- Einhorn [1]
Einhorn, 1) (Monoceros), bei den Alten vierfüßiges, pferdeartiges, einhufiges Thier, das auf der Stirn ein langes, gerades, gewundenes Horn habe, sehr rasch, wild u. unbändig sei, Menschen, denen es begegne, tödte, von einer reinen Jungfrau sich aber fangen u. gängeln lasse. Die vollständigste Beschreibung des E-s bei den Alten findet sich bei Älian (Hist. animal. 16, 20), es ist dies das Indische E. (Kartazonon); dasselbe erreichte erwachsen die Größe eines Pferdes, hatte eine Mähne, sah braun aus, hatte ungegliederte Füße wie der Elephant, war aber sehr schnell, der Schwanz war wie der eines Schweines, das Horn zwischen den Augenbrauen war gewunden, ging in eine Spitze aus u. sah schwarz, die Stimme laut u. mißtönend; das Thier war scheu u. lebte einsam, gegen seine Art, selbst gegen die Weibchen, außer in der Begattungszeit, feindselig, aber gegen andere Thiere freundlich; gezähmt konnte es nur in der Jugend werden. Einige Naturforscher haben die Existenz desselben aus osteologischen Gründen bezweifelt, da die Hörner Fortsetzungen der beiden Stirnknorren seien, von denen jeder auf einem der beiden Stirnbeine sitze, die außen gelegenen Stirnknorren aber unmöglich in einem einzigen sich vereinigen können, u. haben daraus gefolgert, daß ein einhorniges Thier, dessen Horn in der Mitte der Stirn stehe, eine Unmöglichkeit sei. Indeß dieser Einwand ist widerlegt durch die ebenfalls lange Zeit fabelhafte Giraffe, welche außer zwei seitlich auf den Stirnknorren stehenden Hörnern noch ein drittes kleineres auf der Mitte des Stirnbeines hat. Nachrichten über die Existenz des E-s in Afrika u. Asien sind durch neuere Reisende veröffentlicht worden; v. Katte erfuhr 1836 in Habesch von den Eingeborenen, daß an einigen Orten des Landes, bes. in den Gebirgen von Narva u. Godscham, sich das E. finde; es habe die Größe eines Esels, Hufe u. Gestalt eines Pferdes, sei von Farbe grau u. trage mitten auf der Stirn ein starkes Horn, es sei übrigens scheu u. man könne ihm nur sehr schwer nahen, es halte sich an manchen Orten in großen Heerden auf u. richte zuweilen große Verwüstungen an. Fresnel behauptete, auf die Aussage von Einwohnern Centralafrikas gestützt, 1844 das Dasein des Thieres im Lande Denka, südlich von Darfur, am oberen Laufe des Weißen Nil. Nach Fresnels Beschreibung ist das E., von den Arabern Ab-Karn genannt, dem Büffel ähnlich, 6 Fuß hoch, 5 Fuß lang, 4 Fuß breit, die Beine massiv u. 11 Fuß lang, die Füße abgerundet u. vorn mit einer gespaltenen Nebenzehe, Schwanz kurz, glatt, am Ende mit einem Büschel kurzer Haare, die sehr dicke, aschgraue Haut nackt, aber vom Nacken bis in die Mitte des Rückens geht ein Streifen Haare, das bewegliche Horn sitzt an der tiefen Gegend der Stirn zwischen den Augen, ist aschgran u. oben roth u. dient dem E. als Waffe, womit es Feinde durchbohrt u. in die Luft schlendert; außer dem Horn sind am Kopfe in der Nähe der kleinen Ohren zwei seitliche Hervorragungen, die Schnauze wie die des Ebers. 1852 gab der deutsche Naturforscher u. Reisende I. W. v. Müller neue Nachrichten, die er in Kordofan von Leuten gesammelt hatte, welche das Thier mit seinem einen u. beweglichen Horn gesehen u. von seinem Fleisch gegessen hatten. Nach Brouziere (in der Revue de l'Orient 1847), welcher Aussagen von Missionären folgt, lebt es auch in Siam; der englische Naturforscher Mac Carthy erklärt (ebd.), auf Autorität des Reisenden Prinsap, welcher Felle gesehen habe, das Dasein des E-s im Himalaya für unzweifelhaft; von Huc u. Gabet wurde das E. nach den, von den Tibetanern erhaltenen Nachrichten als eine Art Antilope beschrieben, welche ein unsymmetrisch auf dem Kopfe sitzendes Horn habe. Indeß ist die Existenz des E-s auch durch diese Berichte noch nicht als vollkommen erwiesen anzusehen, auch können Irrthümer durch Berichte od. mangelhafte Untersuchung der Hörner entstanden sein; so erhielt Herm. Schlagintweit in Nipal die Hörner eines wilden Schafes, die wie Ein in der Mitte des Schädels befestigtes Horn erschienen, in der That aber bestanden sie aus zwei verschiedenen, in einer gemeinschaftlichen Hornscheide eingeschlossenen Theilen, etwa wie zwei Finger, welche in Einen Handschuhfinger gesteckt sind. In der Jugend hat das Thier zwei Hörner, die aber so nahe zusammenstehen, daß sie einander fast berühren u. später mit einander verwachsen. Die angeblich versteinerten Einhörner sind Knochen u. Stoßzähne von Mammuth u. anderen urweltlichen Thieren. Vgl. v. Müller, Das E. vom geschichtlichen u. naturwissenschaftlichen Standpunkte, Stuttg. 1852; 2) so v.w. Einhörniges Nashorn, s.d.; 3) (Präparirtes E.), sonst als Unicornu praeparatum marinum u. fossile officinell; ein Becher, aus einem solchen Horn gearbeitet, sollte hinein gegossenes Gift anziehen, auch selbst ein sehr kräftiges Gegengift sein. Es wurde daher sonst höher als Gold geschätzt. Jetzt hat man sich lange von dem Ungrund dieser Behauptung u. daß die angeblichen E-er blose Narwalzähne sind, überzeugt u. braucht das angebliche E. nicht mehr; 4) so v.w. Einhornfisch; 5) so v.w. Einhornkäfer; 6) Raupe der Bombyx potatoria.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.