- Fleisch [1]
Fleisch (Caro), 1) überhaupt die inneren Weichtheile des thierischen Körpers, mit Ausnahme der Gefäße, Nerven, Bänder u. Häute. In dieser Beziehung unterscheidet man Muskel-, Drüsen-, Eingeweide-, Zahnfleisch u.a.; 2) bes. die Muskeln in ihrer muskulösen Substanz; 3) F. als Nahrungsmittel befaßt alle Weichtheile des thierischen Körpers, bes. aber das Muskelfleisch, umgeben mit mehr od. weniger Fett u. Knochen, enthaltend. Das käufliche F. ist im Mittel zusammengesetzt aus 16 Theilen Muskelfleisch, 5 Theilen Fett der Zellgewebe, 8 Theilen Knochen u. 71 Theilen Wasser. Der Grundbestandtheil des Muskelstoffs ist Fibrin. Es enthält weit mehr Nahrungsstoff, als irgend ein Pflanzenproduct u. dient einer großen Menge Thiere (fleischfressenden) zur ausschließlichen Nahrung. Man unterscheidet weißes (das F. der Tauben, Hühner, Kälber, Fische, Austern, Muscheln) u. rothes F. (das von Wildpret, Rind, Schöps). Das rothe F. istreicher an Blutroth, Eisen u. Kreatin u. daher kräftiger. Der Mensch ist zur Fleisch- u. Pflanzennahrung zugleich bestimmt. Eigentlich ist alles Thierfleisch nährend, aber nur von wenigen Thieren wohlschmeckend u. auf die Dauer zuträglich. Rohes F. ist das kräftigste, aber schwer verdaulich u. nur in besonderen Zubereitungen (wie in rohem Schinken) schmackhaft.[343] Gebratenes, noch mehr gedämpftes F. ist nahrhafter u. leichter verdaulich, als gekochtes; geräuchertes u. gepökeltes F. weniger nahrhaft, als frisches; schwer verdaulich sind insbesondere geräucherte Fische. F. von älteren Thieren taugt nur zu Bouillon. Von Thieren, die gewöhnlich gegessen werden, u. vom F. der Vierfüßler ist das Rindfleisch das kräftigste u. zugleich verdaulichste; das Kalbfleisch ist wegen seiner Zartheit bes. Personen mit schwachem Magen zuträglich; nach ihm folgt das Schöpsfleisch in Verdaulichkeit; das Schweinefleisch erfordert stärkere Verdauungskraft. Hinsichtlich der Nahrhaftigkeit nehmen die verschiedenen Fleischarten folgenden Rang ein: Rind-, Hühner-, Schwein-, Schöps-, Kalbfleisch. Pferdefleisch aßen im Alterthum uncultivirte Völker; in neuerer Zeit wurden auch in Deutschland mehrfache Versuche gemacht Pferdefleisch zu essen, s. Hippophagen. Vom Wildpret geben Hirsche, Rehe u. Hasen leichte u. kräftige Fleischspeisen, weniger das wilde Schwein. Von Geflügeln liefern Hühner das mildeste F., auch Feldhühner, Wachteln u. Fasane; das zarteste, aber minder nährend, ist Taubenfleisch. Kräftigere Nahrung geben Gänse, auch wilde; doch erfordern sie, so wie Truthühner, Auerhähne, Berghühner, derbe Verdauungskraft. Entenfleisch steht ziemlich dem Schweinefleisch gleich. Kleines Geflügel, wie Lerchen, Spießvögel, Ortolane, Becassinen, sind mehr Leckerei, als erhebliche Nahrungsmittel. Das F. der Fische gehört im Ganzen zu den besten Nahrungsmitteln; doch steht es dem der Landthiere an Nahrhaftigkeit nach (vgl. Fische). F. von kleineren Thieren der übrigen Klassen, von Krebsen, Schnecken, Austern etc., kommt als Nahrungsmittel wenig in Anschlag. Viel kommt übrigens bei Veurtheilung der Zuträglichkeit vom Fleischgenuß auf Auswahl der Fleischtheile, der mehreren od. minderen Fettigkeit, das Alter des geschlachteten Thieres, die Zubereitung der Speisen u. die Zuthat an (vgl. Mastung). In diätischer Hinsicht ist es unzweifelhaft, daß der Mensch in dem rauhen u. gemäßigen Klima, namentlich aber im Winter, eine gewisse Menge Fleischspeisen bedarf, um gesund u. kräftig zu bleiben; sich vom F. allein zu nähren, ist aber auch nicht rathsam. Soll aber das F. den Körper nähren, so müssen die Schlachthiere gesund, sie dürfen unmittelbar vor dem Schlachten nicht gehetzt, weder zu jung noch zu alt sein. Am besten wird das F. mit Zukost genossen. Will man frisches F. einige Zeit aufbewahren, so darf man es nicht legen, sondern muß es frei hängen; Wildpret hält sich übrigens länger, als das F. zahmer Thiere; die Mittel zu längerer Aufbewahrung s.u. Aufbewahren, Räuchern u. Pökeln. Über die Zubereitung des F. zur menschlichen Nahrung s. Kochen, Dämpfen, Fricassiren, Braten.
