- Kartoffel
Kartoffel (verbildet aus Erdapfel), die Staude Solanum tuberosum L. Jeder Stock treibt mehre (1–4) Stängel, bei einigen Arten sechs Fuß hoch, rund, drei- od. vierkantig, geflügelt, aufrecht od. niederliegend; Blätter gefiedert, Blattstiele halbrund, Blätter eirund, ganzrandig, etwas runzelig, am Rande wellenförmig. Aus den Blattwinkeln kommen die Blumenstiele, die sich in einen Busch theilen. Der Kelch ist fünfspaltig; die Blume besteht aus einem Blatt, das durch seine fünf Einschnitte einen Stern bildet; Farbe der Blüthe ist verschieden: milchweiß, hell- od. himmelblau, dunkelblau, aschfarbig, rosenfarben, pfirsichblüthen, meist mit süßlichem Geruch; die fünf fest verwachsenen Staubfäden sind gegen einander geneigt; der Griffel hat eine stumpfe Narbe. Die grünen Beeren sind rund, vielsamig, zweifächerig, werden zur Zeit der Reise weiß od. schmutziggelb; die fleischigen Theile schleimig. Die plattgedrückten, nierenförmigen Samenkörner enthalten viel Öl. Die bisweilen zwei Fuß langen Wurzeln laufen flach unter der Oberfläche des Bodens hin, od. greifen tiefer in den Boden; an denselben wachsen die runden od. walzenförmigen eßbaren Knollen, K-n, von der Größe einer Wallnuß bis zu der eines Kinderkopfes. Der Theil, wo der Knollen an der Wurzel hängt, heißt der Nabel, der entgegengesetzte Theil der Kopf od. die Nase. Vgl. Solanum.
Das Vaterland der K. ist Chile u. Mexico, wo sie Papes genannt werden u. das Hauptnahrungsmittel der Einwohner sind; sie gedeihen daselbst nur 400 F. über dem Meere; am üppigsten wachsen sie in der Nähe der salzreichen Seen u. auf den Bergabhängen, die einen sandigen u. lehmigen Boden haben. Von Chile sind sie in das übrige Südamerika u. zu Ende des 16. Jahrh. nach Europa gekommen Die ersten K-n brachte ein Sklavenhändler, John Hawkins, welcher sie in Santa Fé als Schiffsprovision erhalten hatte, 1565 nach Irland, doch wurden sie wenig bekannt. 1584 brachte Admiral Walter Raleigh K-n aus Virginien nach Irland u. ließ sie anpflanzen. 1585 brachte der englische Admiral Franz Drake K-n nach England, u. durch ihn wurden sie auf den Britischen Inseln allgemeiner angebaut. Aus England kamen die K-n zunächst in die Niederlande, Frankreich u. Deutschland; doch wurden sie Anfangs nur in Gärten gezogen u. noch 1616 an der königlichen Tafel in Paris als Seltenheit genossen. 1601 erhielt der österreichische Botaniker Clusius zwei Kartoffelknollen aus Holland, die er als eine neue Pflanze beschreibt. In dem Kräuterbuche von Tabernämontanus vom Jahre 1625 ist die K. unter dem Namen Grübling beschrieben. 1628 baute man sie schon in Liebenau in Hessen; mehr verbreitete sie sich seit 1650 durch den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland. Elsholz in seinem Unterricht über Gärtnerei (1684) baute bereits weiße u. rothe K-n u. lehrte ihre Fortpflanzung durch Samen. 1695 wurde im Badenschen die erste Verordnung wegen des Kartoffelzehnts erlassen. 1708 kamen die K-n aus Schottland nach Mecklenburg, 1710 durch den Waldensercolonisten Seignoret aus Irland nach Württemberg, von wo sie in die Rheingegenden weiter vordrangen. Nach Sachsen brachte sie zuerst 1647 der Bauer Hans Rogler aus Selb im Voigtlande; doch wurden sie erst 1717 durch den General von Milkau dort eigentlich verbreitet. Nach Preußen kamen sie 1720 durch die Pfälzer, nach Schweden 1726 durch Jonas Alström, nach Baiern 1726, nach Finnland 1737, nach der Schweiz 1730. 1740 wurden sie in der Gegend von Marburg schon häufig, 1748 durch den Minister von Schlabrendorf in Schlesien im Großen angebaut. Aber erst zu Ende des 18. Jahrh. wurde der Kartoffelbau durch Thaers Empfehlung der Fruchtwechselwirthschaft, namentlich auf leichtem Boden, in größerer Ausdehnung betrieben, wozu die Branntwein- u. Stärkefabrikation das meiste beitrug.
