- Rindvieh
Rindvieh (Bos taurus), genereller Name für das als Hornvieh bekannte Hausthier. Das Männchen des R-s heißt gewöhnlich Ochse, das Weibchen Kuh, das Junge im ersten Jahre Kalb; den Zuchtochsen nennt man Bulle (Brömmer, Brumm-, Brüll-, Stamm-, Reit-, Springochse); das junge männliche, ein Jahr alte R. heißt in manchen Gegenden Rind, im dritten Jahr Stier od. Farre; ist es weiblich, im ersten Jahre Färse (Kalbe, Quene, Starke), im zweiten Jahre Zeitkuh, wenn es zum 1. Mal gekalbt hat Kuh, castrirtes R. männlichen Geschlechts heißt Ochse (Schnittochse) im engeren Sinne, weiblichen Geschlechts Nonne. Das R. ist von, nach den Racen desselben abweichender Größen. Gestalt; im Allgemeinen kann man annehmen, daß es 6–8 Fuß lang u. 31/2–41/2 Fuß hoch ist. Es hat plumpen Körper, viereckigen Kopf, platte Stirn, überhängende Lippe, die obere dick u. stumpf; breite, zugespitzte, schlaffe Ohren, glatte runde Hörner, welche von einer vorspringenden Linie von der Stirn ausgehen, dicken u. breit gedrückten Hals, starke Wamme, hohen Nacken, breites hageres Kreuz, runden u. dicken Bauch, kurze u. starke Beine, gespaltene Klauen. Die Farbe ist verschieden; rothbraun, bläulich od. röthlich weiß (Schimmel), graufalb, weiß u. schwarz, braun od. gelb gefleckt, gestriemt, d.h. schwarz, braun od. gelb mit weißem Streife auf dem Rücken. Gang u. Wendung des R-s ist schwer u. plump, der Lauf sehr schnell. Geringe Gelehrigkeit, Störrigkeit, Trotz u. Dummheit charakterisiren es, doch ist die Kuh weit sanfter, als der Ochse. Über die zweckmäßigste Gestalt des R-s gelten folgende Regeln: Die Brust muß weit u. tief sein, dagegen schaden etwas flache Seiten nicht; zur Mästung muß der Bauch weit u. tief, der Rippenkasten tonnenförmig u. tief sein, um Herz u. Lunge Raum zum Schlagen zu gewähren; dabei darf nur ein kleiner Raum zwischen Rippen u. Hüften sein. Bei Ochsen ist dies ein Kennzeichen guter u. gesunder Constitution u. einer Anlage zum Fettwerden, doch ist auch ein weiter schlappiger Bauch bei der Kuh gut, weil er dem Euter Raum gibt; daran hervorliegende Milchadern bestätigen ihren Werth für die Milcherei. Noch hervorstechender wird die Milchergiebigkeit einer Kuh durch den Milchspiegel, eine spiegelartige Stellung der seinen Flaumhaare am obern Euter u. an der innern Fläche des Hintertheils (s. Guenons System). Die Rundung u. Tiefe des Rippenkastens[168] sind in dem Verhältniß vortheilhafter, als sie sich mehr nach der Spitze des Ellnbogens, als zwischen den Schultern u. Beinen finden. Das Kreuz muß breit sein u. sich längs dem Rücken zu erstrecken scheinen, die Flanken rund u. tief, die Hüften besser rund als breit u. beim Befühlen viele Muskeln u. Fett darbieten. Die Schenkel müssen voll u. lang u. dicht aneinander sein, wenn man sie von hinten sieht; je tiefer herunter sie so bleiben, um so besser ist es. Die Beine sollen kurz, die Beinknochen dünn sein, aber nicht so dünn, daß sie Constitutionsschwäche od. Neigung zur Kränklichkeit anzeigen. Die Haut muß beweglich, weich, aber nicht zu lose, u. bes. mit weichen seinen Haaren gut bedeckt sein. Von den Nutzungseigenschaften des R-s sind vorzüglich wichtig Mastungsfähigkeit, Zugkraft u. Milchergiebigkeit. Behufs der Mastfähigkeit müssen die Thiere frühes u. schnelles Wachsthum zeigen, sich schon jung anmästen, das Fleisch muß feinfaserig, feinkörnig u. mit Fett durchwachsen sein; es müssen sich hauptsächlich die dem Fleische nach werthvolleren Körpertheile mehr entwickeln. Behufs der Tauglichkeit zum Zug darf der Kopf nicht zu sein, der Halsansatz nicht zu dünn, vielmehr müssen Hals u. Wamme stark sein; Schultern u. Brust dürfen nicht beladen, die Füße müssen kurz, die stämmige Stellung der Hinterbeine soll im Sprunggelenk nicht zu aufrecht sein, die Haut soll eine gewisse Stärke haben, überhaupt das Äußere des Thieres Kraft verrathen. Behufs der Fortpflanzung soll der Bulle von reiner Race sein, leichten Kopf, glatte, glänzende, nicht zu dicke, am Ende nicht rückwärts gebogene Hörner, kleine Ohren, weit geöffnete Nasenlöcher, dünnen, leicht mit der Schulter verbundenen Hals, gegen den Kopf hin abnehmende Wamme, weite, tief herabhängende Brust, faßförmigen Leib, geschmeidige, zarte, jedoch nicht allzulose Haut, seines, seidenartig glänzendes Haar von guter Farbe, geraden, vom Widerrist bis zur Schwanzwurzel laufenden, breiten, ebenen, runden, hinter den Schenkeln vollen, mit dem Schwanz einen rechten Winkel bildenden Rücken, dünnen Schwanz, leichten Knochenbau, gestreckten Leib, kleine Hungergruben, fleischige Schultern, lange, muskulöse Vorderarme, dünne, unterhalb dem Knie kurze Beine, weite u. gerade Stellung der Gliedmaßen, kleine Klauen mit seinem, glänzendem Horn, volle runde Hinterschenkel, breite, beim Gehen sich nicht berührende Sprunggelenke u. die im Verhältniß zum Alter entsprechende Größe haben. Behufs der Milchergiebigkeit sind zu berücksichtigen ein mehr zart gebauter Körper, leichter Kopf, seine kurze Hörner, schlanker Hals, tiefer Leib, dünner Schwanz, seine Füße, weiche derbe Haut, seines Haar, verhältnißmäßig leichter Vordertheil, ein gegen hinten in allen Theilen sich erweiternder Bau, theilweise mit hängendem Bauche, rundlich viereckiges, großes, volles, wenig u. breit am Bauche sich vorwärts erstreckendes, nach hinten hoch hinausgehendes, dünnhäutiges, mit flaumigen Haaren bedecktes Euter, vier gleich große, gleich weit von einander im Vierecke nach außen stehende, lang u. spitz zulaufende Striche, starke, volle, schlangenähnlich gewundene, meist am Bauche vorgehende Milchadern.
