Strafgewalt

Strafgewalt

Strafgewalt (Strafamt), die Befugniß Strafen zu verhängen u. zu vollziehen. Es liegt in der Natur eines jeden Gemeinwesens, daß, sobald sich dasselbe zu einer gewissen Vollkommenheit herausgebildet hat, in demselben sich zugleich eine S. zur Aufrechterhaltung der Ordnung u. zur Tilgung der vorkommenden Frevel wider das geordnete Zusammenleben ausbildet. Naturgemäß fällt diese S. demjenigen zu, welcher die oberste Gewalt in dem Gemeinwesen besitzt, wenn auch die Ausübung dieser Gewalt anderen Personen u. Behörden übertragen werden kann. Daher fällt in dem kleinsten Gemeinwesen, der Familie, die S. dem Hausvater, als Oberhaupt der Familie zu. Zur höchsten Entfaltung gelangt die S. im Staate. in welchem sie als das Recht gewisse Handlungen als Verbrechen zu erklären u. wider dieselben strafend einzuschreiten ein wesentliches Attribut des Staatsoberhauptes u. zugleich eine der ersten Regentenpflichten bildet. Mit der philosophischen Begründung dieser staatlichen S. u. ihren daraus abzuleitenden Begrenzungen, dem Wesen u. Zwecke der Strafe beschäftigen sich die in sehr verschiedener Weise aufgestellten Criminalrechtstheorien (s.d.). Die Handlung der S. wird jedoch auch in absoluten Staaten der Regel nach nicht durch den Staatsherrscher selbst od. von ihm unmittelbar abhängige Beamte ausgeübt, sondern wie die Handhabung der Rechtspflege überhaupt durch besondere Richterbehörden, welche nach einem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren (Criminal-, Strafproceß) über die Existenz des Verbrechens u. die Strafwürdigkeit des angeschuldigten Verbrechers ein Urtheil abzugeben u. dasselbe dann auch gewöhnlich zu vollziehen haben, vgl. Criminalrecht u. Criminalgericht. Allein auch in anderen Gemeinheiten kann sich eine S. ausbilden. So gibt es bes. eine S. der Gemeindeobrigkeiten, welche sich indessen nach dem Zwecke der Gemeinde meist nur[896] auf die Bestrafung von Übertretungen im localen Interesse gegebener Vorschriften bezieht; ferner der Vorsteher an Lehranstalten über die Schüler derselben zur Ahndung von Übertretungen, welche wider die Disciplin u. Ordnung der Schule sind; der Vorsteher von Corporationen, Behörden etc. über ihre Mitglieder zur Aufrechterhaltung der innerhalb der Corporation, Behörde etc. erforderlichen Ordnung. In gleicher Weise erklärt sich die S., welche sich die Kirche u. zwar in früherer Zeit, als noch das staatliche Leben in minderem Grade ausgebildet war, in ziemlich ausgedehntem Maße anzueignen gewußt hat, s.u. Kirchenzucht u. Kirchenbuße.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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