Kopfmuskeln

Kopfmuskeln

Kopfmuskeln (Musculi capitis) I. Muskeln, welche Theile des Kopfes sind u. organisch zu ihm gehören. A) Am Schädel: Stirnmuskeln (M. frontales), auf jeder Hälfte der Stirn einer, entspringen dicht neben einander am oberen Rande der Augenhöhle, dem Nasenfortsatz des Oberkiefers, der Nasenwurzel, breiten sich mit ihren Fasernbündeln bis zur Mitte der Stirn, ja bis zum Scheitel aus u. verlieren sich zwischen dem Hautgewebe u. bei Sehnenhaube. Sie ziehen die behaarte Haut herabwärts, runzeln die Stirn u. ziehen die Haut gegen den inneren Augenwinkel u. über der Nasenwurzel zusammen. Die Augenbrauenrunzler, s.u. Augenbrauen; die Hinterhauptsmuskeln, s.d.; die Schläfemuskeln, s. Kaumuskeln; Heber des Ohrs, s. Ohrmuskeln unt. Ohr; Vorzieher des Ohrs, s. ebd.; Zurückzieher des Ohrs, s. ebd. B) Im Gesicht: Schließmuskel der Augenlider (M. orbicularis palpebrarum), s. Auge 1) H) b) aa). Thränensackmuskel (M. sacci lacrymalis, s. Tensor tarsi Horneri), kleiner Muskel, zwischen der Leiste des Thränenbeins u. der inneren Commissur der Augenlider. Augenlidheber, s. Auge 1) H) b) bb). Gerade u. schiefe Augenmuskeln, s. Auge 1) F). Heber der Oberlippe (M. levator labii superioris alaeque nasi), entspringt vom oberen Theil des Nasenfortsatzes des Oberkiefers, wo er vom Ringmuskel der Augenlider bedeckt ist, u. geht zur Haut des Nasenflügels u. der Oberlippe, indem er sich in zwei Portionen spaltet. Beide zusammenwirkend erweitern die Nasenlöcher u. die Mundspalte, einer allein bewirkt das Nasenrümpfen. Zusammendrücker des Nasenflügels (M. compressor alae nasi s. narium), entspringt in der Gegend des ersten Backenzahnes, breitet sich nach oben strahlenförmig zum Theil bis zum Rande der Nasenlöcher, zum Theil bis zum Stirnmuskel, endigt sich von beiden Seiten, in einer den Rücken der Nase bedeckenden Aponeurose. Er zieht den knorpeligen Theil der Nase zurück, die Nasenflügel nach außen. Niederzieher des Nasenflügels (M. depressor alae nasi), entspringt neben dem Jugum alveolare des Eckzahnes, endigt sich unten am Nasenflügel, welchen er herabzieht u. so das Nasenloch verengert. Niederzieher der Nasenscheidewand (Depressor septi narium), eigentlich die obere Spitze des Folgenden, heftet sich an den unteren Rand der beweglichen Nasenscheidewand. Ringmuskel des Mundes (M. orbicularis s. Sphincter oris), besteht aus, zwischen der äußeren u. inneren Haut gelegenen, kreisförmig den ganzen Mund umgebenden, den wesentlichsten Theil der Lippen ausmachenden Muskelbündeln, steht mit den übrigen Mundmuskeln in genauer Verbindung u. Wechselwirkung, spitzt, für sich allein wirkend, den Mund, vermittelt, in Verbindung der folgenden acht Muskeln, alle verschiedenen Bewegungen der Lippen. Hebemuskel der Oberlippe (Levator labii superioris proprius), geht von dem unteren Augenhöhlenrand zur Oberlippe. Kleiner Jochmuskel (M. zygomaticus minor), kleiner, dünner, im Fette der Wange verborgener Muskel, geht von der Gesichtsfläche des Jochbeins zum Mundwinkel. Der große Jochmuskel, hat mit voriger gleichen Ursprung u. Ansatz, ist dicker als dieser u. hebt wie er u. der folgende den Mundwinkel. Hebemuskel des Mundwinkels (Levator anguli oris), entspringt aus der Grube des Oberkiefers, geht zum Mundwinkel. Herabzieher des Mundwinkels (Depressor anguli oris s. triangularis menti), entspringt in der Mitte des unteren Randes des Unterkiefers u. geht, schmäler werdend, zum Mundwinkel. Herabzieher der Unterlippe (Depressor labii inferioris, Quadratus menti), heftet sich an den unteren Rand des Kinns, geht zur Unterlippe. Schneidezahnmuskeln (M. incisivi Cowperi), zwei obere u. zwei untere, entspringen am Zahnrande der Schneidezähne, haben die Lippenbändchen der oberen u. unteren Lippe unter sich, sind mit der inneren Haut der Lippen überzogen, endigen sich in den Ringmuskel an der Ober- u. Unterlippe, ziehen erstere nach unten, die letzteren nach oben, beide gegen das Zahnfleisch. Hebemuskel des Kinns (Levator menti), entspringt von einer Vertiefung des Unterkiefers unterhalb des Eckzahns; die von beiden Seiten vereinigen sich mit einander u. mit den benachbarten Muskeln, verweben sich mit der Haut des Kinns, welche hebt u. gegen den Unterkiefer andrückt, so daß ein Grübchen im Kinn entsteht; fehlt bisweilen. Backenmuskel, s. Backen. Masseter, äußerer, innerer Flügelmuskel, s. Kaumuskeln. Kappenmuskel (M. cucullaris s. trapezius), heftet sich an die obere halbkreisförmige Linie u. die äußere Gräthe des Hinterhauptbeins, an das Nackenband u. alle Dornfortsätze der Brustwirbel, an die Gräthe des Schulterblattes, das Acromium u. das Acromialende des Schlüsselbeins etc.