Wahrscheinlich stammt das R. von dem Auerochsen (Bos urus) od. dem Büffelochsen (Bos bubulus), od. aus Mischungen beider, vielleicht auch mit andern Arten des Geschlechts Bos, z.B. dem Zebu, ab, wenigstens vermischt sich das R. leicht mit allen diesen Arten u. bringt fortpflanzungsfähige Kälber hervor. Das wilde R., welches man z.B. in Amerika in großen Heerden findet u. von dem es auch in der Grafschaft Dumfries einige gibt, scheint wieder verwildertes R. zu sein. Es gibt eine große Zahl verschiedener Racen des R-s, welche mehr od. weniger die Kennzeichen einer Höhe- od. Niederungsrace an sich tragen od. zwischen beiden Racen in der Mitte stehen. Außer dem Racevieh gibt es auch Landvieh, welches meist sehr gemischt ist. Unter Höhe- od. Bergracen versteht man solche Racen, welche in gebirgigen Gegenden gezüchtet werden u. vermöge ihres Körperbaues Gewandtheit u. Kraft genug haben, sich das Futter von schwierig zu beweidenden Orten zu suchen. Solches Vieh ist in der Regel nicht groß. In den grasreichen Thälern der Gebirgsgegenden wird ein größerer Schlag Vieh gefunden, welches man füglich Thalrace nennen kann. Unter Niederungsracen versteht man solche Racen, welche groß u. schwer sind, kurze starke Beine haben u. in Niederungen gezüchtet werden. Die Eintheilung der Rindviehracen in Höhe-, Thal- u. Niederungsracen ist aber deshalb nicht ausreichend, weil die Einwirkung der menschlichen Cultur Racen erzeugt hat, welche sich für gewisse ökonomische Zwecke am besten eignen u. durch den Einfluß der Futtermittel hervorgerufen worden sind. Hiernach läßt sich das R. in folgende fünf Stammracen eintheilen, welche wieder in eine große Zahl Unterabtheilungen zerfallen, von denen wieder Mittelracen durch Vermischung der Hauptracen entstehen. Jene fünf Hauptracen sind: A) Das graue Landvieh des südöstlichen Europa, wahrscheinlich der Urstamm des gemeinen R-s (Bos taurus); hierunter gehören: a) die Podolische u. Ungarische Race, spitzer Kopf mit weit auseinander stehenden Hörnern, sehr harte Constitution, daher ohne Pflege u. Wartung gut anzumästen, Milchertrag gering, das beste Zugvieh wegen Härte, Stärke u. schnellen Ganges; b) das Steyersche, Mürzthaler Vieh, veredelte Race der vorigen, schöne, schwere Ochsen, zum Zug u. zur Mast trefflich; c) das Romanische Vieh Italiens, gibt vortreffliche Zug- u. Mastochsen. B) Das rothe Landvieh des nordwestlichen Europa; zu ihm gehören: a) das Schwäbischen. Odenwälder Vieh, gutes Milchvieh, noch besser zur Mastung; b) das Fränkische u. Vogelsberger Vieh, hellroth, von mittler Größe, sehr dauerhaftes Zugvieh; c) das Westerwälder Vieh, wie das vorige; d) das Voigtländern. Egerländer Vieh, die vorzüglichste deutsche Landrace, leistet bei zweckmäßiger Züchtung u. Haltung Ausgezeichnetes; e) das Französische u. Englische Landvieh. C) Das große, weiß- u. schwarzgefleckte R. der Küstenländer an der Nordsee; hierunter gehören: a) das Holländer Vieh, ganz vorzügliches Milchvieh, aber sehr empfindlich gegen Temperaturwechsel bei Stallfütterung; b) das Oldenburger, Ostfriesländer, Schleswig-Hosteiner Vieh, gutes Milchvieh; c) das Jütländer Vieh, klein, gedeiht bei mäßigem Futter, gibt mehr Fleisch u. Fett, als Milch; d) die Normännische Race in Frankreich, die ausgezeichnetste französische Race, zerfällt in die große, welche als Schlachtvieh, u. in die kleine, welche als Milchvieh vorzüglich ist; e) die Kurzhornracen Englands, sehr groß, wie das Durham Vieh,[169] rothgescheckt, mit sehr viel Weiß, das vorzüglichste Mast- u. Melkvieh. D) Das große, roth- od. schwarz- u. weißscheckige, auch rothe R. der Schweiz u. Tyrols; hierunter gehören: a) die Berner u. Freiburger Race, das sogenannte Schweizer Vieh, kolossale Thiere, verlangen viel u. gutes Futter u. geben doch nur geringen Milchertrag; zum Zug sind die Ochsen weich u. schwerfällig, die Kühe haben ein bullenartiges Ansehen. Das Simmenthaler od. Saanenthaler Vieh ist etwas milchergiebiger; b) das Tyroler Vieh, roth, von schönen Formen, Kühe bullenartig, geben nicht reichlich Milch, legen aber sehr leicht Fleisch an. E) Das braune, bräunliche, graue, dachsfarbige R. der Schweiz, Tyrols u. der Nachbarschaft; hierunter gehören: a) das Schwytzer Vieh, verlangt viel u. gutes Futter, ist dann aber in Milchergiebigkeit ausgezeichnet, Farbe glänzend schwarzbraun; b) das Appenzeller, Montafoner