Nahrungsmittel

Nahrungsmittel

Nahrungsmittel, Stoffe, welche dem Thier- od. Pflanzenreiche entstammend, in den Magen u. Darmkanal gebracht Hunger u. Durst stillen u. hier derartigen Veränderungen unterworfen werden, daß sie ins Blut u. in die Gewebe übergehend deren nothwendige Mischung unterhalten können. Die N. sind theils flüssig (Getränke), theils fest (Speisen), theils blos Reizmittel wie Gewürze. In der Neuzeit theilt man die N. nach ihrem chemischen Gehalte u. ihrer physiologischen Wirkung ein: a) in plastische N., welche behufs Entwickelung, Wachsthum u. Ernährung für neue Körperbestandtheile den Stoff bieten u. vorzugsweise Eiweißstoff enthalten od. wenigstens eine Substanz enthalten, welche fähig ist in Albumin überzugehen, dazu gehören Fleisch, Eiweiß, Käsestoff u. zwar sämmtliche stickstoffhaltige Substanzen aus dem Thier- u. aus dem Pflanzenreiche; b) in respiratorische N., stickstofffreie Substanzen, welche bei ihrer im Körper vor sich gehenden Zersetzung für Erwärmung des Körpers u. Fettablagerung ungleich wirksamer sind, als andere Nährmittel, so Fett, Stärkemehl, Zucker u. Gummi; c) in Ernährungsbeförderungsmittel, wie die mineralischen Salze, Wasser, Milch, alkoholische Getränke u. Gewürze. Das Nahrungsbedürfniß od. die Menge der täglichen Nahrung, welche der Körper zur Erhaltung bedarf, richtet sich zum Theil nach den Ausgaben, es steigt nach Arbeit u. in Kälte, es fällt bei Ruhe u. in Wärme; wohl aber nimmt der Körper mehr in das Blut auf, als er unumgänglich bedarf.

Als N. für den Menschen dienen im Grunde, mehr od. weniger, alle Pflanzen- u. Thierstoffe, welche mild u. zugleich (direct od. durch Vermittelung) in Wasser auflöslich sind. Wohlgeschmack u. die Befriedigung, welche die Menschen bei u. nach dem Genusse der N. finden, sind die besten Leiter zur Wahl derselben, so daß also bei weitem der größere Theil von Naturstoffen, welche wohl auch als N. dienen könnten, unbenutzt bleibt, od. nur dann angewendet wird, wenn der Mangel anderer geeigneter N. keine Wahl weiter läßt. Unter vegetabilischen u. animalischen N-n wird im Allgemeinen den ersteren der Vorzug gegeben. Häufig findet man auch Menschen, welche aus Noth, od. zu Folge religiöser Gelübde, od. auch aus Neigung, einzig von Vegetabilien leben, nicht leicht aber das Gegentheil, daß Menschen sich lediglich von animalischen Stoffen nähren. Die Nahrung durch vegetabilische u. animalische Stoffe zugleich, ist aber die naturgemäßeste; doch bestimmen immer individuelles Körperbedürfniß, Lebensart, Gewohnheit etc. das angemessene Verhältniß. Als eigentlich nährende Stoffe bietet das Pflanzenreich eiweißartige Stoffe (Pflanzenfibrin u. Albumin), Stärke (Amylum), Gummi, Zucker u. fette Öle; das Thierreich eiweißartige Substanzen (Proteïnkörper), leimgebende Substanz (Gallerte), Osmazom, Fette, Milchzucker. Was in Pflanzen- u. Thierfasern nicht durch Wasser ausziehbar ist, geht größtentheils unverdaut od. nur unvollkommen zersetzt, durch den Darmkanal hindurch. Die meisten Speisen werden, um sie wohlschmeckender u. verdaulicher zu machen, von allen cultivirten Völkern nicht roh, sondern zubereitet genossen. Nur die Obstarten u. die Thiermilch machen davon eine Ausnahme; doch sagen auch diese Personen mit schwacher Verdauung, bei reichlichem Genuß, selten zu. Zu den Speisezubereitungen (Kochen, Dämpfen, Schmoren, Braten, Backen, Säuren, Beizen, Pökeln u. Räuchern) kann man auch das Abbrühen zäher od. mit unangenehmem Geruch u. Geschmack versehener Stoffe, wie auch das Mortisiciren