Schnur [1]

Schnur [1]

Schnur, 1) ein aus mehren Faden zusammengesetztes rundes od. flaches Band von mittler Stärke; man hat S-en von Leinen, Baumwolle, Wolle, Kameelgarn, Haaren, Bast, Seide u. von Silber- od. Goldfäden. Bezüglich ihrer Herstellung hat man zu unterscheiden: a) Gedrehte S-en, diese werden aus dünneren Fäden auf verschiedene Weise zusammengedreht u. sind daher stets rund; bei stärkeren S-en dreht man erst Stränge aus je 2–4 Faden od. Garnen u. dreht dann diese Stränge in der entgegengesetzten Richtung, wie die Stränge selbst zusammengedreht wurden, zu einer S. zusammen, damit die S. selbst weich, glatt u. gefügig werde; man wechselt mit der Drehrichtung ab, damit die Stränge sich nicht noch schärfer zusammendrehen u. dabei die S. hart u. steif werde. Perllitzen entstehen, wenn man einen kürzeren, dünnen, stark gedrehten Strang mit einem längeren u. dickeren, aber weicheren zusammendreht, wobei sich letzterer um ersteren herumwindet. Klafterschnur ist ein stärker u. fester gedrehter schnurartiger Bindfaden von Hanf; dreht man mehr als 4 Stränge zusammen, so muß man in der Mitte eine Unterlage (Seele) einlegen, um welche sich dann die Stränge schraubengangförmig aufwinden. Man fertigt diese gedrehten S-en auf dem Drehrade od. auf besonderen Maschinen (Schnurmaschinen). b) Übersponnene S-en od. Gimpen, bestehen meist aus einer minder werthvollen Unterlage, um welche eine werthvollere Überlage in Schraubengängen herumgewunden ist; dahin gehören bes. die Gold- u. Silbergespinnste, vergl. Goldspinner. c) Gewebte S-en; bestehen aus parallelen, der Länge nach laufenden Kettenfäden u. einem quer durchgeflochtenen Einschlage; solcher Art sind die Schweizer od. Baseler S-en, welche rund sind u. als Peitschenschnuren etc. gebraucht werden; man fertigt sie ähnlich wie die runden geklöppelten S-en (s. unten d) auf einer Rundschnurmaschine od. ähnlich wie schlauchartige Gewebe auf einem gewöhnlichen Webstuhle; auf die Erfindung solcher S-en erhielten Doguet u. Comp. in St. Etienne in Frankreich 1832 ein Patent. d) Geflochtene od. geklöppelte S-en entstehen durch regelmäßige Verflechtung der einzelnen sie bildenden Fäden; sonst klöppelte man sie aus freier Hand, jetzt fast ausschließlich auf Schnurmaschinen (Klöppel-, Docken-, Litzenmaschinen), bei denen die Stränge auf eine [361] Anzahl Klöppel (Knüppel, Docken) aufgespult ist u. nun die Klöppel durch ein eigenthümliches Räderwerk in, auf einem gefurchten Gestelle ausgearbeiteten, verschlungenen Bahnen so bewegt werden, daß sich ihre Wege auf die erforderliche Weise durchkreuzen u. so die Stränge in der gewünschten Weise um einander geflochten werden, während die fertige S. mit angemessener Geschwindigkeit abläuft. Diese S-en sind: aa) platte od. flache S-en (Börtchen), man fertigt sie aus einer ungeraden Anzahl (5–53) Strängen; ähnlich sind die nur aus 3 Strängen geflochtenen Kerzendochte; die Schnurmaschinen, auf denen man sie anfertigt, heißen Plattschnurmaschinen, bei denen die Bahn der Klöppel eine geschlossene, sich mehrfach kreuzende krumme Linie bildet, welche alle Klöppel durchlaufen. In den Plattschnuren laufen die Stränge in derselben Ebene zickzackförmig hin u. her. bb) Viereckige S-en werden gewöhnlich aus 12 Strängen gefertigt, welche aber nicht zickzackförmig in derselben Ebene hin u. her, sondern nach Art der Schraubenwindungen rings um die S. herum laufen u. zwar die Hälfte der Stränge nach rechts, die andere Hälfte nach links herum, wobei sie sich derart kreuzen, daß abwechselnd jeder rechtsgehende Strang 3 linksgehende bedeckt u. darauf von 3 linksgehenden selbst bedeckt wird: dadurch erhält die S. selbst eine viereckige Gestalt; die Schnurmaschine hat 2 sich durchkreuzende, geschlängelte, ganz im Kreise herumgebende Bahnen für die Klöppel. cc) Runde S-en verfertigt man meist aus 12, 16 od. 24 Strängen in der Mitte mit einer Unterlage; die Stränge durchkreuzen sich nach verschiedenen Gesetzen u. bilden ein schlauchartiges Geflecht; die Bahnen der Rundschnurmaschinen sind so wie bei den Schnurmaschinen für viereckige S-en gebildet, nur haben sie mehr wellenförmige Krümmungen u. Durchkreuzungen 2) So v.w. Richtschnur u. Meßschnur; 3) (Bergb.), so v.w. Bleiloth; 4) Verzierung von Blättern, Blumen, Früchten, Perlen, Quasten, welche in einer Linie zusammenhängen; 5) auf einen Faden gereihte Gegenstände, daher oft ein Maß, z.B. bei Perlen, Korallen etc.; 6) ein Maß von 7 Lachtern; 7) zwei Reihen Ziegelsteine, welche in den Brennofen gesetzt sind u. einen kleinen Zwischenraum lassen, durch welchen die Gluth ziehen kann; 8) (sprichwörtlich), nach der S. leben, etwas nach der S. machen, sehr ordentlich leben, sehr genau od. auch gerade machen; über die S. hauen, das gehörige Maß überschreiten; von der S. leben, von früher erworbenem Vermögen leben, bes. wenn dabei der Capitalstock angegriffen wird; 9) (in die S. greifen), das Vermessen eines Berggebäudes hindern; 10) (Her.), so v.w. Balkenstreif, s.u. Balken 3).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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