Castration

Castration

Castration (v. lat.), die künstliche Entfernung eines od. beider Hoden, ausgeführt 1) an Menschen, um Castraten (s.d.) zu erhalten od. auch zu einem bestimmten Heilzwecke, eine zwar einfache, aber doch bisweilen auch gefährliche Zufälle, namentlich Trismus u. Tetanus, erzeugende Operation geschieht mittelst Durchschneidung des Samenstranges, wobei die Haut des Hodensackes entweder von der anderen od. der hinteren Seite durchschnitten, der Samenstrang sodann durch Trennung des ihn umgebenden Zellgewebes mit dem Messer bloßgelegt, hierauf, um sein Entschlüpfen u. Zurückziehen in die Bauchhöhle zu vermeiden, mittelst der Hand, einer Schlinge etc. fixirt u. hierauf der Samenstrang mit einem Messer gewöhnlich von vorn nach hinten durchschnitten, sodann der Hode von seinen Verbindungen mit dem Messer gelöst wird, was bisweilen auch vor der Durchschneidung des Samenstranges geschieht, od. umgangen wird, indem man den Hoden sammt einem Theile des Hodensackes in einem Zuge wegschneidet. Gegen die Blutung wird bald die Unterbindung des Samenstranges angewendet, indem man bald den ganzen Samenstrang mit einer einfachen Ligatur, bald zugleich mittelst Unterlagen von Bourdonnets Pflasterrollen, od. durch Ligaturwerkzeuge (s. Ligatur) zusammenschnürt, od. den Nerven, um nicht Krampfzufälle durch seinen Reiz zu verursachen, ja selbst das Vas deferens von der Unterbindung ausschließt u. die Arterie des Samenstranges allein faßt. Die Wunde wird nach Umständen durch diblutige Naht od. Heftpflaster vereinigt, od. durch Eiterung geheilt. Der Weg durch die Unterbindung beider Hoden od. nur eines, wobei der Schnitt gar nicht od. nur theilweise zu Hülfe genommen wird, mittelst Ligaturwerkzeugen, hat keinen Beifall gefunden. Schwieriger ist die C. der vollkommenen Eunuchen, wo die ganzen männlichen äußeren Geschlechtstheile weggeschnitten werden. Auch hier kommt es auf Stillung des Blutes u. möglichste Vermeidung od. Abstumpfung des Nervenreizes an; doch sterben, wenn man diese Operation an Knaben von 7–10 Jahren vollzieht, die Hälfte, später 1/4 an derselben. Auch bei mehreren Krankheiten macht sich die C. nöthig, so bei gutartigen od. bedeutend großen Geschwülsten des Hodens, Neuralgie desselben, Sarcocele, Erweichung, ausgebreiteten Cirsocelen, Hydatiden, Wassersucht des Hodens, Mark- u. Blutschwamm, Skirrhus, Krebs, ferner unheilbaren, zum Theil den genannten ähnlichen Krankheiten des Samenstranges u. der Bedeckungen der Hoden, wie bei dem Schornsteinfegerkrebs, der Elephantiasis des Scrotums, bei Auszehrung durch stark anhaltenden Samenverlust. Das Mosaische Gesetz verbot sowohl an Menschen, als auch an Thieren die C. u. setzte darauf die Strafe des Ehebruches. Bei anderen Asiaten war die C. gewöhnlich, bes. zu Ehren der Kybele, deren Priester sich freiwillig entmannen mußten; vgl. Gallus. Bei den ältesten Griechen war die Entmannung (Orchotomie) zwar bekannt, aber nicht gebräuchlich; später wurde sie zuerst unter den Griechen Kleinasiens u. von da in Griechenland selbst, zugleich mit den asiatischen Sitten eingeführt. Bei Todesstrafe verboten die C. bei den Römern Cäsar, Domitian, Nerva u. Constantin, aber unter Justinian nahm, mit dem Verfall der Sitten, auch[754] die C. wieder zu. Zuweilen geschah es, daß der Mann den Schänder seines Weibes entmannte. Selbstentmannung erzählt theils die Sage von dem Syrer Kombabos (s.d.), um seinem Könige keinen Verdacht der Untreue seiner Gattin zu geben; theils die Geschichte von Origenes aus ascetischem Eifer. Im Mittelalter kam die C., um dadurch treffliche Discantisten zu erhalten, in Italien allgemein auf, u. man rechnete, obgleich mehrere päpstliche Bullen die C. bei Strafe des Kirchenbannes untersagten, noch