II. Die zur Bewegung im Ganzen dienenden Muskeln. In dieser Hinsicht werden nachstehende, der Lage nach von hinten nach vorn auf einander folgende (sämmtlich paarige) Muskeln hierher gerechnet. A) Streckmuskeln: a) als Hauptmuskeln: aa) der Kopfbauschmuskel (Splenius capitis), sonst mit dem Halsbauschmuskel (s.u. Halsmuskel 2) a) als Ein Muskel betrachtet, mit ihm zur zweiten Schicht der Rückenmuskeln gehörig; geht gewöhnlich vom Dornfortsatze des letzten Halswirbels, dann vom Nackenbande (s.d.) neben den Dornfortsätzen des sechsten bis dritten Halswirbels aus, aufwärts u. auswärts u. bekommt seinen oberen Ansatz an dem hinteren Theile des Zitzenfortsatzes des Schläfebeins (s.d.) u. von hier an, an der oberen halbkreisförmigen Linie des Hinterhauptbeins (s.d.); bb) der zweibäuchige Nackenmuskel (Biventer cervicis), mit den beiden folgenden zur dritten Schicht der Rückenmuskeln gehörig; cc) durchflochtene Muskel (Complexus), eigentlich der äußere Theil des vorigen, zu welchem jener auch früher gerechnet wurde; dd) Nackenwarzenmuskel (M. trachelo-mastoideus), neben vorigem auswärts, aber weit schwächer, eigentlich als ergänzender Theil des Quernackenmuskels (s. Halsmuskeln 2) b) aa) anzusehen; kommt meist mit sechs od. sieben Ansätzen von den Querfortsätzen der vier oberen Brustwirbel u. des unteren Halswirbels u. hat ebenfalls an dem Zitzenfortsatze seine obere Befestigung. Diese [707] Muskeln sind eigentlich ein zusammengehöriger (daher auch unter sich verwachsene) Streckapparat für den Kopf, welchen sie in vereinter mäßiger Wirkung, unter Beihülfe des Kappenmuskels (s. Nackenrückenmuskel), aufrecht erhalten, od. auch, wenn er gebeugt war, gerade richten, wobei ihnen aber auch die streckenden Halsmuskeln zu Hülfe kommen, wo dann (bes. unter Hülfe des Kappenmuskels) ein Aufwärtsschauen mit dem Gesicht bewirkt wird. Wirken dies: Muskeln nur aus Einer Seite, so wird der Kopf hinterwärts schief gezogen. b) Unterstützen als Streckmuskeln wirkt dann auch ein Apparat kleinerer, in der Tiefe des Nackens versteckter Muskeln, die zur vierten Schicht der Rückenmuskeln gehören. Sie können sämmtlich als Ergänzung od. Wiederholungen tiefer Rücken- u. Halsmuskeln angesehen werden. Namentlich gehören hierher: aa) u. bb) die beiden hinteren geraden K. (M. recti capitis posteriores), welche als die beiden oberen Zwischendornmuskeln des Nackens zu betrachten sind, größerer (M. r. c. major s. Epistrophicus capitis), welcher von der oberen Fläche des Dornfortsatzes des Epistropheus (s.d.) aus schief zur unteren halbkreisförmigen Linie des Hinterhauptbeins aufsteigt, u. kleinerer (M. r. c. minor s. Atlanticus capitis posterior internus), der, vom vorigen bedeckt, vom Hinteren Höcker des Atlas, welcher dir Stelle des Dornfortsatzes vertritt, unterhalb dem vorigen am Hinterhauptsbein sich ansetzt; cc) u. dd) die beiden schiefen K. (M. obliqui capitis), nämlich ebenfalls ein größerer (M. o. c. major s. Epistrophicus atlantis), tiefer liegend, seiner Befestigung, Richtung u. Wirkung nach dem Kopfbauschmuskel entsprechend, auch als eine (constante) Fortsetzung u. stärkere Entwickelung der meist vorhandenen überzähligen Zwischendornmuskeln des Nackens zu betrachten ist; kommt von der Seitenfläche des Dornfortsatzes des Epistropheus u. setzt sich an der Hinteren Fläche des Querfortsatzes des Atlas an, gehört also nur in so fern zu den K, als der Atlas ein mit dem Kopf zugleich beweglicher Untertheil desselben ist, u. in dieser Beziehung auch zu ihm (nicht zum Halse) gerechnet werden kann; ein kleinerer (M. o. c. minor, auch Atlanticus capitis posterior externus). höher liegend, der als oberste Zacke des vieltheiligen Rückgratsmuskels, od. auch als ein Theil de obersten Zwischenquermuskels des Nackens, od. auch als der obere Hintere Theil des zweiten Zwischendornmuskels des Nackens zu betrachten ist u. an der oberen Fläche der spitze des