des zu frischen Fleisches rechnen. Im Allgemeinen wird für Hauptmahlzeiten der Genuß warmer Speisen dem kühl genossenen vorgezogen; die Erfahrung lehrt auch, daß man sich, mit Ausnahme solcher Speisen, welche erst nach Erkalten ihre volle Assimilationsfähigkeit erlangen, wie z.B. Brod, dabei am besten befindet; bes. gehören hierher die nur warm zusagenden Suppen. Eigentlich kalte Speisen, wie die in Eisform gebrachten, gehören zu den Leckereien u. haben überhaupt mehr den Zweck der Abkühlung u. Erfrischung, als den der Sättigung. Bei jedem Genusse von N-n ist Mäßigkeit eine. Hauptbedingung, wobei bes. Körperconstitution, Gesundheitszustand, Lebensart, Gewohnheit etc. zu berücksichtigen sind; eben so ist auch eine gewisse Ordnung in der Zeit des Genusses von N-n zuträglich. Im Allgemeinen muß, hinsichtlich des Maßes, so wie der Auswahl, der natürliche Appetit leiten, nicht aber durch luxuriöses Leben genährte Leckerhaftigkeit. In der Regel bekommen Kindern Speisen in flüssiger Form, indem zarte Säuglinge sich einzig von Muttermilch gut nähren, u. von Pflanzenkörpern am besten; das männliche Alter erfordert dagegen eine mehr derbe, kräftigere, namentlich Fleischkost; das höhere Alter gibt gewöhnlich zärteren Fleischspeisen den Vorzug u. liebt mehr kräftige Suppen u. nahrhafte Zukost. Das weibliche Geschlecht begnügt sich im Allgemeinen mit weniger Speise u. zieht meist Pflanzenkost vor. Kranke sind nur sehr sparsam u. mit den zartesten Speisen zu nähren, Genesende haben sich, bei lebhaftem Erwachen des verlorenen Appetits, vor leicht erfolgender Überfüllung des Magens zu hüten. Die nahrhaftesten Stoffe aus dem Pflauzenreiche bieten die Getreidearten dar, am meisten Weizen u. Roggen, auch Mais u. bes. Reis, nächst dem Knollenwurzeln, wie Kartoffeln, ferner Hülsenfrüchte u. Wurzeln, welche, wie die verschiedenen Rübenarten, viel Schleim u. Zuckerstoff enthalten; reichlich Satzmehl u. Zuckerstoff enthaltende Früchte, wie die Brodfrucht, liefern bes. die wärmeren Erdstriche in Menge; auch ist gleicher Nahrungsstoff bei mehren Pflanzen in der ganzen Substanz derselben verbreitet, wie vorzugsweise in der Sagopalme. Sehr nahrhaft sind auch die an Öl reichen Pflanzenkerne, die verschiedenen Nußarten, Mandeln, Kastanien etc., doch wegen ihrer schwierigen Assimilation nicht zu voller Sättigung benutzbar. Unsere Obstarten sind in dem Verhältniß nährend, als sie (wie Birnen, Äpfel) an Satzmehl reich sind; zum Theil kommen sie (wie die mit säuerlichem Saft erfüllten, Johannisbeeren, eben so Citronen u.a.) mehr als Durst löschend u. als Zukost in Betracht. Unter die nur schwachen N. gehören auch die um ihrer Blätter willen cultivirten Küchengewächse (die verschiedenen Kohlarten etc.). Die als eßbar benutzten Pilze nähern sich, ihrer chemischen Natur nach, mehr der der animalischen Kost u. kommen eigentlich nur als Zukost in Betracht. Am meisten zusagend für das Nahrungsbedürfniß ist der durch Backen in Brod umgewandelte[653] Pflanzenmehlstoff; anderes, aus Mehl bereitetes Backwerk erhält seine Angemessenheit als zuträgliches N. hauptsächlich von den Beimischungen, wozu auch animalische Stoffe (wie Eier, Butter) dienen. Eine Menge Pflanzen u. Pflanzenstoffe werden mehr als Zusatz zu eigentlichen N-n benutzt u. sind nur in so fern N., als sie theils die Verdauung fördern, wie alle Arten von Gewürzen, sowohl eigentliche, als gewürzartige Pflanzen (wie Zwiebelgewächse u.a.); ferner mit eigenem scharfem, aber doch nicht schädlichem Principe versehene Pflanzentheile (wie