im 18. Jahrh., daß mehr als 4000 Knaben jährlich in Italien, bes. im Kirchenstaate, castrirt wurden. Castraten schließt eigentlich das Canonische Gesetz vom Priesteramte aus, dennoch sind in Italien die beim Chore angestellten Castraten zugleich Geistliche, jedoch müssen sie die genommnen Zeugungsorgane in einer Schachtel bei sich führen, um dem Gesetze zu genügen. Ältere Schriftsteller (Athenäos, Hesychios, Suidas) gedenken auch der C. der Weiber, u. Galenos bemerkt, daß. Weiber, denen die Eierstöcke ausgeschnitten seien, ihre weibliche Natur ablegen; einzelne neuere beobachtete Fälle deuten wenigstens die Möglichkeit dieser Operation an. 2) Die C. der Thiere dient theils männliche Thiere lenksamer zu machen u. ihnen ihre Wildheit, bes. in der Brunstzeit, zu benehmen, theils dem Schlachtvieh zarteres u. schmackhafteres Fleisch zu verleihen. Ersteres geschieht bes. bei Pferden, wodurch sie durch Walachen zu Walachen werden. Das noch junge Thier wird dabei gegürtet, gut gefesselt, auf die Erde geworfen u. die Hoden durch Corrosivmittel, od. Brennen, od. Abbinden, od. Klopfen, od. Verdrehen (Ausdrehen, Abdrehen, dies bes. in Spanien u. Frankreich) zerstört od. weggenommen. Kälber männlichen Geschlechts werden am besten vom 16. Monat bis zum 2. Jahre castrirt (zu Ochsen gemacht), um dann als Ochsen zum Ackerbau u. auch zur Mast dienlicher zu sein; geschieht es früher, so werden sie, obgleich fett u. groß, doch schwächlich u. zur Arbeit untauglich. Das Castriren (Hammeln) der Schafböcke geschieht, um von diesen, Hammeln, besseres Fleisch zu bekommen; man unternimmt dies, wenn sie erwachsen zum Schlachten bestimmt sind, u. es ist das Unterbinden (Abbinden) des Hodensackes zureichend. Auch das Abklemmen (Kluppen), wo man den Samenstrang zwischen ein gespaltenes Stück Holz einklemmt u. so anbindet, u. das Zerquetschen (Zermühlen), wo man die durch voriges Mittel vom Leibe weggezogenen Hoden durch einen Hammer klopft u. so zerstört, wird angewendet. Eine neue C. ist die mit der Schraube; sie besteht aus hölzernen Kloppen u. aus Schraubengewinden u. Mutterschrauben aus gutem Eisen; jede Kloppe besteht aus 2 gleichen Hälften, nach unten u. oben tellerförmig ausgeschnitten. Der Kopf des zu castrirenden Thieres wird an die Krippe festgezogen, der hinter dem Thiere stehende Operateur ergreift den Hodensack u. zieht die Hoden so tief als möglich herab, worauf er den mit den Schraubenzapfen versehenen Theil der Kloppe ergreift u. ihn der Länge nach an der linken Seite des Hodensackes so anlegt, daß die hohle Fläche an den Leib des Thieres zu liegen kommt, dann wird durch Anlegung der mit Löchern versehenen anderen Hälfte der Kloppe diese selbst geschlossen; ist der Hodensack eingeklemmt, so werden die Muttern festgeschraubt, ist der Hodensack erkaltet, so wird er fest angezogen u. mit einem scharfen Messer knapp unter der Kloppe weggeschnitten; die Kloppe bleibt noch 14 Tage angeschraubt, dann wird die Wunde mit frischer Butter bestrichen. Ziegenböcke werden (als Heilböcke) ungemein fett, setzen viel Talg an, bekommen auch lange, milde Haare. Bei Schweinen ist die C. bei beiden Geschlechtern u. zwar, während sie noch Ferkel sind, sehr gewöhnlich, um bessere Mastschweine zu erhalten; die männlichen heißen nach der C. Borchen, den weiblichen werden durch Schnitte in die Seiten des Unterleibes die Eierstöcke weggenommen. Vom Federvieh werden nur junge Hähne oder Truthähne durch Ausschneidung der Geilen, wenn sie etwa 6–8 Wochen alt sind, castrirt (zu Kapaunen gemacht), auch junge Hühner durch Ausschneidung der Eierstöcke, die so heißen dann Poularden (s. Huhn).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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