Die K. ist eine der vorzüglichsten Culturpflanzen od. fast unentbehrlicher als das Getreide, u. durch sie Hungersnoth weit seltner geworden als früher Außer als ein allgemein beliebtes u. gesundes Nahrungsmittel dient die K. aber auch als ein sehr geschätztes Futter- u. Mastungsmittel u. vertritt namentlich in Sandgegenden die Stelle des Klees. Als Futtermittel dient die K. dazu, den Fruchtwechsel zu begünstigen, die Viehzucht zu vergrößern, die Düngererzeugung zu vermehren u. das Ackerland zu einer größern Production zu bringen. Gebrauch u. Anbau der K-n wurde Anfangs dadurch gehindert, daß man sie zwar als Leckerbissen rühmte, aber, als zu dem Geschlecht Solanum gehörig, für eine giftenthaltende Speise hielt u. nur als ein gutes Viehfutter betrachtete. Dieses Vorurtheil[349] wurde namentlich durch die Theuerung während des Siebenjährigen Krieges gehoben.
Durch Cultur, Verschiedenheit des Bodens u. des Klimas sind eine Menge Abarten entstanden. Sämmtliche K. lassen sich nach ihrer Reifezeit eintheilen in Früh- u. Spätkartoffeln, doch ist diese Eintheilung nicht genau durchzuführen. Nach ihrer Farbe theilt man die K-n ein in weiße, gelbe, blaue rothe, violette u. schwarze; in der Regel ist aber nur die Schale gefärbt, nur zuweilen auch das Innere des Fleisches, das Mehl (dessen Gehalt bei den verschiedenen Sorten sehr verschieden ist) ist dagegen stets weiß; nach ihrer Gestalt in kugelrunde, plattrunde, ovale, längliche etc., nach ihrer Oberfläche in glatte, rauhschalige, mit Einschnitten, versehene, viel- u. wenig-, flach- u. tiefaugige, nach ihrer Qualität in Futter- u. Speisekartoffeln. a) Frühkartoffeln: Die anbauwerthesten Sorten sind: Laurenti- od. Jakobi-, Pfälzer, frühe hellrothe, rothblaumarmorirte, Fünf-, Sechs-, Neunwochen-, Mai-, frühe Nieren-, frühe englische, frühe runde Eier-, Bisquit-, Lippstädter-, Salat-, Bastardzucker-, Farinose-, allerfrüheste schottische, frühe mehlige, englische, Robinsons-, frühe Mai-, Münster-, Lerchenkartoffel; b) Spätkartoffeln: die besten Sorten sind: Zwiebel-, Rio-Frio-, Friedrich-Wilhelms-, Preis von Westerwald, peruanische, Rohan-, Rheinfelder-, Preis von Holland, große Bamberger, isländische, Liverpooler, blaue französische Nieren-, englische, gelbe, deutsche rauhschalige, Bocks-, Howardsche, blaue Horn-, große rothe mehlige, volle breite, sehr große hellrothe Nieren-, Rio de Janeiro-, amerikanische zapfenförmige weiße, amerikanische rosenfarbige, Runkelrüben-, californische, mexicanische, Falgen-, Maley-, Dessauer Zucker-, sechzigfältige, fleischfarbene, geflammte Trauben-, weiße chilische, Porto Alegre, gelbe von Malta, dunkelrothe Corsicaner, weiße Schmelz-, weiße Champagner-, wahre englische, Arnsdorfer-, isländische, rothe algierische, runde rothe Züricher, belgische von Molines, westpreußische blaue K. Unter den Speisekartoffeln stehen die Lerchen- u. die weiße peruanische K. unter den K-n für technischen Gebrauch u. Futter, die echte Zwiebel- u. Rio-Frio-Kartoffel oben an; sie geben den größten Massenertrag, sind am mehlreichsten u. der Krankheit am wenigsten aus gesetzt. Die wuchernde große pommersche Vieh- u. große Glückstädter K. sind zwar ertragreich, haben aber einen schlechten Geschmack, wenig Mehl- u. Nahrungsgehalt u. in den viel wässerigen Bestandtheilen große Schärfe, so daß sie dem Vieh leicht schaden; auch werden sie von demselben nur ungern gefressen.