Meerrettig, Senf u.a.); alle durch Säurung dienende Speisezusätze, so wie auch die dafür eigen gewonnene Producte, wie Essig; od. indem sie, wenn auch nur des Wohlgeschmacks wegen, anderen Speisen zugesetzt, doch auch Nahrungsstoff enthalten, so wie alle zur Versüßung dienende Stoffe, namentlich Zucker, od., wie ebenfalls des Wohlgeschmacks wegen, zugleich aber zu Abstumpfang von Schärfen anderer Speisen zugesetzte, an Öl reiche Stoffe, od. auch das daraus gewonnene Öl für sich. Als animalische N. dient vorzugsweise das Fleisch derjenigen Säugethiere, auf deren Angemessenheit zum Speisegenuß die Erfahrung die Menschen geleitet hat, wie das Rind-, Schöpfen- u. Schweinefleisch; an Kräftigkeit steht diesen das Fleisch von noch jungen Thieren bedeutend nach, worunter jedoch das Kalbfleisch auch wieder den Vorzug behauptet. Das Fleisch von zur Speise benutzbaren Jagdthieren (Wildpret) ist durchaus auch kräftig, bedarf aber, wegen größerer Zähigkeit, einer sorgfältigen Vorbereitung durch Mortification, Braten etc. Aber auch außer dem Fleische bieten alle Körpertheile, welche reichliche thierische Gallerte, in gleichen Fett, enthalten, sich als N. dar, obgleich letzteres wegen seiner schwierigen Assimilation nur mit Vorsicht u. großer Mäßigkeit, auch nie allein, genossen werden kann, wenn nicht die Verdauung gestört werden soll. Von Vögeln bieten sich zunächst die deshalb cultivirten Hausvögel dar, unter denen das Huhn oben an steht, von wilden Vögeln eine Menge, bes. die kleineren u. überhaupt von Körnern lebenden Arten. Gänse u. Enten sind nur mit Vorsicht, bes. von schwachen Magen, zu genießen, leichter das Truthuhn. Unter Amphibien gehören nur wenige zu den eigentlich eßbaren, vorzugsweise Schildkröten. Am ergiebigsten für das Nahrungsbedürfniß ist aber die so große Klasse der Fische, von denen die meisten, sowohl aus süßem Wasser, als von Seefischen zur Speise benutzt werden, sowohl sogleich nach dem Fange, als auch nach mannigfaltigen Vorbereitungen, durch Trocknen, Pökeln, Räuchern, Einsalzen etc. Von den weißblütigen Thieren kommen als N. zunächst die Hummern u. Krebse in Betracht; an Nahrhaftigkeit aber stehen sie den aus den höheren Klassen bedeutend nach; Austern sind die einzigen Thiere, deren roher Genuß allgemein verbreitet ist, doch gehören sie, wie auch Muscheln u. Schnecken, mehr zu Leckereien, als eigentlichen N-n. Als animalische Kost ist der aus Thiertheilen ausgezogene Nahrungsstoff, bes. als Fett, wie auch Butter u. Käse aus Thiermilch, ja diese selbst, frisch u. geronnen, von nicht minderer Verbreitung u. Benutzung, als der Genuß von Fleisch u. anderen thierischen Körpertheilen selbst, ebenso die Benutzung von Vogeleiern, unter denen jedoch die Hühnereier alle übrigen entbehrlich machen. Auch der Rogen mehrer Fische, wie bes. der Caviar, verdienen in dieser Hinsicht einer Erwähnung. Andere von Thieren gewonnene Producte, wie z.B. der Honig, kommen mehr als Speisezusatz in Betracht. Alle diese Nahrungsstoffe aus beiden Naturreichen, auf zweckmäßige Weise, zum Theil mit, durch weinige Gährung ebenfalls daraus erhaltenen Producten (Wein, Bier, Branntwein), od. auch mit Kochsalz in Verbindung zu bringen, ist besonderer Gegenstand der Kochkunst u. der übrigen technischen Gewerbe, welche theils vorbereitend für die Küche, theils auch für sich, N. in den mannigfaltigsten Formen zur Verspeisung liefern, wohin auch die Zubereitung von Getränken in so fern gehört, als diese, wie Bier, Chocolade, Eiergetränke u.a., wirklich nährende Stoffe enthalten.

