- Selbständigkeit
Selbständigkeit, die Befugniß eines Rechtssubjectes seine Angelegenheiten in rechtlicher Beziehung selbst zu vertreten u. daher auch über Erwerbung u. Veräußerung von Rechten nach eigener Bestimmung zu verfügen. In privatrechtlicher Hinsicht geht diese Befugniß gewissen Personen bald in der Weise ab, daß dieselben überhaupt nicht selbst ihre Rechte ausüben können, sondern durch einen Stellvertreter sich vertreten lassen müssen, bald so. daß sie, um mit rechtlicher Wirkung handelnd auftreten zu können, der Zustimmung anderer Personen (Auctoritas) bedürfen. Beschränkt in solcher Weise sind z.B. Minderjährige, Wahnsinnige, gerichtlich erklärte Verschwender, particularrechtlich[804] auch Ehefrauen, welche durch ihre Tutoren, Curatoren, Ehemänner vertreten werden. Im öffentlichen Recht bedeutet S. eines Staates so viel wie Souveränetät (s.d.); S. der Gemeinden die Einrichtung, wonach die Ortsgemeinden ihre inneren Angelegenheiten selbst zu besorgen befugt sind, ohne erst der Genehmigung der vom Staate aufgestellten Aufsichtsbehörden zu ihren diesfallsigen Beschlüssen zu bedürfen (s.u. Gemeinde). Die S. der einzelnen Staatsbürger kommt bes. bei den Wahlgesetzen in Betracht u. bedeutet hier bald dasselbe, wie im Privatrecht, so daß sie bei allen Volljährigen, nicht unter Vormundschaft od. sonst einer Curatel stehenden Bürgern angenommen wird, bald aber auch in einem engern Sinne nur so viel, daß zum Begriffe derselben eine eigene Wirthschaft, ein eigener Hausstand gehört.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.