- Muscheln
Muscheln, 1) (Muschelthiere, Lamellibranchia, Conchifera), Gruppe der beschalten Kopflosen (Acephalen) aus der Abtheilung der Weichthiere, mit vier Kiemenblättern. Hierher gehören sämmtliche zweischalige Conchylien; ihr Leib, welcher die Leber u. Eingeweide einschließt, liegt zwischen den zwei Blättern des Mantels, zwischen denen auch weiter nach vorn sich die Gefäße der regelmäßig gestreiften Kiemenblätter befinden; der Mund liegt an dem einen, der After an dem anderen Ende, das Herz auf der Rückenseite des Thieres; da wo ein Fuß vorhanden ist, ist er zwischen den vier Kiemenblättern befestigt; zu den Seiten des Mundes liegen vier dreieckige Blättchen, welche als Fühler dienen. Der Fuß, eigentlich der Bauchsack des Thieres, ist[570] nach unten fleischig, oft sehnig, mit scharf hervorragender Kante, u. das Thier vermag mit demselben langsam fortzukriechen; der Eierstock ist gelblich, besteht aus kleinen Läppchen u. liegt hinter u. über der Leber zunächst unter der Bauchdecke u. mündet mit seinem Ausgange in den Eingang der Kiemen, so daß die gelegten Eier in die Kiemenblätter, vorzüglich in die äußeren, gelangen. Die Kalkschale (Muschel, Concha) besteht meist aus zwei, selten mehr Schalen (Valvae), welche gleich od. ungleich sind, am vorderen Ende stumpfer, nach hinten spitziger u. auch oben verbunden. Diese Verbindung geschieht theils durch Zähne, Leisten u. Gruben, welche das Schloß (Cardo) bilden, theils durch ein außerhalb des Randes hinter dem Schlosse angebrachtes, sehniges Band, das Schloßband (Ligamentum), welches durch seine Zusammenziehung die Schale öffnet. Diesem Bande wirken ein bis zwei Muskeln entgegen, die aus dem Leibe des Thieres hervortreten, den Mantel durchbohren u. jederseits an der Schale, welche sie schließen sollen, befestigt sind. An den Eindrücken in der Schale auf der Innenseite kann man leicht ihre Zahl u. Stellung erkennen. Jede einzelne Muschelschale hat neben dem Schlosse einen Höcker (Buckel [Umbo] od. Wirbel [Nates]), von welchem aus sie durch Ansatz von Schichten am freien Rande gewachsen sind. Die meisten M. schließen sich gänzlich, doch gibt es auch solche, welche vorn od. an beiden Enden auseinanderklaffen. Viele zweischalige Muschelthiere haben auch einen Byssus, d.h. einen Büschel von langen, dünnen Fäden, welche aus der Basis des Fußes hervortreten u. dem Thiere zum Anheften an verschiedenen Gegenständen dienen. Die meisten Thiere dieser Gruppe der kopflosen Weichthiere leben im Meere, viele stecken, mit dem Munde nach unten zu, im Schlamme od. auch in Steinen od. Holz, suchen aber mit ihren Athemröhren ein Loch nach außen offen zu erhalten, indem sie von Zeit zu Zeit das Wasser ausspritzen. Andere hängen sich mit ihrem Byssus an einander od. an Klippen, Pfähle etc. an; wieder andere kleben mit einer Schale auf dem Boden fest, indem sie sich mit ihrem ausgeschwitzten Kalke gleichsam ankitten; sehr wenige sind ganz frei, mit klaffender Schale im Wasser liegend. Ihre Verbreitung erstreckt sich über die ganze Erde; man findet sie in Bächen, Flüssen, Teichen, Landseen u. Meeren aller Zonen; doch viel zahlreicher, größer u. schöner in der heißen Zone, theils an den Küsten, theils im hohen Meere. Die charakteristischen Kennzeichen der einzelnen Gattungen sind in den Muskeln u. im Baue des Mantels u. Fußes zu suchen, denn