Vieh, im Futter genügsamer, sehr milchergiebig, von Farbe dachsgrau u. fahlbraun, ins dunkelbraune, wie die vorige Race lichten Ring um das Flotzmaul, auswendig mit hellen Haaren bewachsene Ohren, lichter Streif an Rücken u. Bauch, ist auch sehr mastfähig; c) die Hasli- u. Urirace, das eigentliche Gebirgsvieh der Schweiz, kräftig, lebendig, klein, wohl gebaut, von reichlichem Milchertrag; d) die Allgauer Race, klein u. untersetzt, vorzüglich milchergiebig. Aus diesen Hauptracen ist durch Vermischung mit dem Landvieh eine große Anzahl von Mittelracen u. Spielarten entstanden, z.B. die Danziger Niederungsrace, das Angelnsche Vieh aus der Hauptrace des Marschviehes, die Glanrace in Rheinbaiern u. das Birkenfelder Vieh aus dem Schweizer Vieh u. dem Landvieh, die Bacher u. Triesdorfer Race in Baiern aus dem Marschvieh u. Schweizer Vieh. Minder bekannte Abarten anderer Welttheile sind: das Riesenrind, das große indische Rind auf Madagascar, sehr groß, mit kurzen, zurückgebogenen, bis dicht auf den Hals aufliegenden Hörnern u. einem Fleischklumpen (Höcker) zwischen den Schultern; das kleine indische Rind, s. Zebu; das Abyssinische Rind, in Habesch u. Madagascar, mit Höcker u. hängenden Hörnern, welche blos an der Haut befestigt sind; das weiße Rind, in Adel u. Madagascar, mit Höcker: das weiße Rind mit schwarzen Ohren, auf Tinitan; das Rind mit zwei Höckern, in Persien; die Nata in La Plata, Stiere sehr kurz u. breit, das Nasenende aufwärts gekehrt, die Oberlippe sehr zurückgezogen, der Unterkörper springt weit über den Oberkörper hervor u. hat eine entsprechende Krümmung nach oben, daher die Zähne stets entblößt sind, die Nasenlöcher liegen hoch oben u. stehen weit offen, die Augen springen nach außen hervor; im Gehen tragen die Thiere den Kopf tief, dieser sitzt auf einem kurzen Hals, die Hinterbeine sind im Vergleich zu den Vorderbeinen länger als gewöhnlich; die Race bleibt sich sehr treu; das wilde R. in Texas, Farbe dunkelbraun mit kleinem Anflug von schmutziggelb an Nasenspitze u. Bauch, die Hörner auffallend groß u. ragen stracks am Kopf empor; die Thiere sind weit größer als das zahme R., doch flüchtiger u. schmächtiger; Fleisch von vortrefflichem Geschmack, das Fett hart u. gediegen. Mehre dieser als Spielarten beschriebenen Arten sind indessen wahrscheinlich besondere Arten u. gleichen dem Bison mehr als unserem R.
Die Anatomie des R-s bietet mehre Merkwürdigkeiten. Zunächst gehört das R. unter die Wiederkäuer, hat daher einen vierfachen Magen. s. Magen u. Wiederkauen der Thiere. Auch die Zähne sind merkwürdig, u. zwar als Zeichen zum Erkennen des Alters des R-s; das R. hat nämlich in der untern Kinnlade 8 Schneidezähne, in der obern fehlen aber dieselben. Mit den Backzähnen hat es 32 Zähne, auf jeder Seite eines Kinnbackens trägt es 6 Backzähne, im Ganzen also 24. Das Kalb bringt 4 Schneidezähne mit auf die Welt, nach 14 Tagen erhält es 2 neue, nach 3 Monaten sind noch 2, folglich alle 8, herangewachsen. Im 12.–16. Monat fallen die beiden mittleren Zähne aus u. werden durch 2 größere ersetzt. Nach dem zweiten Jahre fallen die 2 nächsten Schneidezähne aus, nach dem dritten Jahre die 2 folgenden u. nach dem vierten die letzten. Sie sämmtlich werden jedesmal durch größere, breitere u. enger zusammenstehende ersetzt. Von nun an wird die Kennung unsicher, doch kann man annehmen, daß R. mit stumpfen, abgeriebenen u. gelben Zähnen über 8, mit weit vorstehenden, schon Lücken zeigenden, wacklichen, über 10 Jahre ist. Dagegen tritt, wenigstens bei Kühen, ein neues Zeichen mit den Hörnern ein. Hat nämlich eine Färse zum ersten Male gekalbt, so tritt an der Wurzel jedes Horns ein Ring hervor, u. da sie meist im vierten Jahre zuerst kalbt u. auch jedes Jahr zu kalben pflegt, auch stets ein neuer Ring hervortritt, so bezeichnet die Anzahl dieser Ringe die Jahre, welche eine Kuh über vier Jahre alt ist. Indessen ist dies Kennzeichen doch unsicher, da die Kühe nicht genau jedes Jahr kalben, auch die Ringe sehr in einander laufen u. sich daher nicht genau zählen lassen. In einem Alter von acht Jahren werden die Hörner an der Wurzel dünner, als nach oben, u. auch dies bildet ein Kennzeichen des Alters. Das Körpergewicht ist nach Race, Ernährung etc. sehr verschieden u. wechselt bei kleinsten Kühen von 400–500, mittelgroßen von 700–900, großen von 1000–1200, bei