Die K-n bestehen aus 18–22 Proc. Stärkemehl u. 70–80 Proc. Wasser, enthalten aber auch Eiweißstoff 1 Proc., Faserstoff 4 Proc., Gummi, Harz, phosphorsaures Kali, phosphorsauren Kalk, einige andere Salze u. etwas Solanin. Die K. liebt mehr einen lockern als einen gebundenen Boden, am meisten sagt ihr aber ein lehmiger Sand- od. sandiger Lehmboden zu, wo sie schmackhafter wird, als in einem zähen u. strengen Thonboden. Nässe im Boden verträgt sie nicht. Dagegen gedeiht sie in jedem Klima u. kann nach jeder Frucht angebaut werden, verlangt keine frische Düngung, gibt aber einen um so höheren quantitativen Ertrag, je stärker zu ihr gedüngt wird, doch leidet unter starker Düngung mit Stallmist die Qualität.
Die Culturmethoden sind verschieden. Theils wird der Same in Beete eingehackt, od. jede Pflugfurche damit belegt; theils werden Dämmchen von zwei Furchen gepflügt u. der Same in deren Vertiefung gelegt; theils werden Beetchen von vier Furchen gepflügt, u. der Same in die Furchen gelegt, auch wird der Same nach der zweiten od. dritten Pflugfurche gelegt. Eine neue Erfindung zum Legen der K-n ist Kriegers Kartoffelleger. Die Räder desselben werden so weit auseinander gezogen, als die Entfernung der Kartoffelreihen von einander sein soll. Ein Haken mit beweglichen Federn, aber ohne Streichbreter, in der Mitte des Kartoffellegers angebracht, zieht eine Furche, in welche die Samen eingelegt werden. Um diese mit Erde zu bedecken, steckt man die Räder an dem Kartoffelleger wieder zusammen u. stellt den Haken zwischen je zwei Zeilen. Auch das Pflanzen nach der Kette wendet man an, wozu man sich einer Kette von Eisendraht bedient, deren je zwei Glieder mit einem messingenen Ring verbunden sind, welcher die Stelle zeigt, wohin der Samen gelegt werden soll. Die Fortpflanzung der K-n geschieht entweder durch ganze Knollen von mittler Größe, die vollkommenste Vermehrungsart, nur darf dieser Same nicht zu eng gelegt werden; od. durch zerschnittene Stücken, an deren jedem wenigstens ein Auge befindlich sein muß; od. durch ausgestochene Augen, eine unvollkommene Vermehrungsart, namentlich in heißen, trockenen od. nassen Frühjahren, wo das wenige Fleisch an dem Auge entweder vertrocknet od. verfault, u. dann das zarte Pflänzchen keine Nahrung hat; od. durch Keime u. Schalen, die unvollkommenste aller Vermehrungsarten u. nur bei Theuerung vorkommend; od. durch Samen aus den Samenkapseln, angewendet, wenn die K-n ausgeartet u. krank sind, um wieder zu neuen, guten Sorten zu gelangen; od. durch Pflänzlinge, indem man ganz große Samenknollen in den Boden legt, die daraus emporsprossenden Pflanzen von den Mutterknollen abnimmt u. in den Boden versetzt. Das Keimen der Samenkartoffel im Keller ist schädlich u. muß möglichst verhütet werden. Die Kartoffelreihen müssen 24–30 Zoll von einander entfernt sein u. die Samen od. Pflanzen in den Reihen 1 Fuß von einander abstehen. Der Zeitpunkt der Bearbeitung der K-n richtet sich theils nach der Größe der Kartoffelstöcke, theils nach der Witterung; ist dieselbe naß, so muß man die Bearbeitung unterlassen. Unregelmäßig stehende K-n werden mit der Handhacke bearbeitet, die in Reihen angebauten aber mit Ackerinstrumenten. Wenn der Same aufzugehen anfängt, wird der Acker bei Sonnenschein stark geeggt, der Egge folgt nach einigen Tagen die Pferdehacke od. der Igel, die in den Furchen gehen, das Unkraut herausreißen, das Erdreich auflockern, welches einige Zeit darauf der Häufelpflug an die handhohen Kartoffelstöcke hinanstreicht. Diese Bearbeitung mit Hinweglassung der Egge muß vor dem Blühen der K-n nochmals wiederholt werden. Die vierfurchigen Beetchen werden mit dem gewöhnlichen Pfluge an- u. abgeackert (s. Anackern). Das Abpflücken der Kartoffelblüthen hat sich vortheilhaft bewiesen, indem darnach mehr u. größere Knollen geerntet werden. Schädlich ist es dagegen, das Kartoffelkraut zu früh abzuschneiden, indem dadurch dem Boden die wohlthätige Beschattung geraubt wird, u. die Knollen, die so lange wachsen, als das Kraut grün ist, zu wachsen aufhören. Die Ernte der K. fällt meist um Michaelis. Sobald das Kraut[350] abgestorben ist, kann man zur Ernte schreiten, indem dann die Knollen nicht mehr wachsen. Trockene Witterung bei der Kartoffelernte ist eine Hauptsache. Sie werden entweder mit dem Karst, od. mit dem Pflug u. Haken aus der Erde genommen. Albert erfand dazu den Kartoffelheber, eine Hacke, welche einer Winzerhacke gleicht, womit ein geübter Arbeiter so viel verrichtet, als zwei andere Arbeiter mit dem Spaten, u. gewöhnlich 4–6 Aufleser beschäftigt. Die geernteten K-n werden in Kellern, Gruben, Miethen aufbewahrt u. vor dem Frost geschützt. Die K. ist mancherlei Krankheiten unterworfen (s. Kartoffelkrankheit). Feinde hat die K. an dem Engerling, der Haselmaus, Maus, dem Hirsch u. wildem Schwein.
