- Proportion
Proportion (v. lat.), 1) Verhältniß; 2) Verhältnißmäßigkeit, Ebenmaß; 3) Proportion des menschlichen Körpers, die Normalgrößen, welche einzelne Theile in Bezug zu den übrigen haben, worauf bes. die Gefälligkeit der äußeren Bildung beruht. Außer den Gesetzen der Symmetrie (s.d.), welche sich hierbei vorzüglich geltend machen, kommen auch gewisse Längen- u. Breitenverhältnisse in Betracht, welche bes. der Zeichner u. Bildner wahrzunehmen hat. So ist ein wohlgewachsener Körper in 10 Gesichtslängen od. (genau 71/2) Kopflängen abzutheilen. Das Gesicht gibt wieder in seiner Länge natürliche Abtheilungen, wovon der Theil von dem Anfang des behaarten Kopftheiles bis zur Nase 1/3, die Nase selbst das andere 1/3, u. der Raum von der Nase bis zum Kinn das letzte 1/3 ausmacht. Von der oberen Grenze des Gesichts bis zum Scheitel rechnet man noch einen gleichen Raum. Der Gesichtslänge entspricht am wohlproportionirten Kopfe eine zweite Linie, welche man sich vom Scheitel zum ersten Halswirbel denkt, so wie die Dimension des Kopfes der Breite nach, vom Ende des einen Ohrknorpels zum anderen, ingleichen die Entfernung des unteren Theiles jedes Ohres vom Scheitelpunkte des Kopfes. Vom Kinn bis zum Anfang des Brustbeines rechnet man 2/3 einer Gesichtslänge, also vom Scheitel bis zur Brust zwei völlige Gesichtslängen. Von der Halsgrube bis zur Herzgrube herab wird die dritte Gesichtslänge gerechnet; ihr kommt die Entfernung der Halsgrube von dem Achselgelenk jeder Seite gleich; die hintere Breite von einer Schulter zur anderen wird 21/2 Gesichtslängen u. die Distanz von einer Brustwarze zur anderen zu einer Kopflänge gerechnet. Die vierte Gesichtslänge reicht von der Herzgrube zum Nabel u. die fünfte von da bis zur Spaltung des Körpers. Hier ist zugleich die Mitte der Körperlänge, obgleich bei einem schlanken Wuchse die Länge des Unterleibes etwa 1/2 Gesichtslänge mehr beträgt. Sonst ist die Entfernung des Nabels von den äußeren Rändern der Hüftknochen seitwärts dieselbe, wie die von der Herzgrube u. der Spaltung der Schenkel. Die Breite des Unterleibes von einem Seitenrande des Hüftbeines zu dem des anderen beträgt also zwei Gesichtslängen. Die Schenkel vom Rumpf bis zu den Knien geben die sechste u. siebente Gesichtslänge, jedes Knie beträgt 1/2 Gesichtslänge, der Unterschenkel aber bis zur Verbindung mit dem Plattfuße kommt wieder zwei Gesichtslängen gleich; die Höhe des letzteren beträgt noch 1/2 Gesichtslänge, so daß die achte bis zehnte Gesichtslänge in den Raum vom oberen Theil des Knies an bis zur Fußsohle begriffen ist. Die Länge des Plattfußes beträgt 12/3 Gesichtslänge od. (der Körperlänge, die Breite des Fußes bei Spaltung der Zehen 2/3 dergl. Den oberen Extremitäten gibt man vier Gesichtslängen, wovon zwei dem Oberarm, zwei dem Vorderarm mit der Hand zufallen; doch sind hierin die Finger nicht begriffen, welche auch 1/2 Gesichtslänge ausmachen. Indessen verliert sich diese bei Ausstreckung der Arme in die Quere in den Gelenken der Achsel u. des Ellenbogens, so daß in dieser Stellung ebenfalls nur zehn Gesichtslängen auf die Distanz von der Spitze eines Mittelfingers zu der des anderen kommen. Die Hand mit den Fingern ist einer Gesichtslänge gleich;[629] ihre Breite, ohne Daumen, befaßt 2/3 der Länge. Der Daumen entspricht in der Länge ungefähr 1/3 einer Gesichtslänge; die Länge des Mittelfingers beträgt die Hälfte der Handlänge. An weiblichen Körpern ist im Allgemeinen der Kopf etwas kurzer, Hals u. Brust länger, die Scheitel kürzer, der vordere Theil der Brust etwas erhabener, der Unterleib, bes. aber die Hüften, breiter, Hände u. Füße schmäler. In der Kindheit sind alle obere Körpertheile größer als die unteren; die Kopflänge eines neugeborenen Kindes ist nur 51/2 bis 5 Mal in der Länge des ganzen Körpers enthalten. Vgl. Carus, Proportionslehre der menschlichen Gestalt, Lpz. 1854; Zeise, Neue Lehre von den Proportionen des menschlichen Körpers, ebd. 1854; 4) (Math.), die Verbindung zweier gleichen Verhältnisse (s.d.) durch das Gleichheitszeichen. Da es arithmetische u. geometrische Verhältnisse gibt, so unterscheidet man auch arithmetische u. geometrische P.; erstere bezeichnet man: a – b = c – d, letztere a : b = c : d (anstatt = steht wohl auch od. , bes. bei französischen Mathematikern) u. liest dies: es verhält sich a zu b wie c zu d. Die vier Größen, aus denen eine P. besteht, also hier a, b, c, d, heißen ihre Glieder, u. man spricht von einem ersten, zweiten, dritten, vierten Glied. Die Glieder 1 u. 4 nennt man äußere, 2 u. 3 innere od. mittlere, 1 u. 3 Vorderglieder, 2 u. 4 Hinterglieder der P., beide letztere Paare heißen auch homologe Glieder. Sind alle vier Glieder