- Winkel [1]
Winkel, 1) überhaupt jeder innere Raum zwischen zwei einschließenden Gegenständen; 2) (Angulus, gr. Gonia), das Innere zwischen zwei convergirenden Linien, da, wo sie sich treffen. In der Geometrie wird unterschieden: A) ein ebener W. (A. planus), die Abweichung der Richtung zweier geraden Linien, welche von einem Punkte aus nach verschiedenen Richtungen gezogen u. einerseits in diesem Punkte begrenzt sind; od. die Größe derjenigen Drehung, welche man stets nach einerlei Richtung gehend u. in einerlei Ebene bleibend mit der einen geraden Linie um einen ihrer Punkte vornehmen muß, damit dieselbe mit einer andern Linie zusammenfalle. Diese Linien heißen die Schenkel u. der ihnen gemeinschaftliche Punkt der Scheitel od. die Spitze des W-s. Wenn aus einem Punkte A zwei in demselben begrenzte Linien AB u. AC gezogen sind, so bezeichnet man den W. mit BAC od. CAB, so daß der Buchstabe des Scheitels in der Mitte steht; liegen nicht mehre W. an demselben Scheitel, so bezeichnet man denselben auch blos mit dem am Scheitel stehenden Buchstaben, hier mit A. Oft wird auch ein kleiner (griechischer) Buchstabe zwischen die Schenkel desselben gestellt u. der W. mit diesem Buchstaben bezeichnet. Sind die Linien AB u. AC bezüglich mit b u. c bezeichnet, so wird endlich noch der W. BAC durch (b, c) ausgedrückt. Da durch die Drehung einer geraden Linie um einen festen Punkt von einem beliebigen andern Punkte derselben Kreisbogen beschrieben werden, welche den durch die gleichzeitige Drehung entstandenen W-n proportional sind, so kann der Kreisumfang u. seine Theile zugleich zum Messen der W. dienen. Bekanntlich theilt man nun den Kreis in 360 gleiche Theile u. nennt einen solchen Theil einen Grad od. genauer Bogengrad, folglich heißt auch der zugehörige W. am Mittelpunkt ein Grad od. Winkelgrad; ein solcher wird ferner in 60 Winkelminuten u. eine Winkelminute in 60 Winkelsecunden getheilt. Auf diesem Zusammenhange zwischen Kreis- u. Winkeltheilung beruht die Einrichtung des Transporteurs, sowie aller Winkelmaßinstrumente. Ein solcher W. od. Drehungsgröße, durch welche der bewegte Schenkel wieder in die Lage des festen Schenkels gerade zu[267] rückkehrt, heißt eine volle Umdrehung, od. ein W. von 360° od. auch 2 π, da ein Kreisumfang vom Halbmesser 1 die Länge 2 π hat. Ein W., dessen beide Schenkel nach entgegengesetzten Seiten in einer geraden Linie liegen, heißt ein gestreckter W. Da alle geraden Linien einander decken, so sind alle gestreckten W. einander gleich, u. da die Summe zweier solcher = 360°, so ist jeder = 180° = π. W., welche kleiner sind als ein gestreckter, heißen hohle (concave, ausspringende) W., welche zwischen 180° u. 360° liegen, erhabene (convexe, einspringende). Zwei W., welche den Scheitel u. einen Schenkel gemeinschaftlich haben u. deren nicht gemeinschaftliche Schenkel eine gerade Linie bilden, heißen Nebenwinkel. Die Summe zweier Nebenwinkel ist daher stets einem gestreckten W. od. 180° gleich. Zwei W., von denen die Schenkel des einen die Verlängerungen der Schenkel des andern über den Scheitel hinaus sind, werden Scheitel- (Vertical-) W. (A. verticales) genannt. Jede zwei zusammengehörige Scheitelwinkel sind einander gleich. Je nachdem ein W. kleiner, ebenso groß od. größer ist als sein Nebenwinkel, heißt er ein spitzer (A. acutus), rechter (A. rectus) od. stumpfer (A. obtusus) W. Im Gegensatz des rechten W-s heißen die beiden andern Arten. schiefe W, (A. obliqui). Der rechte W. wird allgemein mit R bezeichnet; derselbe ist halb so groß als ein gestreckter, also 90° od. π/2. Zwei von einem Punkte aus divergent ausgehende Gerade bilden nach Vorstehendem nicht allein einen W., sondern zunächst zwei, nämlich den dadurch bestimmten hohlen u. den denselben zu 360° ergänzenden erhabenen W.; außerdem aber kann man noch durch unzählig viele andere Drehungsgrößen aus der einen Richtungslinie in die andere übergehen, indem zu den beiden genannten W-n noch beliebige Vielfache von 360° addirt werden können. Oft werden auch W. angeführt, unter welchen krumme Linien sich schneiden (krummlinige W., A. curvilinei). Damit bezeichnet man den W., unter welchem die in dem Durchschnittspunkte an die beiden Curven gezogenen geraden Berührungslinien einander schneiden, weil diese die Richtung der Bogenelemente in diesem Punkte darstellen. Um die W. mit begrenzten Längen ihrer Scheitel in arithmetischen Zusammenhang zu bringen, zu dem Zwecke eine dieser Größen aus gewissen gegebenen zu berechnen, bedient man sich der Winkelfunctionen: Sinus, Cosinus, Tangente u. Cotangente (s. Trigonometrie). Über die Gegen- od. Correspondirenden W. u. Wechselswinkel, welche entstehen, wenn zwei Parallelen durch eine dritte Linie geschnitten werden, s.u. Parallele. B) Von den Flächenwinkeln u. den körperlichen W-n (A. solidus). Wenn zwei Ebenen, ohne zusammenzufallen, eine gerade Linie, in welcher sie einerseits begrenzt sind, gemeinschaftlich haben, so nennt man die Abweichung ihrer Lage einen Flächenwinkel (diëdrischen W., Keil). Die nähern Bestimmungen hierüber, sowie die Definition eines körperlichen W-s od. einer Ecke, s.u. Stereometrie. C) Über den Neigungswinkel, sowohl eines Keils als einer geraden Linie gegen eine Ebene, s. Stereometrie. Ebendaselbst findet sich auch das Nähere über den W. zweier sich kreuzender Linien. D) Einengegebenen W. in n gleiche Theile zu theilen, s.u. Trisection. Optischer W., s. Sehwinkel. W. der Distanz, s. Azimuthalwinkel. 3) So v. w. Krümmung od. Ausbauchung; 4) (Marksch.), jede Distanz, so weit mit einem Male Anhalten der Schnur gemessen wird, wenn es auch in gerader Linie fortgehet; 5) so v.w. Winkelmaß der Metall- u. Holzarbeiter; 6) beim Linearzeichnen kleine aus Holz od. Blech gefertigte Dreiecke, welche zum Auftragen von W-n von einer bestimmten Größe (bes. 30°, 45° , 60°, 90°) gebraucht werden.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.