Groß u. mannichfaltig ist der Nutzen u. Gebrauch der K-n. Sie gehören zu den gesundesten Nahrungsmitteln, wenn nicht in hohem Grade die Verdauungskraft geschwächt ist. Man genießt sie am Einfachsten in der Schale gekocht mit Salz u. Butter. Außerdem gibt es nicht leicht einen Stoff, der als Nahrungsmittel so verschiedenartig behandelt werden könnte. Sehr häufig bedient man sich ihrer als Zukost zu Fleischspeisen, entschält u. in Salzwasser gekocht u. in Stückchen, als Salat, od. geröstet, gebraten, od. in Suppen u. Brühen verkocht, od. zerrieben zu Klößen od. zu Bäckereien, auch zu Brod etc. Die K-n werden ferner zum Branntweinbrennen, zur Bereitung von Bier, Essig, Zucker, Stärke etc. verwendet, auch Graupen, Gries, Grütze, Nudeln u. Sago kann man daraus bereiten; auch sind sie zum Viehfutter sehr brauchbar. Bei der Kartoffelfütterung werden die K-n, roh od. gekocht, gestampft, gerieben, zum Futter für Rindvieh, Schweine, Schafe, Pferde, Ziegen, Gänse u. anderes Hausgeflügel benutzt. Gute Sorten sind besser als sogenannte wilde, gekocht besser als roh. Für melkende Kühe ist die Fütterung roher, bes. mittelst einer eigenen Maschine zu Muß geriebener K-n besser, da sie Vermehrung der Milch bewirken. Die Samenfrüchte der K-n Kartoffelbeeren) werden gepflückt, wenn sie noch hart sind, in Wasser abgewaschen, 48 Stunden in Salzlake gelegt u. dann mit Essig über gelindem Feuer so lange gekocht, daß sie nicht zu weich werden. In den Essig thut man vorher Pfefferkraut, Dragun, Nelken u. Muskatblumen. Der Essig wird abgeklärt mit den Kartoffelbeeren in ein Glas gefüllt, dieses zugebunden u. aufbewahrt. Das Kraut enthält viel Kali; man hat es daher zur Pottaschenbereitung benutzt, indem man es zur Zeit der Blüthe abschneidet, grün verbrennt u. die Asche auslaugt. Noch grün abgeschnitten wird das Kraut von dem Vieh, doch nicht gern, gefressen. Das abgestorbene Kraut wird getrocknet verbrannt od. zum Einstreuen gebraucht. Breitet man es im Herbst auf den Wiesen aus u. läßt es den Winter über darauf liegen, so ist es wegen seines Kaligehaltes ein gutes Düngungsmittel u. kann, im Frühjahr gesammelt, immer noch zum Einstreuen gebraucht werden. Vgl. Anleitung zum zweckmäßigsten Anbau der K-n, Rudolstadt 1830; Kreyßig, Der Kartoffelbau im Großen, Königsb. 1833; Wilhelmi, Neueste Methode, die K-n in ihrem Anbau zu erweitern, Berl. 1835; Anweisung, zum zweckmäßigen Anbau der K-n, Jüterb. 1835; Über Kartoffelbau, Saals. 1838; Prüfer, Wie muß der Kartoffelbau betrieben werden, 2. Aufl., Bautz. 1840; Keller, Vortheile u. Fehler bei dem Kartoffelbau, Sondersh. 1840; F. Pohl, Die hundertjährige Feier des Kartoffeljubiläums, Lpz. 1841; Berchtold, Die Kartoffel, Prag 1842; W. Löbe, Die Kartoffel. 2. Aufl. 1857.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.