Seil [1]

Seil [1]

Seil, 1) langer, runder, aus mehren dünneren, aber ebenso langen Theilen zusammengedrehter od. durch eine andere Verbindung aus solchen Theilen hergestellter Körper. Als Material dazu dient a) Hanf; die Hanfseile werden von den Seilern verfertigt u. zwar werden aus den Fasern des Hanfes erst Fäden od. Garne gesponnen, diese zu Litzen u. diese zum S. zusammengedreht (vgl. Seiler). Anstatt des Hanfes verwendet man für untergeordnete S-e auch andere Faserstoffe, z.B. Bast od. Werg. Bisweilen fertigt man Bündelseile, bei denen die Garne nicht zu Litzen zusammengedreht sind, sondern parallel neben einander liegen u. durch Umwickelung in gewissen Zwischenräumen etwa aller 3–4 Fuß mit einander verbunden sind. Ebenso pflegt man wohl auch mehre dünnere S-e u. zwar abwechselnd rechts- od. linksgedreht neben einander zu legen u. auf verschiedene Weise untereinander zu einem flachen od. Bandseile zu verbinden; mit demselben Namen bezeichnet man auch die in neuerer Zeit bei Fördermaschinen u. Aufzügen häufig angewendeten bandförmig gewebten od. geflochtenen S-e. b) Draht, zu den Drahtseilen benutzt man entweder Eisen- od. Stahldraht von 1/2 bis zu 2 Linien Dicke, für Blitzabteilungen wohl auch Kupfer- od. Messingdraht. Man dreht 3–6 Drähte zu einer Litze zusammen u. 3–6 Litzen zu einem S-e; in größerem Maßstabe wurden gedrehte Drahtseile zuerst 1834 von dem Oberbergrath Albert in Klausthal ausgeführt. Bei dem Zusammendrehen von sechs Drähten u. sechs Litzen muß man im Innern der Litze od. des S-s stets eine Hanfseile anwenden (s. unten). Auch aus Draht fertigt man Bündel- u. Bandseile. c) Stroh; aus Stroh zusammengedrehte S-e, Strohseile, werden bes. in der Landwirthschaft, doch auch sonst als Bindemittel benutzt. d) Lederriemen, welche man oft zu Zugseilen zusammenflicht; e) im Bergbau nennt man die Ketten eiserne S-e. Die S-e dienen in den meisten Fällen des gewöhnlichen Gebrauches zur Verbindung von zwei od. mehren Dingen od. zum Tragen von Lasten (stehende S-e), im Maschinenwesen aber vorzugsweise zur Fortpflanzung der Bewegung (laufende S-e). Da bei der letztern Benutzung die Seile meist um Wellen, Scheiben od. Rollen gelegt werden müssen u. sich auf diesen auf- u. abwickeln, so ist es von Wichtigkeit, daß sie bei diesem Aufwinden sich nicht leicht verwirren (weshalb Bündelseile in diesem Falle nicht gut anwendbar sind), u. daß sie nicht zu steif sind, damit durch die Steifigkeit nicht zu viel Kraft unnütz verloren geht. Die Steifigkeit od. der Biegungswiderstand wächst mit dem Durchmesser des S-s, mit der Stärke des Zusammendrehens u. umgekehrt mit dem Durchmesser der Rolle, über welche das S. geschlungen ist; daher begnügt man sich bei S-n mit einer geringeren drei- bis fünffachen Sicherheit als bei anderen Maschinentheilen u. nimmt die S-e nicht stärker, als zu der Last, welche sie tragen sollen, nöthig ist; daher läßt man die steiferen Drahtseile nur auf Scheiben von größerem Durchmesser auflaufen, doch nimmt man auch bei Hanfseilen den Durchmesser der Rolle gern mindestens acht Mal so groß, wie den Durchmesser des S-s; daher winden sich endlich Bandseile leichter auf als gedrehte. Die Festigkeit des S-s hängt vor allen von der Güte des dazu verwendeten Materials u. dessen Bearbeitung ab; doch ist auch die Zusammensetzung u. Verfertigungsart von großem Einfluß. Zunächst haben die Versuche von Musschenbroek dargethan, daß mit der Größe des Drehungswinkels d.h. mit der Stärke des Zusammendrehens, die Festigkeit beträchtlich abnimmt. Beim Zusammendrehen der Fäden zu Litzen u. bes. der Litzen zu S-en werden ferner die Fasern gestreckt, u. zwar nimmt diese Streckung von innen nach außen hin zu; der Unterschied in der Länge der Fasern ist um so größer, je kleiner der