männlichen Thieren bis 2000 Pfund lebenden Gewichts. Größere Thiere passen besser zur Arbeit, kleinere besser zur Mast. In Amerika hat man zuerst versucht, die Kühe zu verschneiden, u. zwar mit gutem Erfolg. Das Verfahren verbreitete sich seit 1832 an immer weiter, namentlich in England, Deutschland u. der Schweiz. Die Kühe geben 11/2 Jahr nach dem Verschneiden mehr u. bessere Milch als im unverschnittenen Zustand, werden dann leichter fett u. liefern mehr u. besseres Fleisch. Das Rind wird 30 Jahre alt, bleibt aber gezähmt nicht ganz die Hälfte dieser Zeit in voller Kraft, denn schon mit 12, höchstens mit 14 Jahren hören die Kühe auf Milch zu geben, u. man thut gut, sie mit 10 Jahren auszumerzen; dagegen werden die Stiere 6–8 Jahre zur Zucht gebraucht, dann verschnitten im Zug verwendet, gemästet u. geschlachtet. Die Kälber u. Kühe blöken, letztere brummen auch wie der Ochse, welcher auch noch ein eintöniges, helldurchdringendes Gebrüll ausstößt. Die Nahrung des R. sind Vegetabilien; am liebsten ist ihm Klee. Es frißt die Vegetabilien entweder frisch von der Weide od. geschnitten in grünem Zustande, od. getrocknet als Heu od. Stroh. So weit das Rind Futter findet, so weit ist es auch verbreitet. Nur im höchsten Norden u. in völligen Wüsten findet man es nicht.
Das Rind gewährt großen Nutzen. Zunächst wird es zum Einspannen in den Pflug u. Wagen[170] gebraucht. In Gebirgsgegenden spannt man beide Thiere häufig an ein gemeinschaftliches Joch, da dies aber, wenn sie nicht genau einerlei Schritt, Höhe, Munterkeit u. Stärke haben, eine große Plage für sie ist, so jocht man lieber die Ochsen jeden für sich vor der Stirn od. koppelt ihn im Nacken. Man spannt auch ein Pferd u. ein Rind zusammen, doch darf das erstere nicht mehr jung u. muthig sein. In gebirgigen Gegenden müssen, um den Rindern die Arbeit zu erleichtern, die Klauen der Vorderfüße mit Eisen beschlagen werden, auch beschlägt man häufig die Hinterfüße, doch nur auf der äußern Seite, s.u. Hufbeschlag S. 578. Landwirthe, welche nur ein kleines Areal haben, verwenden auch Kühe zum Ziehen. Der Milchertrag leidet dadurch nicht, wenn die Kühe jedesmal nur 1/2 Tag zum Zuge verwendet u. gut gefüttert werden, ja die Milch der Zugkühe soll sogar fetter sein als die der müssig stehenden; bes. verschnittene Kühe eignen sich zum Zuge. Die Frage, ob die Ochsen als Zugvieh in der Landwirthschaft den Pferden vorzuziehen sind, ist noch nicht entschieden. Als Gründe, welche dem Ochsen den Vorzug vor dem Pferde geben, führt man an, daß der Ochse sowohl beim Ankauf als im Unterhalte wohlfeiler u. weniger Zufällen u. Krankheiten ausgesetzt sei; daß die Pflugarbeit mit ihm genauer u. regelmäßiger von statten gehe, daß der Ochse bei harter Arbeit weniger ermüdet u. also länger arbeiten kann, als das Pferd, daß er einen fettern u. bessern Mist liefere als das Pferd u. daß er, wenn er zur Arbeit unbrauchbar geworden ist, zur Mast aufgestellt u. durchs Schlachten nützlich werde, daß also der Ochse mit den Jahren ins Capital wachse, welches sich beim Pferde mit zunehmendem Alter verringere. Alles kommt jedoch auf die Örtlichkeit an. Über das Verhältniß der Arbeitsamkeit der Ochsen gegen die Pferde sind die Meinungen der Landwirthe sehr getheilt. Die Beschaffenheit der Ochsen u. ihre Gewöhnung entscheidet, sind sie groß u. so gewöhnt, daß sie, ohne gewechselt zu werden, wie die Pferde den ganzen Tag arbeiten, so kommen sechs Ochsen vier Pferden gleich; werden sie hingegen gewechselt u. arbeiten am Tage länger als ungewechselte Pferde, so stehen 14 Ochsen mit 8 Pferden in gleichem Verhältniß: arbeiten sie aber im Wechsel eben nicht länger als die Pferde, so ist das Verhältniß zu diesen wie 8 zu 4. In bergigen Gegenden sind Ochsen zum Zug brauchbarer, weil sie nicht so leicht im Zug nachlassen. Auch zu Betreibung von Maschinen, in Tret- u. Roßmühlen sind die Ochsen brauchbar. Während der Arbeitszeit müssen die Ochsen gut, auch mit Körnern gefüttert, sorgfältig gewartet, fleißig gestriegelt, auch ihnen die nöthige Zeit zum Wiederkauen gelassen werden. In einigen Gegenden Asiens u. Afrikas wird das R. auch zum Ausdreschen des Getreides, zum Tragen von Lasten u. selbst zum Reiten gebraucht. In Spanien wendet man die Stiere zu Stiergefechten (s.d.) an; sonst waren solche Gefechte auch in Rom u. Süddeutschland, bes. in Wien, gewöhnlich.
