Bußtage

Bußtage

Bußtage, 1) (Buß- u. Bettage, auch Fasttage, weil man ehedem an denselben fastete), besondere zu gottesdienstlichen Versammlungen verordnete Tage, deren Zweck ist, die Gemeinden auf sittliche Gebrechen aufmerksam zu machen u. zur Besserung zu ermuntern. Man führt den Ursprung der christlichen B. auf das jüdische Versöhnungsfest zurück. Schon in den Christenverfolgungen finden sich Spuren von B-n, u. Theodosius der Gr. verordnete bei einem Erdbeben in Constantinopel, daß das Volk Buße thue. Bei unglücklichen Zeitereignissen[507] ordnete 452 der Bischof Mamertus in Vienne Tage zu öffentlichen gemeinsamen Gebeten um Abwendung derselben an, z.B. gegen Hagel (Hagelfeier), u. eine Synode in Orleans im 6. Jahrh. verordnete eine jährliche Feier dieser Rogationes od. Supplicationes, u. zwar wie Mamertus Montag, Dienstag u. Mittwoch vor Himmelfahrt. Bald wurden diese in Gallien allgemein üblich u. gingen auch nach Spanien über, wo sie nach Pfingsten gefeiert wurden, um der alten Regel der Kirche, zwischen Ostern u. Pfingsten nicht zu fasten, treu zu bleiben. Die Päpste Gregor IV. u. Martin I. im 7. Jahrh. befahlen für bestimmte Zeiten des Jahres B., außer denen noch andere in allen folgenden Jahrh. in den verschiedenen Ländern u. Orten bei traurigen u. unglücklichen Zeitereignissen, die man für eine Strafe Gottes hielt, angeordnet wurden. Noch jetzt sind sie als Bitttage od., wenn sie mit Processionen verbunden sind, Bittgänge (Supplicationes, Litaniae) in der Katholischen Kirche gewöhnlich; die ordentlichen sind: der größere Bittgang am St. Marcusfeste (25. April) u. die drei kleineren die drei Tage vor Christi Himmelfahrt. Bei den Protestanten stritt man Anfangs über die Beibehaltung der B. In dem protestantischen NDeutschland wurde das moderne Bußtagswesen seit der Mitte des 17. Jahrh. eingerichtet. Zuerst wurden für ganze Territorien wegen öffentlicher Calamitäten B. ausgeschrieben (Lübeck, Königreich Sachsen); dann wurden diese B. alljährlich u. regelmäßig ausgeschrieben; gegen Ende des 17. Jahrh. wurden allenthalben feststehende regelmäßige B.- u. Bettage angeordnet; bald monatliche (Sachsen-Altenburg, Oldenburg), bald vierteljährliche (Preußen, Sachsen, Mecklenburg, Braunschweig etc.), u. zwar letztere an den Quatembertagen. Seit Ende des 18. u. Anfang des 19. Jahrh. wurde die Zahl der B., mit Ausnahme Württembergs, welches seine ursprünglichen monatlichen B.- u. Bettage beibehalten hat, theils vermindert, theils wurden sie auf andere gottesdienstliche Tage verlegt, u. gegenwärtig haben alle deutschen Kirchen nur noch einen od. zwei B. jährlich. Im Weimarischen sind zwei B., am Charfreitage u. 1. Advent; im Altenburgischen am Charfreitag u. Freitag vor dem 2. Advent; in Preußen waren bis zu Friedrich dem Gr. vier, jetzt einer, Mittwoch nach Jubilate (auch werden hier außerordentliche Provinzial-B. bei großen Calamitäten ausgeschrieben, z.B. 1854 nach der Überschwemmung in Schlesien); in Kurhessen seit 1814 einer am 1. Nov. In der englischen Hochkirche werden sie von der Regierung im Einverständniß mit dem Primas von England bei außerordentlichen Landescalamitäten u. Unfällen, so bei Seuchen, in Hungersnöthen (z.B. 1847 in Irland), Kriegszeiten (so 1854 nach der Kriegserklärung an Rußland u. 1857 nach dem Ausbruch der Revolution im britischen Ostindien) im ganzen Reiche angeordnet. Die Presbyterianer in Schottland dagegen haben jährliche B. In der Schweiz fällt der Bußtag auf einen Sonntag vor Advent. Das Anschlagen der Glocken während des Bußgebetes nach der Predigt sollte wohl die nicht im Gotteshause Gegenwärtigen zum Gebete auffordern. Die Liturgie weicht hin u. wieder von der anderer Sonntage ab, indem sonst überall an manchen Orten u. zum Theil noch jetzt die Litanei gebräuchlich ist. In mehreren Ländern sind bes. vorgeschriebene Texte zur Predigt (Bußtagstexte). Die Juden hatten zum Neujahr einen großen B. u. hofften an demselben von Gott Befreiung der Strafen zu erlangen. Sie bereiteten sich mehrere Tage durch besondere Gebete u. Gebräuche dazu vor, u. die Bußübungen dauerten 10 Tage. Der in diese fallende, mit Fasten verbundene Sabbath (Bußsabbath) wurde etwas verschieden von anderen gefeiert; 2) (Forstw.), so v.w. Waldbußtage.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Bußtage — Bußtage,   Bettage, Religionsgeschichte: in den Religionen bestimmte, der (öffentlichen) Buße gewidmete Tage. Bereits in der römischen (feriae piaculares) und jüdischen Religion (Jom Kippur) verbreitet, wurden die Bußtage unter Theodosius des… …   Universal-Lexikon

