Niesen [1]

Niesen [1]

Niesen (Sternutatio), in seinem gewöhnlichen Vorkommen das Wohlsein nicht störendes, ihm sogar förderliches Phänomen. Auf die Inspiration folgt ein kurzer, wiewohl oft kaum bemerkbarer Zeitraum, in welchem, unter Zusammenziehung der Stimmritze, durch Anlegen der Zunge an den Gaumen, die eingeathmete Luft in der Lunge zurückgehalten; dann aber durch eine Art von convulsivischer Zusammenziehung des Zwerchfells u. der übrigen beim Ausathmen thätigen Muskeln, der Widerstand, welchen die geschlossene Stimmritze u. die Zunge der eingeathmeten Luft entgegenstellt, besiegt u., unter gewaltsamer Ausstoßung dieser Luft, Brust, Unterleib, Kopf u. Hals dadurch merklich erschüttert, in der Nase stockender u. anklebender Schleim auf mechanischem Wege gelöst u. auch durch den Mund gewöhnlich etwas Speichel sprühend ausgestoßen wird. Das N. ist eigentlich eine Modification des Athmens, eben so wie der Husten, nur daß beim N. die Explosion der Luft aus der Lunge nicht so, wie bei diesem, der Willkür unterworfen ist, auch mehr durch die Nase, als den Mund u. mit mehr Heftigkeit u. einem eigenen Tone erfolgt. Immer geht dieser Explosion eine tiefe, bes. durch den Mund bewirkte Inspiration vorher, u. diese selbst instinctartig durch das Gefühl eines Kitzels od. Prickelns veranlaßt, welcher in der Schleimhaut der Nase, bes. in dem hinteren Theile der Nasenhöhle, empfunden wird. Was daher diese reizt, wie bes. Schnupftabak bei daran nicht gewöhnten Personen, od. andere Pflanzenstoffe (Niesemittel), od. auch eigene Krankheitsstoffe, wie namentlich bei gewöhnlichem Schnupfen, bewirkt N. Aber auch Reize entfernter Theile, welche consensuell (durch Nervenverbindung) auch auf die Nasenhaut sich verbreiten, erregen od. befördern das N. So erfolgt N., wenn man Reiz zum N. empfindet, schneller u. leichter, wenn man in ein helles Licht sieht, od. auch bei reizbaren Personen auf Reize im Unterleibe, wie z.B.[946] von Würmern. Ist der Reiz durch einmaliges N. nicht ganz beseitigt, so folgt häufig auch, in kurzem Zeitraume darauf, noch ein zweites, drittes u. öfteres N. Es fließen, bes. bei wiederholtem N., unter demselben auch durch die Schleim absondernden Organe der Nase u. des Halses noch mehr Feuchtigkeiten, auch Thränen, reichlicher zu, wodurch die Abstumpfung des Reizes befördert wird. Durch den Willen kann das N. nur, so lange der Reiz schwach ist, unterdrückt, od., indem man nicht durch geflissentlich starkes Einathmen es unterstützt, aufgehalten werden; auch kann man die Heftigkeit der Explosion dadurch, daß man den Luftkanal im Munde zeitig öffnet, bedeutend mäßigen u. selbst auf ein sogen. stummes N. beschränken. Das eigene Gefühl von Ermunterung u. lebhafter Anregung, welches eine Folge der allgemeinen Erschütterung der Brust- u. Unterleibs organe ist, welche bes. auch einen lebhafteren Umlauf des Blutes zur Folge hat, hat wahrscheinlich (schon zu Aristoteles Zeiten) die Sitte herbeigeführt, einem Niesenden Glück, od. wie jetzt gewöhnlich, daß es ihm zur Gesundheit gereichen möge, zu wünschen, wozu noch kommt, daß während häufig Fieberkranke nicht niesen, wenn dann das N. wiederkehrt, dies unter anderen Zeichen auch der Zustand der Reconvalescenz andeutet. Dagegen wurde in einer Pestepidemie (Niespest), im 6. Jahrh. es für eine Andeutung des drohenden Todes erachtet, wenn die Kranken niesten. Schon Neugeborene niesen, was ihnen bes. zu kräftiger Entwicklung der Lunge u. zur Förderung des Blutumlaufs gereicht. Auch Säugethiere, deren Lungenbau mit dem der Menschen übereinstimmt, niesen häufig, zumal auf eingebrachte Nasenreize, od. bei Verschleimungen der Nase.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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