- Schreibunterricht
Schreibunterricht, Unterricht, welcher bezweckt, die Schüler dahin zu bringen, daß sie die Schriftzüge deutlich, leserlich u. fürs Auge gefällig darstellen lernen. Da das Schreiben in civilisirten Ländern für beinahe Jeden unentbehrlich ist, so wird in Nord- u. auch in dem größten Theil des übrigen Deutschlands der S. jetzt auch in den Elementarschulen ertheilt. Während man früher die einzelnen Buchstaben nach ihrer alphabetischen Reihenfolge schreiben lehrte, verfährt man jetzt auch beim S. nach einer bestimmten, rationellen Methode. Grundsatz ist auch hier von dem Einfachen zum Zusammengesetzten, vom Leichtern zum Schwereren fortzuschreiten. Zuerst wird die Hand zu festen Strichen, geraden u. gebogenen, stärkeren u. Schwägern Linien gewöhnt u. das Augenmerk in Bezug auf Höhe u. Breite geübt, wobei immer auf das zu erlernende Alphabet Rücksicht genommen wird. Hat der Schüler darin eine hinlänglich Fertigkeit erlangt, so geht man zu den leichtesten u. einfachsten Buchstaben, Silben u. Wörtern u. dann stufenweise zu den schwereren über, so daß der folgende Buchstabe immer aus dem Vorhergehenden entsteht. In deutschen Schulen wird mit der deutschen Currentschrift, welche das Kind zuerst braucht, begonnen, u. es wird dabei jetzt immer nicht der senkrechte, wie früher, sondern der schräge Grundstrich angewendet, weil er bequemer u. gefälliger für das Auge ist. Dabei werden zuerst die mit einfacher Länge
hierauf die mit Oberlänge
dann die mit Unterlänge
endlich die mit voller Länge
eingeübt. Dann werden die großen Buchstaben auch nach einer Ableitungsfolge gelernt. Beim Übergang zum Schreiben ganzer Reihen ist bes. auf die richtige Entfernung der einzelnen Wörter von einander aufmerksam zu machen. Nach u. nach werden die Schüler auch zum schnellen Schreiben gewöhnt. Über die Methode des Tactirens s.u. Tactschreiben. Bei der lateinischen Cursivschrift verfährt man nach demselben methodischen Princip u. beginnt dabei mit dem
[427] Die verbreitetste u. zweckmäßigste lateinische Schrift ist die sogenannte englische Handschrift; die italienische ist mehr für Kupferstecher u. die Main coulée der Franzosen schwerer u. weniger schön. Die neueren Schreibmethoden stimmen in der Hauptsache alle mit der angegebenen überein; bes. zu erwähnen ist nur noch die Corstairsche od. Amerikanische Schreibmethode, in Deutschland namentlich von Olivier verbreitet. Die Haupteigenthümlichkeit derselben besteht darin, daß der Schreiblehrer auf einem. Bogen einzelne Züge vorzeichnet, welche der Schüler oft u. so schnell wie möglich mit Tinte überziehen muß, um der Hand Gelenkigkeit zu geben u. den eigenthümlichen Zug in dieselbe zu bringen; später geht man zu Buchstaben, Sylben, Wörtern etc. über. Eine eigenthümliche Erfindung Lachauer's sind noch die Ardoises transparentes, sie bestehen in Tabellen, welche so eingerichtet sind, daß die Anfänger im Schreiben mit einem schwarzen Stifte, welcher bes. dazu angefertigt ist, auf matte Gläser die Züge der untergelegten Vorschriften nachmalen u. sich so nach u. nach eine feste u. klare Hand angewöhnen. Die Schrift läßt sich mit einem Stück in Wasser angefeuchteten Tuches sogleich wieder abwischen, worauf man die Tafeln mit einem leinenen Läppchen abtrocknet. Das Ganze vertritt zugleich die Stelle der Feder, der Tinte u. Schiefertafel. Vgl. noch Kalligraphie. Anweisungen zum S. bes. von Pestalozzi, Olivier, Tillich, Hergang, Stephani, Lehmann, Rieß, Stein u.m.a.; Vorschriften von Heinrigs, Kortmann, Bollenberg, Mädler, Roseck u. v. A.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.