Die Israeliten durften u. dürfen nur F. von reinen Thieren, d.h. solchen, die zugleich wiederkänen u. gespaltene Klauen haben, essen. Kameel, Kaninchen, Hase, Schweine, Wiesel, Maus, Igel, Maulwurf waren daher unrein, ebenso die Raubvögel u. Krähen, der Wiedehopf, Schwan etc. Bei den Griechen u. Römern war das F. der Hauptbestandtheil eines guten Mahles, verboten war ihnen das F. keines Thieres. Mit den christlichen Fasten kam das Euthalten von dem Fleischgenuß zu gewissen Zeiten auf u. hat sich in der katholischen Kirche bis auf unsere Zeit erhalten. Daß manche Priesterschaften Asiens, die Essäer, einzelne christliche Secten u.a., gar kein F. aßen, erklärt sich vielleicht aus der Meinung, daß vieles Fleischessen den Geist träge, das Gemüth zum Zorn geneigt mache u. überhaupt ein verkehrtes Wesen hervorbringe. Die Hindu genießen wegen ihres Glaubens an eine Seelenwanderung gar kein F. 1851 hatte sich in London ein Fleischesserverein (The Vegetarian Society) unter dem Parlamentsmitglied Brotherton gebildet, dessen Mitglieder mit Verschmähung aller Fleischspeisen blos Vegetabilien genossen.
Da das Fleisch neben dem Brode der bedeutendste Consumtionsartikel der menschlichen Gesellschaft ist, so ist die Preisbewegung desselben für die wirthschaftlichen Zustände eines Volkes von wesentlicher Bedeutung, u. wie bei dem Brode seit dem Aufhören der Naturalwirthschaft bis in die neueste Zeit einer wirthschaftspolizeilichen Controle unterworfen, um wucherische Preissteigerungen zu verhüten. Indeß hat man mit der Fleischtaxe ähnliche Erfahrungen wie mit der Brodtaxe (s.u. Brod II.) gemacht, ja der Aufstellung derselben standen noch größere Bedenken im Wege als bei dieser, da die Güte des Fleisches sowohl mach der Beschaffenheit des Stückes Vieh, als auch nach den einzelnen Körpertheilen billiger Weise bei der Preisnormirung in Betracht zu ziehen ist. Man hat nun zwar versucht, das F. inverschiedene Sorten einzutheilen u. für jede derselben eine besondere Taxe auszuwerfen, so namentlich in Paris, aber auch dadurch wurde der beabsichtigte Zweck unvollkommen erreicht, bis man endlich die Fleischtaxe ganz fallen ließ u. die freie Concurrenz auswärtiger, sog. Landschlächter, mit den städtischen Fleischern zuließ, wodurch auch am besten einer künstlichen Theuerung vorgebeugt wird. Die Preisbewegung des Fleisches folgt bisweilen der der Brodfrucht, jedoch nicht immer, so daß namentlich in futterarmen Jahren selbst bei Getreidetheuerung die Fleischpreise sinken, weil die Erhaltung des Viehs den Kosten, welche dieselbe verursacht, nicht angemessen ist. Ähnliche Verhältnisse treten ein, wenn Viehseuchen zu massenhaften Abschlachten des Viehes nöthigen. Die Verminderung des Viehstandes in einem Jahre hat naturgemäß eine Preissteigerung des Fleisches in den folgenden, namentlich futterreichen Jahren zur Folge. Die Besteuerung des Schlachtviehs (Fleischsteuer) bildet in vielen Städten od. städtischen Eemeinden eine wichtige Einnahmequelle, s.u. Schlachtsteuer.
F. zum Dünger wird am besten mit ungelöschtem Kalk bestreut, seicht vergraben, nach 14 Tagen ausgeworfen, von den Knochen gesondert u. mit Erde zu Compost vermengt; vgl. Fleischgülle. Derselbe muß unmittelbar vor od. bei dem Säen des Getreides ausgestreut werden. Als Futter für Rindvieh u. Schweine wird es von den Knochen gelöst, bis zu einem gewissen Grade mürbe gekocht, klein gehackt u. mit Strohhäcksel od. Grünfutter vermischt. Bei Futtermangel ist es ein nicht unwichtiges Surrogat, da es aus Cadavern bestehen kann. Als Heilmittel ist frisches, rohes, noch warmes, blutiges Rind- od. Kalbfleisch ein gutes Hausmittel gegen entzündete Augen, auch bei sympathetischen Curen spielt das F. eine Rolle.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.