Die vornehmsten Städte waren an der Ostküste: Zankle od. Messana, Naxus (Tauromenium), Catana, Leontini, Megara, Syracusä; an der Südküste: Camarina, Gela, Agrigentum, Heraclea, Selinus; an der Westküste: Lilybäum, Eryx, Drepanum; an der Nordküste: Segesta, Panormus, Himera (Thermä), Mylä; im Innern: Centuripä, Hybla, Agyrium, Enna, Herbita, Morgantium. Die Inseln an den Küsten S-s waren: an der Westküste die Ägusä od. Ägates, an der Nordküste die Aoliä (Vulcaniä. Lipariä); an der Südküste Melita, Gaulus, Cosyrus. Die Verfassung war ursprünglich aristokratisch, da die Landeigenthümer (Gamoroi) die Häupter ihrer ausgebreiteten Familien waren, u. es bestanden Tyrannen in einzelnen Städten u. deren Gebieten; nachmals aber demokratisch, u. nachdem einzelne Republiken entstanden, öffnete S., durch Streitigkeiten zerrissen, leicht fremden Völkern den Zugang, welche Herren erst eines Theils, dann der ganzen Insel wurden, so die Carthager u. Römer. Der ursprüngliche Götterdienst ist unbekannt; später brachten griechische Colonien griechischen Dienst dahin. Ein Nationalgott scheint Adranus gewesen zu sein; vor allen wurde aber Ceres verehrt, deren Geschichte sammt der ihrer Tochter Proserpina zum Theil in S. spielt. Auch Venus, Diana u. Minerva wurden hier verehrt. Sicilische Münzen gibt es von den Städten Eryx, Agrigentum, Messana, Segesta, Syracus etc., u. von Königen namentlich von Gelon, Hiero I., den beiden Dionysen, Agathokles, Hiero II., Hieronymos, der Königin Philistis etc. Die ältesten waren von Silber, später gab es deren auch von Gold u. Kupfer. Die Aufschriften der ältern sind griechisch, einige Zeit wurden in Panormus Münzen mit punischer, unter römischer Herrschaft mit lateinischer Inschrift geprägt. Die Gepräge (bis zu Agathokles vielleicht die schönsten des ganzen Alterthums) sind: der Pferdekopf (punisch), auch ein Pferd mit Gespann (wegen des öftern Siegens sicilischer Könige in den griechischen Wettkämpfen); daneben gewöhnlich die Kornähre als Zeichen der Fruchtbarkeit. Das Sicilische Talent (s.u. Talent) war das kleinste; das Damareteion Nomisma, eigentlich eine Denkmünze von Gelon, zu Ehren seiner Gemahlin Damarete geschlagen, wurde nachher eine bestehende Münze u. wog 50 Litren (daher Pentekontalitra) u. war 10 attische Drachmen werth. Vgl. H. Goltz, Sicilia Magna et Graecia ex numismatibus, Antwerp. 1618, Fol.; Keerl, S-s vorzüglichste Münzen u. Steinschriften aus dem Alterthum, Gotha 1802, 2 Thle.; Frate u. G. H. Nöhden, Specimens of ancient coint of Magna Graecia and Sicily, 1824 u. 25, 1–4; Payne Knight, On de large silvercoins of Syracuse, im 19. Bd. der Archaeologia Britannica. Künste u. Wissenschaften wurden seit der Zeit der hellenischen Einwanderung in S. eifrig gepflegt. Aus der Urzeit waren als Bauwerke berühmt die Dädalischen Felsenmauern der Sicaner u. Siculer; die noch jetzt im südlichen Theil der [2] Insel erhaltenen Tholi, welche nach Art der griechischen Schatzhäuser gebaut waren. Unter den Bildhauern zeichnete sich bes. Pythagoras von Leontini ans; Maler gab es nicht viel vorzügliche, genannt wird vor anderen Demophilos; in der Musik waren die Sicilier Meister, aber dieselbe artete endlich hier in ionische Weichlichkeit aus; in der Mathematik machte Archimedes bedeutende Entdeckungen. Vorzüglich wurde die Dichtkunst hier geübt; die Idylle erklang hier, wie nirgends, u. die echten Bukoliker waren Sicilier; die Komödie soll hier ihr Vaterland gehabt haben; Tragödien schrieben Empedokles u. Sosikles; S. war das Vaterland berühmter Redner (Gorgias, Lysias), Philosophen (Epicharmos, Dikäarchos), Ärzte (Herodikos, Menekrates, Akron) u. Geschichtschreiber (Themistogenes, Diodoros, Antiochos, Philistos, Timäos). Übrigens waren die Sicilier ein kluges, verschlagenes u. industrielles. Volk; die alte, einfache Lebensweise hatten sie später abgelegt u. sich der Schwelgerei u. Völlerei ergeben. Sieredeten keine Sprache gut, daher wurden sie bes. von den Römern verspottet. Vgl. Saba, Res siculae, herausgeg. von Baluzins; Desselben Thesaurus Siciliae, herausgeg. von P. Burmann, 5 Thle.; Cluver, Sicilia antiqua, 1619; dt Orville, Sicula, herausgeg. von P. Burmann, Amst. 1764; I. F. Ebert, De Siciliae veteris geographia, historia, mythologia, lingua, antiquitate sylloge, Königsb.; Pancrazi, Antichità Siciliane; Raoul-Rochette, Monumens inédits, Par. 1829 f.; Hittorf, Architecture antique de la Sicilie, ebd. 1826–1830, 3 Bde.; F. Gärtner, Ansichten der meisten erhaltenen Monumente in S., Stuttg. 1822.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.