Stiergefecht

Stiergefecht

Stiergefecht (Tauromachie), der Kampf von Menschen mit Stieren zur Belustigung der Zuschauer.[827] Die S-e waren schon bei den Griechen, namentlich in Thessalien, gewöhnlich u. wurden hier bei besonderen Festen (Taurokathapsia) angestellt. Der Kämpfer (Tauroëlatä) ritt mit einem, durch einen Strohmann (Taurokathaptes) wüthend gemachten Stier im Kreise herum, doch mit dem Pferdekopfe so nahe an dem Stier, daß derselbe das Pferd nicht stoßen konnte; dann sprang er auf den Nacken des Stieres, legte sein Gesicht zwischen die Hörner, umschlang den Kopf mit den Händen u. ließ seinen Körper an der Seite des Stieres herabhängen. So rannte der Stier mit dem Kämpfer fort; merkte dieser, daß der Nacken des Stieres durch die Last ermüdet war, so schwang er sich nach vorn, u. mit seinen Füßen vor den Beinen des Stieres hängend u. dessen Klauen stoßend, hinderte er ihn im Lauf; der Stier stolperte oft u. fiel endlich auf die Schultern od. auf den Rücken, worauf der Kämpfer die Hörner des Stieres in die Erde bohrte, so daß derselbe nicht aufstehen konnte, sondern mit den Beinen zappelnd u. brüllend auf dem Boden lag. Der Kämpfer fiel natürlich mit, er wurde von Anderen hervorgebracht, der Stier aber mit einem Seil an den Hörnern zum Altar geschleift. Solche S-e wurden auch in Rom, zuerst unter Jul. Cäsar, dann unter den Kaisern gegeben; die Kämpfer hießen hier Taurocentae od. Taurarii. Im Mittelalter waren die S-e noch bei Thierhetzen gewöhnlich, wo die Stiere mehr mit Hunden, als mit Menschen kämpften. Reste davon haben sich hier u. da erhalten; so war in Wien die Hatz, wo Stiere mit Bullenbeißern kämpften; in England hieß der Kämpfer zu Pferde, welcher dem Stier die Knieflechsen zu zerhauen suchte, Hockster; in Rom waren früher wöchentlich zweimal im Mausoleum Augusts die sogenannten Giostre (Thierhetzen), wo ein halb Dutzend abgemagerter u. entkräfteter Ochsen von vier Männern mit Knitteln geneckt wurden, dann folgten Kämpfe der Stiere mit den Bullenbeißern, welche von den Stieren oft 20 Fuß weit geschlendert wurden, u. zuletzt Angriffe der Stiere auf den in der Mitte aufgehängten Popanz. Nach mehrmals von Kaisern u. Päpsten ergangenen Verboten dieser Thierhetzen, verbot sie zuletzt der Papst Leo XII., aber die Franzosen führten sie nach der Besetzung Roms 1849 wieder ein. Die berühmtesten aller S-e sind in Spanien, wo sie schon zu der Römer Zeiten üblich waren. Meist findet das S. in größeren Städten in eigenen Amphitheatern mit Logenreihen (in Madrid in der Circo de los toreros) statt; um die Arena herum läuft eine 5 Fuß hohe Barriere (Baranda) von starken Bohlen, welche von Strecke zu Strecke enge Zwischenräume hat, um die fliehenden Kämpfer aufzunehmen. Oft überspringt der Stier solche Barrieren. In anderen Städten, wie Segovia u. Vitoria, sind die Hauptplätze der Stadt zu solchen S-n vorgerichtet. Die Stiere werden in Andalusien durch Kühe (Mandarinen) in ein Gehege gelockt u. die wildesten u. unbändigsten gewählt. Den Tag vor dem S. halten sie ihren feierlichen Einzug (Encierro) u. werden jeder in ein besonderes Behältniß dicht am Circus der königlichen Loge gegenüber gesperrt. Am Morgen wird ein Stier de valde (gratis) für den Pöbel gehetzt. Ist der Stier getödtet, so muß der Hause weichen u. der Circus füllt sich mit den Vornehmern, welche in voller Gala erscheinen. Der König od. der Vornehmste des Adels präsidirt, doch bleibt im letzteren Falle stets ein Platz für den König offen, die Loge der Municipalität ist gerade gegenüber. Der Oberordner reitet in Begleitung einiger Gerichtsdiener in dem Circus herum, grüßt den König od. die königlichen Logen, u. ihm wirst der Oberceremonienmeister den mit Bändern geschmückten Schlüssel herab, ein Zeichen, daß das Fest beginnen soll. Die Kämpfer (Toreadores zu Pferde, Toreros zu Fuß) sind gewöhnlich gemiethet, oft aber auch freiwillig; eine ganze Kämpferschaar heißt Cuadrilla, sie haben einen Führer u. lassen sich oft gleich im Ganzen zu S-n engagiren. Zuerst erscheinen die Picadores auf schlechten Pferden, denen die Augen verbunden sind, pelotonweise reitend, gekleidet in gemslederne, gelbe Hosen, ein Wams von Gold od. Silberstoff, eine Weste von buntem Seidenzeug, einen Hut mit breiter Krämpe u. mit einem flatternden bunten