Rechtskraft

Rechtskraft

Rechtskraft, die Eigenschaft eines richterlichen Erkenntnisses, wonach dasjenige, was durch das Erkenntniß ausgesprochen wurde, als der eigentliche u. fortan unumstößliche Inhalt des bisher zwischen den Parteien strittig gewesenen Rechtsverhältnisses gilt. Soll die R. bei einem richterlichen Erkenntniß eintreten, so wird dazu im Civilprocesse vorausgesetzt, daß ein Verfahren vorausgegangen sei, in welchem beiden Streittheilen Gelegenheit gegeben war, sich über die zu entscheidende Frage zu erklären, daß ferner das Erkenntniß unter Beobachtung der wesentlich vorgeschriebenen Formen, durch den zuständigen Richter, auch nicht gegen klares Recht u. Gesetz erfolgte u. daß gegen dasselbe weitere ordentliche Rechtsmittel, sei es nach dem Willen der Parteien, indem sie sich freiwillig dem Erkenntniß unterwarfen u. auf weitere Rechtsmittel verzichteten, od. weil das Gesetz selbst weitere Rechtsmittel nicht zuließ, nicht stattfinden konnten. Die Wirkungen der R. bestehen einestheils darin, daß die obsiegende Partei das Recht erhält, nunmehr die obrigkeitliche Anwendung von Zwangsmitteln zum Zwecke der wirklichen Erfüllung der Leistungen, welche der andern Partei durch das rechtskräftige Urtheil auferlegt wurden, verlangen zu können; anderntheils in dem Rechte auf Zurückweisung späterer Ansprüche, welche mit dem Inhalte des rechtskräftigen Urtheils in Widerspruch stehen würden, Der Schutz der ersteren Art wird erlangt durch einfaches Anrufen der Execution od. auch durch die eigens dazu gegebene Actio judicati; zur Erlangung des andern Schutzes dient die Exceptio rei judicatae; vgl. Endemann, Das Princip der R., Heidelb. 1860. Im Criminalprocesse läßt sich von einer R. der Erkenntnisse insofern sprechen, als dieselben auch regelmäßig unabänderlich u. vollziehbar werden, wenn nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen von dem Verurtheilten ein ordentliches Rechtsmittel eingewendet wird, od. die Rechtsmittel erschöpft sind. Doch läßt sich dieser Grundsatz für den Strafproceß nicht so vollständig durchführen, weil manchmal auch nach abgelaufener Nothfrist durch unvermuthet entdeckte neue Thatsachen die Ungerechtigkeit der erfolgten Entscheidung so klar zu Tage kommt, daß man auch gegen das rechtskräftige, vielleicht sogar schon zum Theil vollzogene Erkenntniß noch ein weiteres Rechtsmittel zulassen muß, welches dann auch die Suspension der Strafvollstreckung nach sich zieht. Für die Vollziehung von Todesstrafen ist deshalb nach vielen Landesgesetzen neben dem Eintritt der R. noch eine besondere Bestätigung durch den Landesherrn vorgeschrieben.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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