Ein Hauptnutzen des R-s ist der Milchgewinn (s. Milch) nicht allein durch die Benutzung der Milch als Nahrungsmittel, sondern auch durch deren Umwandlung in Butter u. Käse (s. b.). Das Fleisch des alten R-s wird als Rindfleisch, das des jungen als Kalbfleisch (s.d.) gekocht od. gebraten genossen, s.u. Rindfleisch. Auch die Eingeweide werden gegessen (s. Rindsflecke). Die Rinds- u. Kalbshäute werden zu verschiedenen Sorten Leder (s.d.) verarbeitet, auch die Felle mit den Haaren werden gar gemacht u. zu Kofferüberzügen u. dgl. verwendet. Die Abgänge des Leders, die Knorpel u. Sehnen dienen zur Bereitung des Leims u. zum Dünger. In Frankreich sammeln die Cretoniers die Abgänge in den Schlachthäusern, pressen das Fett aus u. verkaufen es, u. mästen mit den Überresten die Schweine. Die Haare werden zu Polstern, zu Filzen, von Tünchern zum Untermischen unter den Kalk, von den Russen zur Bereitung eines filzähnlichen Tuchs (Woilok) u. die mit Kalk vermischten Abgänge davon beim Weißgerber zum Düngen nasser Felder gebraucht. Die Hörner der beschnittnen Ochsen, bes. der ungarischen u. brasilianischen, werden von den Drechslern zu seinen Hornarbeiten, die gewöhnlichen Hörner zu ordinärer Horndreherarbeit, Kämmen, Messerheften u. dgl. verwendet. Der Ochsenschwanz wird von den Weißgerbern statt des Pinsels, um die Felle mit Kalk einzuschmieren u. in Indien als Fliegenwedel, auch als Surrogat von Pferdehaaren; das Blut zum Reinigen des Zuckers in Zuckersiedereien, zum Fertigen des Berlinerblaues, zum Schäumen des Salzes in Salzsiedereien, zum Zeuchstärken, zur Bereitung von Dippels thierischem Öl, zu Ofen- u. Wasserkitt u. zum Dünger benutzt. Die Klauen werden geraspelt u. zum Eisenhärten od. als Dünger, das Fett u. der Talg (s. Rindstalg) theils frisch zum Verspeisen, alt von Seifensiedern zur Seife u. zu Lichtern, zum Schäumen des Salzes, zu verschiedenem medicinischen u. Hausgebrauch; der Kälbermagen (s. Lab) zum Befördern des Gerinnens der Milch verwendet; die Galle (s. Rindsgalle) benutzt der Maler, Tüncher, Fleckausmacher u. Apotheker; die Blasen werden zu pneumatischen Apparaten, Ballons, Beuteln u. zum Zubinden der Gläser u. des Destillirgeräths gebraucht. Die trocknen Därme dienen, um in sie Wurst zu füllen, u. werden zu Goldschlägerhäutchen verarbeitet; das männliche Glied des Stiers dient zu Ochsenziemern u. zu Peitschenstielen; die Haut, in welche das Kalb in der Geburt gehüllt ist, dient den Isländern als Glasfenster: aus dem Mark der größern Knochenröhren wird das sogenannte Klauenfett für die Uhrmacher bereitet, dasselbe auch frisch zum Verspeisen, alt zu Pomade u. dgl. verwendet. Der Mist ist der Hauptstoff der Düngung u. schon deshalb das Halten des R-s ein wichtiger Zweig der Landwirthschaft, auch wird er zu ärztlichem Gebrauch u. zu Baumkitt verwendet. Großen Nutzen hat das R. noch gewährt, indem es in den Kuhpocken ein wirksames Gegengift gegen die Pocken hergab.
Aus allem diesen erhellt, wie wichtig u. einträglich die Rindviehzucht für die Landwirthschaft ist. Bei großen Viehwirthschaften sondert man in dem Rindviehstall (s.d.) die Kühe, die Mast-, die Arbeitsochsen, die Kälber u. das Jungvieh von einander u. wartet jede dieser Arten in einem besondern Stalle ab. In mittlern sind wenigstens die Kälber u. das junge Vieh in demselben Stalle, bei kleinen auch die Ochsen u. Kühe zusammen, u. die Kälber nur durch einen Verschlag von ihnen geschieden. Die Wartung u. Pflege des R-s besorgen meist eigne Knechte u. Mägde. Erstere (Ochsenknechte) sind meist bei den zur Arbeit bestimmten Ochsen u. bei der Mast, letztere (Viehmägde) bei den Milchkühen. Reinlichkeit, gutes Einstreuen u. häufiges Ausmisten[171] sind wesentliche Bedingungen zum Gedeihen des R-s. Durchschnittlich rechnet man täglich zu Zucht- u. Großvieh 5 Pfund Streustroh. Ist das Einstreustroh reichlich vorhanden, so genügt es, wenn die Woche dreimal ausgemistet wird, sonst muß