verschieden, so heißt die P. eine unterbrochene, sind die beiden mittleren gleich, also a : b = b : c, eine stetige. Die mittleren Glieder einer stetigen P. heißen das Mittel, u. es gibt demnach in der arithmetischen P. ein arithmetisches Mittel od. mittlere Proportionale, u. in der geometrischen ein geometrisches Mittel od. mittlere Proportionallinie, wenn die Glieder Linien sind. Das vierte Glied heißt in einer stetigen P. bezüglich die dritte Proportionale, die dritte Proportionallinie. Das vierte Glied einer unterbrochenen P. heißt die vierte Proportionale, die vierte Proportionallinie. A) Arithmetische P. In jeder arithmetischen P. ist die Summe der äußeren Glieder gleich der der mittleren, z.B. aus 14_– 9 = 25_– 20 folgt 14 + 20 = 9 + 25 = 34, allgemein wenn a – b = c – d, so ist a + d = b + c. Soll die vierte Proportionale gefunden werden, so geschieht dies nach der Formel b + c – a = x, wenn gegeben ist a – b = c – x; das arithmetische Mitlel zwischen den beiden äußeren Gliedern a u. b findet sich durch die Formel: x = (a + b)/2. Dies wird allgemeiner übertragen darauf, daß zwischen mehr als zwei gegebenen Größen das arithmetische Mittel gleich ihrer Summe dividirt durch ihre Anzahl ist. Herleitung anderer P-en aus einer od. mehreren gegebenen: a) durch gleichmäßige Vertauschung der homologen Glieder u. Vertauschung der Verhältnisse; wenn gegeben ist a – b = c – d, dann ist auch richtig a – c = b – d, d – b = c – a u. d – c = b – a; b) durch Addition einer u. derselben positiven od. negativen Größe zu den homologen Gliedern od. denen desselben Verhältnisses, gegeben a – b = c – d, abgeleitet: (a + m) – (b + m) = c – d, (a + m) – b = (c + m) – d, a – (b + m) = c – (d + m), a – b = (c + m) – (d + m); c) durch Addition od. Subtraktion der in gleichen Stellen stehenden Glieder mehrer P-en, z.B. gegeben a – b = c – d,
e_– f = g – h,
14_– 3 = 19_– 8, abgeleitet: (a + e 14)_– b + f + 3) = (c + g + 19)_– (d + h + 8). Solche P. nennt man zusammengesetzte. B) Geometrische P. Das Product aus den beiden mittleren Gliedern ist gleich dem aus den beiden äußeren, wenn die Glieder Zahlen sind (die Rechtecke aus denselben Gliedern sind gleich, wenn letztere Linien sind), z.B. aus 28 : 7 = 16 : 4 folgt 28 . 4 = 7 . 16 = 112, allgemein wenn a : b = c : d, so ist ad = bc. Ist a : b = c : x gegeben, so findet man die vierte Proportionale x durch die Formel x = bc/a; die mittlere Proportionale, wenn a : x = x : b gegeben durch diese: x = √ab nach dieser Bezeichnung nennt man bisweilen die mittlere geometrische Proportionale aus mehr als zwei Größen die sovielte Wurzel, als Größen vorhanden sind aus dem Producte aller. Herleitung anderer P-en aus gegebenen: a) entsprechend oben a), nur: anstatt – zu setzen: b) durch Multiplication der homologen Glieder od. Glieder desselben Verhältnisses mit einer u. derselben Größe, z.B. gegeben: a : b = c : d, abgeleitet: am : bm = c : d, am : b = cm : d, a : bm = c : dm, a : b = cm : dm; c) durch Addition (componendo) od. Subtraction (dividendo) der homologen Glieder, gegeben a : b = c : d, abgeleitet: Componendo (a + c) : (b + d) = a : b = c : d, Dividendo: (a – c) : (b – d) = a : b = c : d; d) durch Multiplikation od. Division der gleichstelligen Glieder zweier od. mehrer gegebener P-en, gegebnen:a : b = c : d
e : f = g : h, abgeleitet: ae : bf = cg : dh.
Diese P. heißt eine zusammengesetzte. Sind die Glieder Linien, so kann die Zusammensetzung nur bis zu drei Factoren gehen, weil es keine vierte Dimension gibt. C) Vier gleichartige Größen bilden eine harmonische P., wenn sich der Unterschied der eisten u. zweiten zum Unterschied der dritten u. vierten verhält, wie die erste zur vierten, also, wenn a : d = b – a : d – c. Auch hier unterscheidet man unterbrochene, wenn alle vier Glieder verschieden, u. stetige, wenn nur drei verschieden sind (a : c = b – a : c – b), b heißt hier das harmonische Mittel. Die Eigenschaften dieser P-en finden mannichfache Anwendung in mehren Zweigen der Naturlehre; vgl. Harmonische Theilung. Außerdem unterscheidet man noch contraharmonische P-en, welche zwischen drei Zahlen, a, b, c, dann stattfinden, wenn der Unterschied zwischen der ersten u. zweiten zu dem zwischen der zweiten u. dritten sich verhält, wie die dritte zur ersten, also wenn: a – b : b – c = c : a; die mittlere contraharmonische Proportionale b zwischen a u. c ist also
5) (Ästh.), ein gewisser auf Zahlen u. Größenverhältnisse beruhender Bezug, in dem die meisten Theile eines Natur- od. Kunstgebildes zu einander stehen, der aber auch in der Anschauung unmittelbar vom Sinne u. zwar in wohlgefälliger Art, aufgefaßt wird.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.