- Mandatsproceß
Mandatsproceß, das summarische Verfahren, worin eine richterliche Verfügung vom Gericht, auf des Klägers Vorbringen, ohne den Gegentheil gehört zu haben, erlassen u. diesem mit od. ohne Androhung einer Strafe eine Handlung untersagt (Mandatum inhibitorium), od. anbefohlen (M. praeceptivum), od. eine unternommene wieder aufgehoben wird (M. cassatorium). Diese richterlichen Mandata werden eingetheilt in unbedingte u. bedingte. Unbedingte Mandate (M. sine clausula) sind dann vorhanden, wenn der Richter dem Beklagten nichts übrig läßt, als entweder dem erlassenen Gebot binnen einer gesetzten Frist Gehorsam zu leisten od. binnen gleicher Frist Einreden des erschlichenen Befehls (Exceptiones sub- et obreptionis) beizubringen, um zu zeigen, daß der Richter durch Auslassung wahrer wesentlicher Umstände od. durch Anführung falscher Thatsachen hintergangen worden sei. Auch sind andere auf das Wesen des Processes gerichtete u. liquide zerstörliche Einreden zulässig. Verwerfliche u. unliquide Einreden werden im Inhäsivmandat abgewiesen; außerdem aber erfolgt Abweisung des Impetranten (Klägers), od. nach erfolgter Instruction der Sache, Bestätigung des Mandats (Sententia paritoria, Gelebungsurtel). Daher Gelebungsfrist, der Zeitabschnitt od. Termin, in welchem der Beklagte Befolgung des Mandats zu leisten od. nachzuweisen hat (Terminus ad docendam paritionem). Bedingte Mandate (Mandata cum clausula) dagegen sind solche Befehle, bei welchen der Richter dem Beklagten gestattet, alle der Natur der Sache nach zulässigen Ausflüchte vorzuschützen u. die Gründe anzugeben, um deren willen der Befehl gar nicht hätte erlassen werden sollen. Besteht endlich die eingeklagte Thatsache aus mehrern, ihrer Natur nach trennbaren Punkten, deren einige zu einem unbedingten, andere zum bedingten Gebote geeignet sind, so muß auch der Richter theils bedingt, theils unbedingt befehlen, d. h. ein gemischtes Mandat (M. mixtum) erlassen. Gemeinrechtlich sind diese Fälle, wo solche Mandate erlassen werden: a) wenn die Klage durch beigefügte öffentliche Originalurkunden vollkommen erwiesen u. Einreden nicht wohl zu befürchten sind; b) wenn die Sache u. Handlung, wegen welcher der Befehl nachgesucht wird, an sich selbst verboten u. für unrechtmäßig u. strafwürdig zu erkennen ist (Factum nullo jure justificabile); c) wenn den Kläger außerdem ein unwiederbringlicher Nachtheil treffen würde (Damnum irreparabile); d) wenn die Handlung od. Sache wider den gemeinen Nutzen wäre (Detrimentum reipublicae), u. e) wenn sie keinen Verzug duldet (Periculum in mora). Der M. wurde bes. bei Wegepolizei, Bausachen u. dgl. angewendet, hat sich aus dem römischen Interdictenverfahren gebildet u. ist in neuerer Zeit theils nur noch in der Form des Inhibitivprocesses (s.u. Inhibiren) erhalten, theils ganz aufgehoben worden.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.