alle Tage der Mist fortgeschafft werden. Das Putzen geschieht mit einer Kuhstriegel, welche schärfer u. Schwanz ausgekämmt u. die Füße gewaschen. Das Euter muß jedesmal vor dem Melken gewaschen werden. Im Sommer wird das Vieh von Zeit zu Zeit geschwemmt. Der wichtigste Zweig der Wartung ist die gute Fütterung. Verschieden ist die Ernährung der Kühe, der Arbeitsochsen u. die Mastung der Kälber u. des Jungviehs. Man unterscheidet Sommer- u. Winterfütterung, u. bei der erstern Weidegang (Fütterung auf der Weide) u. zwar Localität, das Vorhandensein guten Weidelands in brüchigen u. wenig bevölkerten Gegenden, wie in Jütland, Mecklenburg u.a. Marschländern, od. in bergigen, wie in der Schweiz u. Tyrol, das Weiden des Viehes rathsam machen, aber in andern, wo das Futter selten ist u. man das wenige vorhandene überflüssige durch Schafe abweiden lassen kann, verdient die Stallfütterung den Vorzug. Das grüne abgeschnittne Futter darf nicht auf einmal, sondern muß zu 3–4 verschiedenen Malen vorgegeben werden, da das R. Futter, welches von seinem Athem erwärmt ist, stehen läßt, od. wenn es dasselbe ja frißt, doch leicht darnach erkrankt; auch darf man die Futterkräuter nicht naß von Regen od. Thau abschneiden Die Winterfütterung ist Stallfütterung u. besteht aus Heu, Stroh, bes. Weizen-, Roggen-, Gersten-, Erbsen-, Bohnen- u. Wickenstroh (Haferstroh macht die Milch bitter), Körnern, Ölkuchen, Kartoffeln, Rüben. Nach v. Riedesel erfordert die vollständige Sättigung von einem Stück R. täglich an Heu od. Heuwerth 1/30 seines lebenden Gewichts, also jährlich 12 Mal so viel, als seine Körpermasse wiegt. Außer dieser trocknen Substanz bedarf es noch das Vierfache an Wasser od. anderer Feuchtigkeit, d.h. täglich 4/30 seines Gewicht. Das R. frißt das Stroh lieber, wenn es zu Häcksel zerschnitten ist. Nach Heu u. Strohfutter säuft das R. viel. Dem Heu u. Stroh werden oft Körner von Getreide beigemengt, welche die Kraft des R-s u. auch die Mich beträchtlich mehren, obgleich die Milch dadurch nicht an Wohlgeschmack gewinnt, sondern käsig wird. Ochsen, welche arbeiten, bekommen auch im Sommer, ehe sie an die Arbeit gehen, ihrem Futter etwas Hafer beigemischt. Meist werden die Körner geschroten (da roh genossen, viele unverdaut wieder abgehn) od. gequellt. Auch der Abfall des Getreides, die Kleie, das grobe od. Steinmehl, Graupen- u. Grützeabfall, eignen sich zum Viehfutter. Auch man der trocknen Fütterung bei. Je mehr die Wurzel Zuckerstoff enthält, desto mehr wirkt sie auf die Milch; Wurzeln allein füttert man nicht gern u. geht auch nicht plötzlich von einer Wurzelgattung zur andern über. Man pflegt den Häcksel u. die Spreu warm zu überbrühen (Brühfutter), d.h. in einem Kessel kochen, dies erkalten zu lassen u. so dem Vieh mit hineingeschnittnen Wurzeln, Schrot u. Ölkuchen zu geben; oder man erlangt auch dies Futter durch Selbsterhitzung (s.d.). Beide letztern Futter nähren besser als das trockne, geben auch reichlicher Milch, doch frißt das Vieh erhitztes Futter nicht so gern als trocknes; indeß darf bei Fütterung von vielem Stroh, Spreu, schlechtem Heu etc. das Erweichen des Futters durch Aufbrühen etc. nicht unterlassen werden. Trebern u. Branntweinspülicht eignen sich bes. zur Mastung, verderben aber, als Hauptfütterung, die Milch, sind auch dem Zugvieh nicht gesund. Das Spülicht muß ganz frisch gegeben werden, sauer geworden, verdirbt es die Milch Eine öftere Beigabe von Salz zu dem Futter befördert nicht nur die Verdauung, sondern beugt auch vielen Krankheiten vor. Die Zugochsen erhalten gewöhnlich im Winter, wo sie nicht arbeiten, fast bloßes Stroh; doch bleiben sie bei weniger als 20 Pfund Heuwerth selten bei guten Kräften. Auch das Tränken, namentlich des Melkviehs, ist wichtig, indem von gutem u. reinlichem Sausen die Größe des Milchertrags abhängt. Das Sausen kann aus reinem Wasser bestehen, welchem man Mehl, Kleie, Schrot, Ölkuchen etc. beimischt.
