Hydrodynamik

Hydrodynamik

Hydrodynamik (v. gr.), 1) die Lehre von den Gesetzen der Bewegung der Flüssigkeiten. Sie behandelt vorzüglich die Geschwindigkeit, mit welcher die Flüssigkeit durch die Öffnung eines Gefäßes bei gewisser Druckhöhe ausströmt, die daraus folgende Ausflußmenge u. die Wirkung, welche während des Ausflusses von der übrigen Flüssigkeit gegen das Gefäß, falls dasselbe beweglich ist, ausgeübt wird so wie die Wirkung, welche durch den Stoß der bewegten Flüssigkeit gegen feste Körper hervorgebracht wird. Die Ausflußgeschwindigkeit ist nach dem Toricellischen Theorem = √2 gh, wobei g das Maß der Schwere, also circa 30 Par. Fuß u. h die Höhe des Flüssigkeitsspiegels über der Ausflußöffnung ist; sie ist also eben so groß, wie die Geschwindigkeit, welche ein freifallender Körper erlangt hat, wenn er durch einen Raum gefallen ist, welcher gleich dem Abstande der Öffnung von der Oberfläche der Flüssigkeit ist. Darnach bestimmt sich die theoretische Ausflußmenge durch das Product dieser Ausflußgeschwindigkeit u. des Flächeninhaltes der Öffnung. Doch zeigt der Versuch immer eine kleinere Ausflußmenge in Folge der Reibung u. in Folge des Umstandes, daß der Strahl bald hinter der Öffnung sich einigermaßen verengt (Contractio venae). Die Rückwirkung der ausströmenden Flüssigkeit auf das Gefäß besteht darin, daß dasselbe sich nach der, dem Strahle entgegengesetzten Richtung umdreht, wenn es um eine mittlere Achse drehbar ist. Denn da bei voll ständigem Verschluß des Gefäßes der Seitendruck der Flüssigkeit gegen die Gefäßwände sich nach allen Seiten aufhebt, so bleibt, nachdem an einer Seite die Wand geöffnet ist u. die Flüssigkeit hier ausströmen kann, an dem gegenüberliegenden Wandstück ein entsprechender Druck übrig. Hierauf beruht das Segnersche Wasserrad, so wie die Schottischen Reactionsturbinen. Der Stoß der bewegten Flüssigkeit gegen feste Körper wird zur Bewegung unterschlächtiger Wasserräder angewendet; der Effect ist dabei am größten, wenn die Geschwindigkeit des Rades halb so groß ist, als die Geschwindigkeit, welche der Höhe des Gefälles entspricht, so daß also auch das Wasser mit der Hälfte seiner Geschwindigkeit abfließt u. die Hälfte des absoluten Maximums des Effectes verloren geht; da aber durch die Adhäsion des Wassers an den Wänden des Gerinnes, durch Reibungswiderstände u. durch seitliches Abfließen immer noch ein Theil der Kraft verloren geht, so findet man auch bei sorgfältig gebauten unterschlächtigen Wasserrädern den Effect nicht größer als 0,3; des absoluten Maximums des Effectes, welches letztere dann erreicht[660] würde, wenn alle Kraft des Gefälles auf das Rad überginge u. die Flüssigkeit dann ohne Geschwindigkeit abflösse Den Grund zur H. legte B. Castelli 1640, indem er das Gesetz der Geschwindigkeit untersuchte, mit welcher das Wasser aus engen Gefäßöffnungen läuft; er glaubte, die Geschwindigkeit sei der Druckhöhe proportional. Toricelli erkannte dann, daß sich die Geschwindigkeiten wie die Quadratwurzeln der Wasserhöhen verhalten, was Mariotte bestätigte. Das größte Verdienst um die H. erwarben sich aber Joh. u. Nic. Bernoulli, indem sie die Gesetze der Bewegung des Wassers u. bes. deren Beschleunigung durch die Integralrechnung entwickelten. Euler u. Kästner, später Laplace u. Poisson ertheilten ihr noch höhere Vollendung; 2) (Med.), Lehre von den Kräften u. von der Bewegung der Säfte des thierischen Körpers.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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