Kiemen u. Fühlerlappen weichen wenig von einander ab. Außerdem geben auch die Schalen gute Kennzeichen; man unterscheidet zu dem Zwecke die rechte (Valva dextra) u. die linke Schale (V. sinistra). Der Umkreis der Schalen wird in den Ober- od. Rückenrand (Margo superior s. dorsalis), den diesem entgegengesetzten Unterrand (M. inferior), den Vorderrand (M. anterior) u. den Hinterrand (M. posterior) eingetheilt. Bei dieser Bezeichnung nimmt man nämlich das Thier so an, als ob es in gerader Richtung sich von uns entfernen wollte, so daß also das Schloß oben, der Mund vorn, die After- u. die Athemröhre nach hinten gerichtet ist. Der sich spitz zwischen die Wirbel hinein schiebende Raum, wo ein ausgespanntes Häutchen beide Schalen bis an den Vorderrand verbindet, heißt Schildchen (Areola), ein anderer sich hinter den Wirbeln bis an den Hinterrand erstreckender Raum, in welchem das Schloßband liegt, u. wo auch ein Häutchen die Schalen verbindet, wird Schild (Area) genannt. Das Schloß (Cardo) ist bald gezähnt, bald zahnlos. Die meist kurzen, zunächst unter den Wirbeln liegenden Zähne heißen Schloßzähne, die mehr leistenförmigen, auf einer od. beiden Seiten der vorigen liegenden aber Seitenzähne od. Schloßleisten. Ferner unterscheidet man die Muskeleindrücke, u. zwar den vorderen od. Schultermuskeleindruck neben den Schloßzähnen nahe am Vorderrande jeder Schale, ferner den hinteren od. Hüstenmuskeleindruck u. den Manteleindruck. Die naturgemäßeste Eintheilung der Muschelthiere ist folgende: a) Einmuskelige (Monomya): Austern (Ostracea), Kammmuscheln (Pectinea), Schmalmuscheln (Malleacea); b) Zweimuskelige (Dimya): Perlmuttermuscheln (Aviculacea), Archenmuscheln (Arcacea), Flußmuscheln (Najades), Mießmuschel (Mytilacea), Gienmuscheln (Chamacea), Herzmuscheln (Cardiacea), Klaffmuscheln (Pyloridae); c) mit geschlossenem Mantel (Inclusa): Röhrenschnecken (Tubicolae), Mantelthiere (Tunicata). 2) Die gemeinste u. zur Nahrung dienende Muschel ist die Gemeine Mießmuschel (Mytilus edulis), s. Mießmuschel, auch Blaubart. Gemeiniglich werden sie in u. zu Brühen bereitet (Muschelbrühe, Muschelsauce), welche aus Eigelb, Mehl, weißem Wein, geschnittenen Schalotten u. Sardellen, Butter, Citronenschalen u. dgl. u. einer beliebigen Anzahl M. besteht, als. Zukost, auch als Zuthat zu Sardellensalat genossen. Ihr reichlicher Genuß ist für den Magen belästigender, als der von Austern, da ihr Fasernstoff fester ist; an Nahrungsfähigkeit übertreffen sie diese. Frisch werden sie beim Kochen hellröthlich, die älteren dagegen roth; diese enthalten gewöhnlich eine bittere Schärfe u. sind dann verwerflich. Auch müssen die M. im Herbste gesammelt u. versendet werden; während der Sommerzeit nähren sie sich von Meernesseln u. nehmen häufig von diesen giftige Eigenschaften an, erregen dann heftiges Erbrechen, Krämpfe im Hals u. in der Brust, Ausschläge u. andere Zufälle, wogegen Brechmittel u. vegetabilische Säuren erfordert werden. Andere eßbare M. sind: die Bohrmuscheln (Pholades), unter ihnen bes. die Dattelmuschel (Pholas dactylus), die Scheidenmuschel (Solea siliqua), alle Tellmuscheln (Tellina, bes. T. gari), die Gemeine Lazarusklappe (Spondylus gaederopus), die Herzmuschel (Cardium edule), die Riesenmuschel (Chama gigas), s.d. a., u. andere.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.