Fortpflanzung. Man nimmt gute, muntre, nicht zu große, wenigstens 11/2 Jahr alte Bullen (in einem Alter von 2–5 Jahren sind sie am besten zum Bespringen), lebhafte Kühe, mit großem, nicht fleischigem Euter, dicken Milchadern u. sämmilich milchgebenden Zitzen, die in der Regel zwei Jahre alt sein müssen (obschon ein Kalb von 18 Monaten schon rindern kann), zur Zucht. Damit das Bespringen nicht zu zeitig geschehe, muß man die Ochsen von den Kühen scheiden. Der Bulle darf nicht bösartig, nicht zu schwer, nicht unsicher in der Fruchtbarkeit sein u. darf nicht mit zu mastigem Futter genährt werden, damit er nicht zu bald fett wird. Der Trieb zur Begattung (das Rindern) tritt zu allen Jahreszeiten, je nachdem die Kühe gekalbt haben, den 20., doch auch erst den 40. u. 60. Tag nach demselben ein, am häufigsten äußert es sich aber im April, Mai u. Juni, doch sorgt man dafür, daß man das ganze Jahr melkende die Kühe durch anhaltendes Brüllen, Aufhören der Freßlust, Bespringen anderer Kühe, Anschwellen des Geburtsgliedes, Ausbleiben u. Käsigwerden der Milch zu erkennen. Sie empfangen auf der Weide beim ersten od. zweiten Bespringen glücklich, bei der Stallfütterung werden sie mit dem Bullen auf dem Hofe so lange gehen gelassen, bis dieser sie bespringt. Die Kräfte des Bullen zu diesem Geschäft werden durch Wicken, Gerste u. Hafer erhalten. Auf 40 Kühe rechnet man einen Bullen. Kühen, die schwer rindern, gibt man am Abend vor dem Bespringen warme Milch von der Kuh, welche eben gerindert hat. Das Rindern dauert 1–2 Tage, man benutzt die Zeit, wenn sie etwa 12 Stunden gerindert haben, zum Bespringen. Hat die Kuh empfangen, so füttert man sie sorgfältiger, damit sie nicht verwirft. Die Kuh trägt in der Regel 285 Tage. Wenn die Geburt vor Ablauf der angegebenen Tragzeit eintrifft, findet Verwerfen (s.d.) statt. 4–6 (ja 16–17) Wochen vor der Geburt verlieren die Kühe die Milch (stehen trocken) od. dürfen in der ersten Zeit nicht mehr gemolken werden, um die Milch für das Kalb aufzusparen. Kühe, welche das zweite u. dritte Kalb bekommen, füttert man vier Wochen vor u. eben so lange nach der Geburt mit gutem Gras, Heu u. Wurzeln, auch wohl mit einem Getränk von schwarzem Mehl, Kleie u. schlechtem Getreide, damit die [172] Euter voll werden. Die nahe Geburt kündigt sich durch das Anschwellen des Euters, bis fast zur Festigkeit, u. die Unruhe der Kuh, welche sie durch ein beständiges Trampeln mit den Hinterfüßen verräth, an. Bei einer widernatürlichen Lage des Kalbes muß man der Kuh bei der Geburt zu Hülfe kommen, dann aber auch für den Abgang der Nachgeburt Sorge tragen. Der Kuh gibt man warmes Mehlsaufen; als Futter dient gutes altes, süßes Heu in kleinen Portionen. Sobald das Kalb zur Welt gebracht ist, wird es mit Salz bestreut u. der Kuh zum Belecken vorgelegt, hierauf dieses zum Euter gebracht, damit es saugen lernt. In einigen Gegenden werden die Kälber gleich nach der Geburt von der Mutter weggebracht u. mit Milch aufgezogen. Kälber, welche nicht zur Zucht, sondern zur Schlachtbank bestimmt sind, läßt man 10–14 Tage säugen, mästet sie auch wohl mit Semmel u. Milch u. ungekochten Eiern etliche Wochen lang; Absetz- (Zucht-) kälber hingegen pflegt man vier Wochen lang säugen zu lassen u. sie nach u. nach zu entwöhnen. Die beste Zeit dazu sind die Monate März bis Mai. Bei ermangelnder Vorsicht, wenn ihnen kaltes Getränk od. frisches Gras gereicht wird, bekommen sie leicht den Durchfall, woran sie häufig sterben. Rührt solcher von Säure im Magen her, so heilt man ihn mit gepulverter Kreide, welche man den Kälbern täglich ein- bis zweimal, nebst einem Löffel voll Branntwein eingibt. Ochsenkälber, welche man zum Ziehen bestimmen will, werden, wenn sie noch fangen u. etwa vier Wochen alt sind, verschnitten (s. Castration). Läßt man die Absatzkälber nicht an der Mutter saugen, so nimmt man sie derselben gleich nach der Geburt weg od. tränkt sie; bei dem Saugenlassen an der Mutter kann man entweder so verfahren, daß man das Kalb während der ganzen Saugzeit bei der Mutter läßt, od. daß man es derselben Anfangs täglich vier- bis fünf-, später dreimal zum Saugen zuführt. Das Absetzen beim Saugen darf aber nur allmälig geschehen. Beim Tränken kann man auf verschiedene Weise verfahren. Das Kalb erhält täglich in drei Mahlzeiten drei Quart frischgemolkene, noch warme Milch; nach 14 Tagen wird dieser 1/4 Quart Heuthee zugesetzt u. dieser Zusatz 14 Tage lang so gesteigert, daß in einem Alter von vier Wochen die jedesmalige Portion Thee mit Milch mindestens zwei Quart, also täglich wenigstens sechs Quart beträgt. Ist das Kalb vier bis fünf Wochen alt, dann wird ihm nur noch abgerahmte Milch unter den Thee gegossen, die Quantität dieses Getränks aber allmälig so gesteigert, daß es davon bei sieben- bis achtwöchentlichem Alter täglich neun Quart u. darüber erhält. Der Heuthee wird bereitet durch den Aufguß von siedendem Wasser auf gutes Heu, wobei man etwa für jedes Kalb 1/2 Pfd. Heu rechnet. Die Kälber lernen bei dieser Art Saufen vorzugsweise rasch fressen, brauchen keine Körner, Schrot, Mehl etc. zu erhalten u. bleiben bei diesem Trank, welchem man nach u. nach immer mehr Milch abzieht, bis sie auf die Weide kommen. Oder das Kalb erhält zwei bis drei Wochen die Milch der Mutter; nach dieser Zeit entzieht man ihm täglich 1/2 Quart u. gibt dafür abgerahmte süße Milch, nach ein bis zwei Wochen Buttermilch u. dann süße Molken; letztere füttert man, bis das Kalb 13 Wochen alt ist. Die Tränke muß stets von gleicher Wärme sein. Das Weiden auf nahe gelegenen guten Wiesen od. künstlichen Weiden geschieht am besten im Juni in einem Alter der Kälber von vier bis fünf Monaten. Man füttert die Kälber mit zartem süßem Heu, zwischen welchem man ihnen auch Kleienschlempe, gekochten Roggen, Hafer, Schrot od. Leinkuchentrank gibt. Sind die Kälber 1/2 Jahr alt, dann werden sie wie anderes Vieh gefüttert. Die Verbesserung der Race u. die Bildung neuer Racen geschieht durch Kreuzung u. durch Inzucht (s. b.). Die Einführung einer ganz neuen Race ist zwar der schnellste Weg der Verbesserung, aber abgesehen von den Kosten, welche der Ankauf der Thiere verursacht, zeigt die fremde Race meist die ursprünglichen Eigenschaften in einem um so geringern Grade, je abweichender die andern Verhältnisse des Klimas, der Fütterung, Pflege etc.; von den ursprünglichen sind.
