Speisegesetze

Speisegesetze

Speisegesetze, auf religiösem Grunde u. daraus auf der Unterscheidung zwischen rein u. unrein ruhende Gesetze über die Enthaltsamkeit von gewissen Genußmitteln, namentlich Speisen, wie sie des in Ägypten u. im Orient vorkommen. In Ägypten waren vor Allem verboten alle Speisen u. Getränke, welche aus einem andern als dem allein für heilig gehaltenen Inlande kamen, außerdem das Fleisch von allen Raubthieren, Schweinen, Eseln, Kühen, Gazellen (Oryx), alle Fische, von Vegetabilien die Hülsenfrüchte, bes. Bohnen, dann die Zwiebeln. Die streng Religiösen aßen gar kein Fleisch. Bei den Parsen wurde unterschieden zwischen den von Ahriman geschaffenen unreinen Thieren, deren Fleisch aber überhaupt nicht zu menschlicher Speise gebraucht wurde, u. den von Ormuzd hervorgebrachten reinen Thieren; die Vorschriften über den Genuß von den aus dieser Reihe erlaubten im 7. Buche des Zendavesta sind jetzt verloren. Die S. der Hindu verbieten alle ungespaltenhusigen u. nichtwiederkäuenden Vierfüßler, dann Schwein, Kameel, alle einsam lebenden u. fünfklauigen, die Fleisch u. Fische fressenden u. im Wasser laufenden Vögel, die meisten Fische. Die nach höherer Heiligkeit Strebenden enthielten sich, wie in Ägypten, alles Fleischgenusses. Im Sabäismus galten alle Thiere für unrein, welche nicht wiederkäuen, u. die Vögel mit Krallen; sonst waren warmblütige rein; unter den Vegetabilien waren z.B. Hülsenfrüchte u. Knoblauch unrein. Die geordnetste u. bestimmteste Speisegesetzgebung hatten die Hebräer im Mosaischen Gesetz; nach demselben war im Allgemeinen verboten Alles, was Gott geheiligt war, so das Blut der Thiere u. auch das Fleisch, worin Blut zurückgeblieben war, die Fettstücke der geopferten Thiere, die Erstlingsfrüchte von Bäumen u. Feldern bis zum 4. Jahre inclusive. Sodann waren verboten wegen ihrer Unreinheit alle Säugethiere, welche zwar wiederkäuen, aber nicht durchaus gespaltene Klauen haben (Kameel, Hase); welche zwar gespaltene Klauen haben, aber nicht wiederkäuen (Schwein); welche auf ungespaltenen Hufen, auf Zehen u. Sohlen gehen (Hund, Katze, Bär); ferner Fische ohne Schuppen u. Floßfedern (Aal); von den Vögeln die, welche andere Thiere lebendig od. mit dem Blute fressen. Verboten war auch der Genuß des Fleisches von sonst reinen u. erlaubten Thieren, wenn dieselben nicht gehörig geschlachtet, sondern gestorben, erstickt, von andern Thieren getödtet worden waren; od. solcher Speisen, welche unbedeckt in einem Leichenzimmer gestanden hatten od. von unreinen Personen berührt worden waren, daher alles Fleisch[523] von heidnischen Opfern, wovon in heidnischen Städten ein Theil auf dem Markte verkauft wurde. Endlich war verboten junge Thiere, namenlich Zicklein, in der Milch der Mutter zu kochen. Über die S. der Hebräer schrieb Maimonides in dem 5. Abschnitt seines Zweiten Gesetzes, bes. herausgeg. von Wöldicke, u. Reinhard, De cibis Hebraeorum prohibitis, Wittenb. 1697. Im Christenthume wurden diese bindenden S. durch die ausdrücklichen Erklärungen Jesu u. des Apostels Paulus aufgehoben, obgleich sie in der Apostolischen Kirche, namentlich in Beziehung auf Opferfleisch, Ersticktes u. Blut, von den Judenchristen noch beobachtet u. die Heidenchristen, um den Andern keinen Anstoß zu geben u. die Einigkeit nicht zu stören, zu dieser Beobachtung aufgefordert wurden u. auch die Griechische Kirche an dem Verbot des Blutgenusses fest hielt. Auch ging die ältere Kirche zuweilen, so im Gegensatze zu der antinomistischen Richtung zur Zeit Augustins u. zu der gnostischen Richtung, um den Rückfall in das Heidenthum zu verhüten, auf die Praxis der Apostolischen Kirche zurück. Die S. im Islam sind meist dem alten Sabäismus der Araber, theils dem Mosaischen Gesetze entnommen; er verbietet das Fleisch von Schweinen, Eseln, reißenden Thieren, so wie von nicht ordentlich geschlachteten Thieren, Blut u. Götzenopferfleisch zu essen; eigenthümlich ist ihm das Verbot des Weintrinkens. Am strengsten in der Beobachtung der S. ist die Secte der Hanefiten (s.d.).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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