- Schiedsrichter
Schiedsrichter (Arbiter), eine od. mehre Personen, welchen durch Vereinigung mehrer in einer Rechtsdifferenz befangener Personen die Befugniß übertragen wird, die Sache durch ihren Ausspruch zu entscheiden, so daß die Personen, welche die Vereinigung abgeschlossen haben, gebunden sind, dem Schiedsspruch (Arbitrium, Laudum) sich zu unterwerfen. Die Übereinkunft (Compromisum arbitri) hat nach heutigem Rechte die Wirkung eines Vergleichs, jede Partei wird gegen die andere, welche die Übereinkunft bricht (sei es durch Anbringung des Rechtsstreites vor Gericht od. durch Verhinderung od. Nichtbefolgung des schiedsrichterlichen Spruches), durch Einrede u. Klage in Schutz genommen. Nach Römischem Rechte trat indessen diese directe Wirkung nur in den zwei Fällen ein, wenn entweder das abgeschlossene Übereinkommen eidlich bestärkt od. der schiedsrichterliche Ausspruch nach seiner Fällung ausdrücklich od. stillschweigend anerkannt worden war; indirect aber konnte das Compromiß wenigstens dann eine Wirkung äußern, wenn für den Fall der Verletzung sie Parteien sich eine Strafe (Poena compromissa) gelobt hatten. Alle diese Voraussetzungen für die Gültigkeit u. Wirksamkeit des Compromisses sind jedoch für das heutige Recht weggefallen; nur folgende Erfordernisse sind nothwendig: a) Fähigkeit der Parteien, über ihre Rechte überhaupt disponiren zu können; b) Fähigkeit des Objects, d.h. ein vergleichbarer, der Disposition der Parteien überhaupt unterworfener Gegenstand; c) die Compromittirung auf einen fähigen S. Diese Fähigkeit ist der Regel nach bei Jedem zu präsumiren, außer bei Wahnsinnigen, Tauben, Stummen, den Frauen, Pupillen u. Minderjährigen, so wie den betheiligten Parteien selbst. Nach dem Kirchenrechte ist auch das über geistliche Sachen geschlossene Compromiß ungültig, wenn ein Nichtgeistlicher zum S. erwählt wurde. Die Zahl der S. ist den Parteien überlassen. Bei mehren S-n hat Stimmenmehrheit, aber unter Mitwirkung aller, zu entscheiden. d) Annahme des Amtes von Seiten des erwählten S-s (Receptum arbitrii), so daß das Übereinkommen von selbst fällt, so bald der S., auf welchen die Parteien ihr Absehen gerichtet haben, sich weigert der Entscheidung der Differenz sich zu unterziehen; e) Ausrichtung des schiedsrichterlichen Amtes in gehöriger Weise. Hierzu[152] wird erfordert, daß der Spruch nach vorgängiger Untersuchung erfolgt sein muß, daß er nichts Unsittliches u. nichts rechtlich Unmögliches enthalte u. daß er nicht weiter gehe, als der Gegenstand des Compromisses sich erstreckte. Aufgehoben wird das Compromiß durch den übereinstimmenden Willen der Parteien, durch einseitigen Rücktritt wegen nachher zwischen der Partei u. dem S. entstandener Feindschaft, wegen Dolus des S-s od. der anderen Partei; ferner auch durch den Tod einer Partei, wenn nicht das Compromiß ausdrücklich auf die Erben erstreckt wurde, durch den Concurs derselben, durch den Tod des S-s od. bei mehrern eines derselben, so wie dadurch, daß der S. nicht zur Abgabe seines Spruches vermocht werden kann. Auch kann unter gewissen Umständen der S. von der übernommenen Verpflichtung einseitig zurücktreten, wie namentlich bei entstandener Feindschaft mit einer Partei, Altersschwäche, Krankheit u. wegen eigener beschwerlicher Geschäfte. In Deutschland findet sich von jeher die Gewohnheit, Rechtsstreitigkeiten durch S. entscheiden zu lassen, in weiter Verbreitung. Als ein Hauptgesichtspunkt, welcher dem römischen Institute fehlt, findet sich dabei hier immer auch der einer gütlichen Vereinigung durch Abminderung der gegenseitig geltend gemachten Ansprüche, weshalb die S. auch in den älteren Rechtsquellen zuweilen Minnerer heißen. Der Gebrauch der S. war ein um so gewöhnlicher, je unvollkommener anfänglich die Einrichtung der ständigen Gerichte war. Deshalb bildete sich in einzelnen Genossenschaften u. unter gewissen Ständen geradezu der Grundsatz aus, daß alle Streitigkeiten ausschließlich durch S. zu entscheiden seien, u. in mehren Fällen hat sich aus solcher, ursprünglich rein schiedsrichterlichen Entscheidung eine eigene Gerichtsbarkeit, wie die der Pabbiner, der Geistlichen u. der Austrägalinstanzen (s.u. Austrägalgericht) gebildet. In neuerer Zeit ist derselbe Grundsatz häufig bei Actiengesellschaften etc. statutenmäßig angenommen. Die Vorliebe für schiedsrichterliche Entscheidungen hat auch dazu geführt, daß in mehren Staaten in dem Institut der Schiedsmänner eigene Commissarien aufgestellt worden sind, an welche sich die Parteien wenden können, um ihre Differenzen, statt auf dem geordneten Rechtswege, durch schiedsrichterlichen. Ausspruch zu entscheiden. Eine solche Einrichtung besteht z.B. in Dänemark, Norwegen, Frankreich, Preußen, Württemberg, Oldenburg, Baiern, Baden, Sachsen, Koburg, Meiningen etc. Die Schiedsmänner gehen bald aus Wahlen der Gemeindebürger hervor, bald ist ihr Amt mit dem eines Gemeindevorstandes verbunden. Je nach den verschiedenen Landesgesetzgebungen genügt einseitiger Antrag einer Partei, od. es wird die Vereinigung beider Parteien gefordert, um den Ausspruch des Schiedsmannes bindend zu machen. Der schiedsrichterliche Ausspruch ist von dem Schiedsmanne in ein Protokollbuch einzutragen, u. auf den Grund einer beglaubten Abschrift des daraus mitgetheilten Protokolls kann dann sofort der Antrag auf Execution gestellt werden. Vgl. Puchta, Das Institut der S, Erlangen 1823; von Kettenacker, Über die Vergleichsgerichte, Freiburg 1837; Rumpf, Anleitung zur Amtsführung für die (preußischen) Schiedsmänner, 2. Ausg. Berl. 1839; Schering, Die Verordnung für die Schiedsmänner, ebd. 1841. Über das Bundesschiedsgericht des Deutschen Bundes s. Bundesschiedsgericht.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.