innere hohle Raum (die Seele) im Verhältniß zum Seildurchmesser ist; je feiner die Fäden sind, desto größer wird verhältnißmäßig die Seele, desto größer daher im Verhältniß die Festigkeit; die Tragkraft der S-e wächst daher nicht einfach in gleichem Verhältniß wie ihr Querschnitt. Daraus ist zugleich ersichtlich, weshalb eine im Inneren der Patentseile angebrachte, schwächer gedrehte Seele die Festigkeit vermehrt u. weshalb die Band- u. Bündelseile verhältnißmäßig mehr tragen können als gedrehte; eine nicht gedrehte, gerade Seele trägt zur Festigkeit nichts bei, da sie sich nicht strecken kann u. bei der ersten stärkeren Belastung reißt, doch erhält sie die einzelnen [794] Litzen od. Fäden in einer regelmäßigen Lage u. gibt dem S. größere Dichte. Da Drahtseile für gleiche Belastung weit dünner ausfallen als Hanfseile, so sind sie in Bezug auf Festigkeit vortheilhafter, außerdem aber auch leichter u. wohlfeiler; doch muß bei ihnen der Drehungswinkel kleiner sein als bei Hanfseilen, in den Litzen beträgt er gewöhnlich 8–15°, bei Hanfseilen 30–50°. Der Drehwinkel vergrößert sich beim Anquellen des S-s in der Nässe, so daß ein nasses S. 1/4 weniger trägt als ein trockenes. Man schützt daher das S. häufig durch einen Überzug von Theer; man theert am besten die Fäden u. dreht diese warm od. kalt zusammen (warm od. kalt registriren); die warm registrirten sind dichter u. fester, aber auch steifer als die kalt registrirten. Die getheerten S-e sind beim Gebrauch im Wasser dauerhafter als nicht getheerte. Auch Drahtseile überstreicht man mit Theer od. Pech. Das Seilgewicht wächst nahezu wie das Quadrat der Seilstärke; der laufende Fuß Hanfseil von 1 Zoll Stärke wiegt 0,3 Pfund, getheert 0,36 Pfund; ein Drahtseil wiegt halb so viel als ein gleich tragfähiges Drahtseil. Die Tragkraft u. Festigkeit der S-e wächst angenähert ebenfalls proportional der Quadrate des Durchmessers; Hanfseile von 1/8 Zoll Dicke zerreißen bei einer Belastung von 10,000 Pfund auf 1 Quadratzoll, S-e von 5 Zoll bei 5000 Pfund auf den Quadratzoll; bei sechsfacher Sicherheit trägt daher ein laufendes S. von d Zolldurchmesser auf die Dauer eine Last L = 1300 (1–0,1 d) d2, also ein zolldickes S. 1200 Pfund. Stehende S-e tragen doppelt so viel, da man bei diesen nur dreifache Sicherheit nimmt; ihr Durchmesser ist daher nur 3/4 so groß als bei einem laufenden S. Ein laufendes gedrehtes Drahtseil von 1 Quadratzoll Querschnitt trägt auf Dauer 8500 Pfund u. zerreißt bei 85,000 Pfund Belastung; ein zolldickes Drahtseil würde demnach etwa 66,800 Pfd. tragen. Eigenthümlich ist die Benutzung u. demgemäße Herstellung der Telegraphentaue, welche eine telegraphische Leitung auf dem Grund von Gewässern od. zur Überbrückung von Flüssen bilden. Geknötetes S. ist ein starkes S., womit die Bleiarbeiter beim Decken der Dächer dieselben besteigen, an dem S-e sind aller 8–12 Zoll Schleifen geknüpft; indem der Arbeiter Steigbügel angeschnallt hat, welche mit Haken versehen sind, kann er an diesem S-e sicher emporsteigen. S. ohne Ende, ein S., dessen beide Enden vereinigt sind u. welches um zwei Räder, Rollen u. dgl. gelegt wird, wodurch die Biegung des einen Theiles dem anderen mitgetheilt wird. 2) so v.w. Haspel- u. Göpelseile, daher zu S-e schicken (S. bringen), einen Gegenstand mittelst des Haspels od. Göpels aus der Grube ziehen; S. auflegen (S. auftragen), das Haspelseil um den Rundbaum wickeln u. die Arbeit des Ausförderns beginnen; 3) so v.w. Zugseil, auch wenn diese aus starken Lederriemen bestehen; 4) früher Längenmaß, in Danzig = 10 Ruthen od. 150 Fuß; in Böhmen hat ein Land- od. Waldseil 52 Ellen, ein Weinbergsseil 64 Ellen.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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