Bande geschmückt, bewaffnet mit einer langen Lanze (Garocho) mit einem Knopf, über welchen eine dreieckige 4 bis 6 Linien lange Spitze herausragt. Die Picadores umreiten den Platz u. stellen sich den Behältern der Stiere in der Mitte des Circus gegenüber auf. Mit den Picadores zugleich erscheinen in Quadrillen die Chulos zu Fuß, mit Bändern bedeckt u. eine lange aufgerollte seidene, meist rothe, himmelblaue od. gelbe Schärpe in der Hand tragend, sie umschreiten den Platz u. verlieren sich durch die Zwischenräume der Barriere. Endlich kommen die Matadores, die Hauptfechter, weiß gekleidet, in seidenen Strümpfen, in der Rechten den bloßen Stoßdegen, in der Linken die Muleta (einen kleinen Stab mit einem glänzenden Seidenzeug), umziehen den Circus u. verlassen ihn. Auf einen Trompetenstoß öffnen sich die Flügelthüren des ersten Stalles, der Stier stürzt in den Circus, stutzt über die Zuschauer, welche ihn mit Freudengeschrei u. Schwenken der Tücher bewillkommen, sucht einen Ausgang u. rennt, da er diesen nicht findet, auf den nächsten Picador zu. Dieser empfängt ihn mit der Lanze u. sticht ihn ein wenig in die Schulter. Erschreckt nimmt er den nächsten Picador an u. wird hier auch wieder so empfangen. Endlich glückt es ihm einen Reiter durch die Gewalt des Stoßes abzuwerfen, od. die Lanze bricht, od. das Pferd wird durch die Gewalt des Stoßes umgeworfen u. der Stier reißt demselben die Eingeweide aus dem Leibe. Um den Picador zu retten, kommen jetzt die Chulos hervor, umschwärmen den Stier u. werfen ihm die Schärpen an den Kopf. Dadurch wird er in einen anderen Theil des Circus gelockt, nimmt einen neuen Picador an u. unterdessen wird der auf den Sand Gesetzte fortgeschafft. Bei den S-n besteht ein großer Theil der Sicherheit der Kämpfer in der Geschicklichkeit der den Stier Rufenden (Clamars). Versteht ein solcher Clamar seine Kunst gut, so läßt auch der wüthendste Stier von seiner Beute ab u. wendet sich gegen jenen. Oft tödtet ein Stier neun bis zwölf Pferde, ehe er ermattet. Scheint diese Ermattung einzutreten, so ziehen sich die Picadores zurück u. die Chulos ergreifen die Banderillos (kleine, 2 Fuß lange Stöcke, mit einer, wie ein Angelhaken umgekrümmten Spitze, welche im Innern mit Schwärmern od. anderen Feuerwerken gefüllt sind) u. werfen dieselben von vorn über die Hörner weg auf den Stier. Endlich setzt sich ein Matador, von einer Quadrille Chulos unterstützt, gegen ihn in Marsch.[828] Er bewegt seine Muleta, auf welche der Stier mit geschlossenen Augen losrennt. Indem er nun unter dem linken Arme durchrennt, stößt ihm der Matador den Degen durch die Brust, der Stier fällt nieder, der Matador aber zieht den Degen wo möglich sogleich aus der Wunde u. salutirt mit demselben das Publikum. Vivas u. Bravos grüßen den Sieger, ein Regen von Bonbons, Confect u. Blumen, ja selbst von Gold- u. Silbermünzen überschüttet ihn, während, wenn der Stier noch nicht völlig getödtet mit dem Degen im Nacken den Circus durchrennt, der Matador ausgezischt wird. Wird der Matador von dem Stier getödtet od. verwundet, so tritt ein anderer an dessen Stelle. Der Matador knüpft nun das bunte Band, welches jeder Stier als Zeichen trägt, von dem getödteten Stiere ab u. überreicht es einer Dame. Nun erscheinen mit bunten Federbüschen u. Schellen geschmückte Maulthiere, ein Haken wird in den Hals des Stieres befestigt u. derselbe, so wie die todten Pferde, fortgeschleppt. Ein anderes S. beginnt nun u. oft werden acht bis zwölf Stiere an einem Tage bekämpft. Auch in Spanien schaffte König Karl IV. die S-e ab, aber als Joseph 1808 König wurde, stellte er sie, um sich die Gunst des Volkes zu erwerben, wieder her, u. sie bestehen bis heute. Napoleon III. versuchte nach seiner Verheirathung mit Eugenie von Montijo, einer geborenen Spanierin, die S-e auch in Frankreich einzuführen, fand aber damit keinen Anklang. Auch in Südamerika hat man S-e, u. die dortigen Eingeborenen wissen die Stiere mit dem Lasso zu umschlingen u. zu fangen. Auch Scheinstiergefechte hat man, wo hölzerne Kugeln auf die Hörner des Stieres gesteckt werden u. derselbe also nicht gefährlich verletzen kann. Doch wird hierbei der Stier meist nicht erlegt.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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