- Rechenkunst
Rechenkunst, 1) so v.w. Arithmetik; 2) dieselbe, jedoch zunächst in der Hinsicht, um mit Zahlen Größenverhältnisse von Gegenständen des gemeinen Lebens auf eine leichte Art u. nach Regeln richtig zu erkennen, wo es also nicht sowohl auf den innern Grund, woraus diese Verhältnisse hervorgehn, als auf gewisse Vortheile u. ein bestimmtes Verfahren ankommt, um auf bequeme, aber zugleich zuverlässige Art zur Einsicht jener Verhältnisse zu gelangen. Ihr geht das Numeriren od. die Zahlenkenntniß überhaupt voraus. Sie selbst aber beginnt mit den vier Species od. Rechnungsarten (Addition, Subtraction, Multiplication u. Division) in ganzen u. gebrochenen, unbenannten u. benannten Zahlen u. enthält die kaufmännischen Rechnungen: Regel de Tri, umgekehrte Regel de Tri, die Regel Quinque u. dieselbe umgekehrt, die Regel Multiplex, die Kettenrechnung, Interessenrechnung, Berechnung des Interusuriums, die Tara-, die Gesellschafts-, die Alligationsrechnung, die Regel Cöci u. Falsi (s.d. a.), ferner Berechnung der Zeit. etc. Vgl. Rechenbuch u. Rechnen. – Wohl mögen Ägyptier, Babylonier u. vorzüglich handeltreibende Nationen, wie die Phöniker, die R., wenn auch nicht gerade erfunden, aber doch bes. ausgebildet u. als Wissenschaft begründet haben, von denen die Erstern sie auch früher auf die Astronomie anwendeten. Unwahrscheinlich ist nicht, daß sich die rohesten Völker der Fünfzahl als Grund ihrer Rechnungen bedienten; die Verdopplung zu 10 ist aber auch alt Homer kennt u. nennt beide. Als Hülfsmittel beim Rechnen bediente man sich, außer der Finger, auch kleiner Steine; nach Erfindung der Schreibkunst wurden hieroglyphische u. alphabetische Zahlzeichen gebräuchlich (s. Ziffer); die Erfindung besonderer Zeichen zum Rechnen wird den Arabern zugeschrieben. Unter den Griechen hat sich Niemand darin bekannt gemacht; erst im Alexandrinischen Zeitalter traten Männer auf, welche sich mit Mathematik im Allgemeinen beschäftigten; speciell über R. schrieb D. ophantos. Dasselbe gilt von den Römern, mit der gemeinen R. beschäftigten sich größtentheils die Sklaven, welche die Privatrechenbücher der Herren hielten. Die Neuern haben die Mathematik so vervollkommt, daß die R. darüber ganz in den Hintergrund trat, bes. trug die Erfindung der Algebra viel dazu bei.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.