Querfortsatze Z des Atlas, in entgegengesetzter Richtung mit der des vorigen, zum äußeren Theil der rauhen Fläche zwischen den beiden halbkreisförmigen Linien des Hinterhauptbeins aufsteigt; wirken beide Muskeln nur einseitig, o tragen sie zur Drehung des Kopfs bei. B) Beugemuskeln Zu diesen macht a) der seitliche gerade K. (M. rectus capitis lateralis, auch Atlanticus lateralis) nur den Übergang; er gehört ebenfalls den kleineren tieferen K. an, ist der kleinste unter ihnen. u. kann als der oberste Zwischenquermuskel des Rückens, od. als ein Theil desselben angesehen werden kommt von oberen Theil des Querfortsatzes des Atlas u. setzt sich oberhalb vor dem Gelenkfortsätze des Hinterhauptbeins an. Bei einseitiger Wirkung beugt er den Kopf etwas vorwärts zur Seite; bei gemeinschaftlicher Wirkung aber trägt er bei, den Kopf auf dem Atlas fest zu halten. b) u. c) die beiden vorderen geraden K. (M. recti capitis anteriores), die letzten der gedachten tiefen, das Kopfgelenk umgebenden Muskeln, fallen dagegen völlig der Beugeseite zu: der eine kleinere (M. r. c. minor, auch Atlanticus capitis anticus), kommt vom vorderen Bogen des Querfortsatzes des Atlas u. geht schief zur unteren Fläche des Grundtheils des Hinterhauptbeins hinauf, wo er seinen Ansatz findet; der andere, weit größere, auch vorderer Nackenmuskel am Kopf (M. r. c. major, auch M. cervicalis capitis anterior), erstreck, sich von den vorderen Wurzeln der Querfortsätze des sechsten bis dritten Halswirbels aus, schief aufwärts bis zum Grundtheil des Hinterhauptbeins hinauf, wo er in einer für ihn eigenen Vertiefung an der äußeren Fläche desselben sich einfügt; beide, bes. der letzte, tragen zu den Beugungen des Kopfs, bes. beim Nicken, bei. d) Als Hauptbeugemuskel aber macht der, als Kopfnicker (Sternocleidomastoideus) bezeichnete Doppelmuskel sich geltend, dessen zwei, nur oberwärts stellenweise mit einander verwachsene Bäuche auch als eigene Muskeln, nämlich der vordere, mit einer kurzen aber starken Sehne an dem obersten äußersten Theile der vorderen Flächen des Griffs des Brustbeins (s. d) sich ansetzend, als Brustbeinwarzenmuskel (Sternomastoideus), der Hintere aber, kürzer u. schwächer, neben jenem vom oberen Rande u. dem Obertheil der vorderen Flächen des Schlüsselbeins mit einer dünnen breiten Sehne anhebend, als Schlüsselbeinwarzemuskel (Cleidomastoideus) unterschieden nerven. Beide, schief auswärts in die Höhe steigend u. an der äußeren Fläche des Zitzentheils des Schläfebeins sich ansetzend, machen sich an: äußeren Halse sehr bemerklich, sowohl unterwärts durch ihre Zehnen, welche die Kehlgrube (s.d.) seitwärts begrenzen, als auch, bes. bei Wendung des Kopfs durch Aufschwellung auf der entgegensetzten Seite in ihrem ganzen Verlauf. Dieses Seitwärtsdrehen, indem dieser Muskel nur auf Einer Seite thätig ist, u. zwar nach der anderen Seite hin, ist eigentlich seine Hauptwirkung: doch muß er dabei, wenn der Kopf sich nicht zugleich senden soll, durch Nackenmuskeln der entgegengesetzten Seite, namentlich den Kopfbauschmuskeln u. den Nackenwarzenmuskel, unterstützt werden. Die gewöhnliche Kopfbeugung vorwärts ist aber größtenteils eine bloße Folge des Nachlassens der Streckmuskeln. Wirst dieser Muskel zu ihr mit, so geschieht düs blos mit seinen vorderen Muskelfibern, wirken beide durchaus, so geschieht dick in Gemeinschaft mit dem gedachten größeren vorderen Nackenmuskel, auch dem langen Halsmuskel jeder Seite (vergl. Halsmuskel 2) c), Am mehrsten Kraft aber üben sie in Gemeinschaft aus, indem sie im Liegen den Kopf vorwärts erheben, od. auch fest halten. Auch können sie bei energischer Anstrengung. wenn der Kopf durch die nächtigen Nackenmuskeln steif gehalten wird, die ganze Brust heben helfen u. schwellen daher auch bei ängstlichem Athmen auf.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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