Auch die Thiere bedürfen der Nahrung. Diese selbst aber sind von der verschiedensten Art, u. kaum wird es einen in Wasser lösbaren Naturstoff geben, welcher, wenn er nicht etwa dnrch Zersetzung (wie Arsenik) auf animalisches Leben zerstörend wirkt, nicht einzelnen Thieren als Nahrung diente, obgleich jede Thierart für sich auf weit wenigere Arten von N-n eingeschränkt ist, als der Mensch. Säugethiere sind überhaupt im Stande der Natur entweder nur auf den Raub anderer Thiere zu ihrer Erhaltung angewiesen, od. auf Pflanzenkost; erstere bleiben, wenn sie auch als Hausthiere mit Pflanzenkost sich zu begnügen genöthigt sind (wie Hunde, Katzen), ihrer eigentlichen Natur nach doch Raubthiere (fleischfressende). Derselbe Unterschied von fleischfressenden u. von Körnern u. überhaupt Vegetabilien sich nährenden Thieren tritt auch bei Vögeln ein. Von Amphibien sind mehre (wie Krokodile) Raubthiere; andere suchen den Schlamm u. Unrath anderer Thiere auf; andere leben von Wassergewächsen, viele überhaupt von gemischter Nahrung (wie Schildkröten); manche sind sehr gefräßig (Salamander verschlingen ihren eigenen Unrath, auch Erde); mehre (wie Schlangen) können, wenn sie einmal reichlich gesättigt sind, viele Monate ohne Nahrung leben. Die größeren Fische ernähren sich meist, als Raubthiere, von kleineren Fischen, viele auch, bes. die kleineren Fische, von anderen Wasserthieren, od. auch vom Schlamm u. Unrath der Thiere, auch wohl von Pflanzen. Am vielfachsten ist die Nahrung der Insecten; diese sind oft Raubthiere in einem umgekehrten Verhältnisse, indem sie ihre Nahrungsstoffe von anderen, aber größeren Thieren beziehen, wie Läuse u. anderes Ungeziefer, das vielen Thieren eigenthümlich ist;größere (wie Spinnen) nähren sich auch von anderen kleineren Insecten, sehr viele aber von Pflanzen u. Pflanzentheilen; mehre beziehen ihre Nahrung nur von bestimmten Pflanzen; viele nähren sich auch von Pflanzenrückständen, die längst aus ihrer organischen Verbindung gekommen sind. Die Nahrung der Würmer ist meist die Erde, worin sie wohnen. Für viele (als Eingeweidewürmer) bieten höhere Organismen ihren eigentlichen Boden dar, von dem sie ihre Nahrung beziehen; andere leben auch von Pflanzen, Insecten u. kleinen Thieren ihrer eigenen Klasse. Die Thiere der niedrigsten Stufe nähren sich pflanzenartig u. bedürfen kaum etwas Mehres als des einfachen Wassers zu ihrem Bestehen u. ihrer Ausbildung. Auch auf Pflanzen findet der Begriff N. Anwendung, indem der äußere Stoff, welcher zur Erhaltung u. zur Vermehrung der Pflanzensubstanz dient, darunter befaßt wird, obgleich dieser mehr ein einfacher u. größtentheils[654] nur ein kohlensaures, mit etwas Stickstoff geschwängertes Wasser ist. Vgl. Rawitz, Über die einfachen N., Bresl. 1847; Knapp, Die N. in ihren chemischen u. technischen Beziehungen, Braunschw. 1848; Moleschott, Physiologie der N., Darmst. 1850, 2. A. Gießen 1859; Rochleder, Genußmittel u. Gewürze, Wien 1852; Donders, Die Nahrungsstoffe, aus dem Holländischen von Bergrath, Cres. 1853; Moleschott, Lehre der N., Erlang. 1850, 3. A. ebd. 1858; Franz Döbereiner, Nahrungsmittellehre für Jedermann, Dessau 1856; Donders, Physiologie des Menschen, aus dem Holländischen von Theile (Bd. 1. die Ernährung), Lpz. 1856.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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