Das R. ist vielen Krankheiten ausgesetzt, dergleichen äußerliche sind: Schwamm, Lockerwerden der Zähne, Verwundung der Zunge, Augenkrankheiten, Abstoßen der Hörner, Geschwüre in den Ohren, Bräune, Knieschwamm, Mauke, Klauenseuche, Verbällen, Feigbeulen, Bug- u. Lendenlähmung, Eutergeschwulst, Wunden an den Zitzen, Räude, Sterzwurm, Teigmäuler; innerliche Krankheiten: Durchfall, Darmgicht, Blutmelken, Blutharnen, Rückenblut, Auflaufen, Verfangen, Brand, Lungenhusten, Gehirnentzündung, Nieren- u. Magenentzündung, Franzosenkrankheit, Würmer, Nervenkrankheiten, Stein, faulende Ruthe; Seuchen: Zungenkrebs, Mundfäule, Löserdürre, Milzbrand (s.d.) Feinde: der Wolf u. die Ochsenbremse; letztere macht das R. so wüthend, daß es wie rasend umherspringt u. den Harn fahren läßt. Vgl. von neueren Schriften über die Rindviehzucht: Franz, Anleitung zur rationellen Rindviehzucht, Lpz. 1831; v. Hazzi, Katechismus über die Zucht, Behandlung u. Veredlung des R-s, Münch. 1836; Die Rindviehzucht u. deren Endzweck, Karlsr. 1835; Schwinghammer, Unterricht über Rindviehzucht, Landsh. 1839; W. Kreyssig, Die Zucht u. Veredlung des R-s, Danz. 1842; Baumeister, Anleitung zum Betriebe der Rindviehzucht, 3. Aufl. Stuttg. 1857; Kirchhoff, Die Jungviehzucht, Lpz. 1853; Gumprecht, Die Milchkuh u. die Rindviehzucht, Berl. 1854; Villeroi, Die Rindviehzucht, Weim. 1856; v. Pabst, Anleitung zur Rindviehzucht, Stuttg. 1859; Fraas, Die Rindviehracen Deutschlands, Münch. 1853; A. von Weckherlin, Die Rindviehzucht Württembergs, Stuttg. 1839; J. D. Mertens, Die schleswigholsteinische Rindviehzucht, 3. Aufl. Oldenb. 1854; F. Guénon, Die äußeren Zeichen der Milchergiebigkeit bei den Kühen, Reutl. 1843; C. G. Prinz, Über das Verschneiden der Milchkühe, Lpz. 1836; Charlier, Das Castriren der Kühe, Lpz. 1856; D. Seyffert, Die Geburtshülfe bei den Kühen, Grimma 1838; Schneider, Die Mastung des R-s, Weim. 1856; Richter, Futtermischungen für Milchkühe, Dresd., 1859.
In Ägypten bediente man sich des R-s nicht allein zum Ziehen am Pflug, zum Eintreten der Saat in den Nilschlamm u. zum Austreten des Getreides, sondern es stand auch in Verbindung mit der Religion, daher der Sonnenstier Osiris, die Mondeskuh Isis u. die heiligen Stiere Apis, Mnevis u. Onuphis (s.d. a.). Im alten Griechenland gehörten Rinderheerden zum Reichthum der Edeln; man brauchte Rinder dort ebenfalls zum Ackerbau (u. der Genuß des Fleisches von Ackerrindern war[173] in Attila verboten), außerdem zum Ziehen u. zum Lasttragen, so wie im Tauschhandel, u. die Schätzung nach Rindern galt bei Homer schon den Gewichten des Metalls gleich; um vier Rinder erhielt man eine geschickte Sklavin, aber Euryklea, Wärterin des Odysseus, hatte den Laërtes 20 Rinder gekostet. Rinder brauchte man auch zu den vorzüglichsten Opfern. In Germanien wurde auch viel Rindviehzucht getrieben, doch waren die dortigen Rinder unansehnlich u. hatten kleine od. gar keine Hörner; die Häute brauchte man zur Kleidung u. zu Schildern (die Friesen bezahlten ihren Tribut an die Römer in Rindshäuten), aus der Milch wurde Butter u. Käse gemacht. Bei den Indiern steht das R. in den größten Ehren. Nach den Braminen hatte Brama verordnet, daß die gefallnen Götter nach einer Wanderung von 87 Stufen den Körper einer Kuh, dann aber den Menschenkörper bewohnen sollten. Die Kuh aber sollte von den Menschen heilig gehalten werden, weil sie ihnen einen Theil ihrer Nahrung gewähre u. ihre Arbeiten erleichtere. Daher ist bei den Hindus der Genuß des Rindfleisches verboten u. das heilige Zeichen der Schiwaverehrer wird gewöhnlich mit Kuhmist vor die Stirne gemacht. Das Rind erscheint in den Kosmogonien mehrer Völker des Indogermanischen Volksstammes, so der Stier Abudad im Parsismus u. die Kuh Audumbla in der Nordischen Mythologie; in der Indischen Mythologie ist die Kuh Kamadewa als segenbringend berühmt.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.