  • Bußtage — (Fast , Buß und Bettage), dem Gottesdienst gewidmete Tage mit dem besondern Zweck, die Kirchengemeinden auf ihre sittlichen Notstände aufmerksam zu machen. Man unterscheidet außerordentliche, für besondere Fälle angeordnete B. (dies… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Bußtage — Bußtage, von der Landesobrigkeit festgesetzte Tage, die durch gottesdienstliche Feier zur Einkehr und Buße veranlassen sollen, in den meisten evang. Landeskirchen Deutschlands der Mittwoch vor dem letzten Trinitatissonntag (in Sachsen außerdem… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Buss- und Bettag — Der Buß und Bettag in Deutschland ist ein Feiertag der evangelischen Kirche, der auf Notzeiten zurückgeht. Er wurde im Lauf der Geschichte für besondere Anliegen angesetzt, aber oft nicht am selben Datum. Im 20. Jahrhundert wurde er wie auch… …   Deutsch Wikipedia

  • Buß- und Bettag — Der Buß und Bettag in Deutschland ist ein Feiertag der evangelischen Kirche, der auf Notzeiten zurückgeht. Er wurde im Lauf der Geschichte für besondere Anliegen angesetzt, aber oft nicht am selben Datum. Im 20. Jahrhundert wurde er wie auch… …   Deutsch Wikipedia

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  • Feste [2] — Feste (v. lat. festum, dies festus), Tage, die zur Ehre einer Gottheit oder Person oder zum Gedächtnis wichtiger Begebenheiten unter Einstellung der alltäglichen Geschäfte mit gewissen Feierlichkeiten begangen werden. Die ersten religiösen F.… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Busstage — oder Buß , Bet und Fasttage nennt man wegen allgemeiner Landübel angeordnete kirchliche Feiertage. Schon die Heiden stellten bei Landplagen Bettage an, um die Götter zu versöhnen. Die Juden feierten einen großen Bußtag unter dem Namen lange Nacht …   Damen Conversations Lexikon

  • Jom Kippur — Jom Kip|pur 〈m.; ; unz.〉 = Versöhnungstag [<hebr. yom „Tag“ + kippur „Buße“] * * * Jom Kip|pur, der; [hebr. yôm kippûr = Tag der Versöhnung]: höchster jüdischer Feiertag als letzter der 10 mit dem Neujahrstag einsetzenden Bußtage;… …   Universal-Lexikon

  • Freitagsopfer — Kreuzigung Christi. Missale des Konstanzer Bischofs Hugo von Hohenlandenberg Mit Freitagsopfer wird in der römisch katholischen Kirche jedwede Form bezeichnet, durch eine besondere Lebensgestaltung an diesem Wochentag der Leiden und des Todes… …   Deutsch Wikipedia

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