- Thor [3]
Thor, das T., 1) der Eingang in ein Haus, Wirthschaftsgebäude, einen Hofraum, einen Garten, durch die Ringmauer einer Stadt u. dgl., welcher so weit ist, daß man durch denselben fahren kann; man unterscheidet hiernach Haus-, Scheunen-, Hof-, Schloß-, Stadtthore etc. a) Bei den T-en in massiven Umfassungsmauern sind die Seitenwände meist in Ziegeln, Steinen od. Werkstücken aufgemauert u. oben mit einem Mauerbogen überwölbt, welcher entweder halbkreisförmig od. gedrückt ist. Die Weite u. Höhe der Thorwege muß so groß sein, daß die Wagen od. Kutschen bequem hindurchfahren können; so richtet sich z.B. die Größe der Scheunenthore nach Breite u. Höhe der beladenen Erntewagen. Kann wegen geringer Höhe das T. nicht durch einen Mauerbogen überdeckt werden, so wird ein zum Auflager für die Balken des Stockwerks dienendes Holz (Latteiholz) über die Thorwegpfeiler gelegt u. so eine gerade Überdeckung gebildet. Meist dient das Einfahrtsthor auch zugleich als Eingang für die Fußgänger; bisweilen ist aber außerdem noch eine besondere Eingangsthür vorhanden, welche sich entfernt vom T. od. unmittelbar daneben befindet, od. es sind zu bei den Seiten des T-s Eingänge angebracht. Bei reicher architectonischer Ausstattung, z.B. durch Säulen, führen die T-e den Namen Portale. Bisweilen sind die Thorwege überbaut (s.u. Unterfahrt). b) Bei Gebäuden aus Fachwerk bestehen die Thorgewände aus hölzernen Säulen (Thorsäulen), welche mit hölzernem Sturz gerade überdeckt sind. Kommt auf dieses Sturzholz, welches meist gleich durch den Rahmen der Fachwand gebildet wird, sehr viel Last, od. liegt es sehr weit frei, so verstärkt man dasselbe durch ein Sprengwerk od. unterstützt es noch bes. durch Winkelbänder od. Knaggen von den Säulen aus. Um die Thorgewände vor Beschädigung beim Einfahren zu schützen, bringt man unterhalb der Thorgewände auf den innern Seiten Prellsteine od. Radabweiser von Holz, Stein od. Eisen an, an denen die Räder abgleiten müssen. T-e, welche in Hof- od. Gartenmauern sich befinden, sind gewöhnlich nicht überdeckt, so daß die Öffnung nur durch zwei Pfeiler begrenzt ist, an denen die Thorflügel hängen. Die Stadtthore in den Ringmauern der Städte wurden sonst häufig mit einem Thurme überbaut, jetzt sind sie meist nur Gitterthore. Die T-e der Festungen nach bastionirtem Systeme (vgl. Befestigungsmanier) sind in der Courtine, als dem am meisten gesicherten Theile des Walles; beim tenaitlirten Systeme aber in der Mitte einer der Facen des aufspringenden Winkels angebracht u. das Hauptthor gewöhnlich überwölbt. Zu ihrem Verschluß dienen zwei starke hölzerne mit Eisen beschlagene starke Thorflügel, in denen sich oft noch ein kleines Einlaßpförtchen befindet. Verstärkt werden die T-e oft noch durch Einrichtungen, welche das Anbringen eines festen Versatzes ermöglichen. Vor den meisten T-en befinden sich Brücken, welche zum Aufziehen eingerichtet sind. Die T-e des Hauptwalles wurden sonst nicht gerade, sondern bogenförmig durch denselben geführt, damit der Feind nicht durch das T. in die Stadt schießen sollte. Jetzt baut man sie oft gerade. Durch die Facen des Ravelins führt meist ein gerader, nicht überwölbter Ausgang, od. der Weg wird so geführt, daß er dicht am Rande des Hauptwalles hinter dem Ravelin weg führt u. nur durch ein starkes Gitterthor geschlossen wird. Das letzte T. der Außenwerke, wo der Weg mittelst eines Durchschnitts durch das Glacis die Festung verläßt, heißt äußeres T., im Gegensatze zu dem inneren T. durch den Hauptwall; vgl. Ausfallthor. 2) Die Thüren, mit denen die Thoröffnung verschlossen wird, od. die Thorflügel. Diese Flügel werden bei T-en an Wohngebäuden etc., überhaupt bei besserer Ausstattung, aus Rahmenholz u. Füllungen, als gestemmte T-e, construirt. Die Füllungen sind entweder ganz voll, od. zum Theil verglast, zum Theil mit Gittern von Eisen- od. Zinkguß versehen, um durch das T. die Einfahrt beleuchten zu können. Namentlich wird der obere Theil der Thorflügel durchbrochen u. verglast hergestellt, als Oberlicht benutzt u. entweder aufgehend od., wenn Höhe genug vorhanden ist, fest gemacht. Man construirt die Thorflügel, damit sie nicht zu schwer werden u. sich in der Mitte senken, gewöhnlich aus zwei Theilen u. bringt, wenn der Thorweg zugleich als Eingang dient, in einem dieser Theile, um nicht den ganzen halben Flügel öffnen zu müssen, eine kleinere Thür an. Die Befestigung u. Bewegung solcher T-e erfolgt durch aufgenagelte od. geschraubte Bänder, welche bis über die Mitte des Thorflügels reichen müssen u. mit ihren Öhren[541] in Haspen od. Stützhaken, welche an der inneren Seite der Thorgewände befestigt sind, eingehängt werden; od. die Bänder endigen in Zapfen u. sind in Pfannen am Thorgewände eingehängt. Gewöhnlichere T-e, z.B. Scheunen-, Stallthore, werden je nach der anzuwendenden Befestigung u. Bewegung entweder aus gespundeten od. ungespundeten Bretern mit hinten aufgenagelten Leisten gefertigt, u. in diesem Falle bedient man sich zum Aufhängen der Flügel eiserner Bänder, welche auf die Tragleisten genagelt u. in Stützhaken eingehängt werden; od. die Thorflügel werden aus gezimmerten Gerüsten construirt, welche auf der vordern Seite mit Bretern benagelt sind. Das senkrechte, an den Thorgewänden befindliche Holz, welches den ganzen Flügel trägt, heißt Thorläufer (Dreher, Hinterstück), ist auf einer Seite abgerundet u. ruht unten mittelst eines eisernen Zapfens in einem Stein od. einer eisernen Pfanne, oben wird er mittelst eines Halsringes am Gewände festgehalten, so daß er sich nun drehen kann. Der Verschluß dieser T-e geschieht mittelst des Thorschwengels, Kramme u. Überwurf. Dieser Schwengel bildet ein Verbandstück des eigenen Thorgerüstes, u. reicht über den andern Flügel hinweg; an seinem Ende befindet sich eine Kramme, welche durch eine Öffnung des Bretverschlags hindurch greift u. über welcheder Überwurf u. ein Vorlegeschloß gesteckt wird. Bei nicht überdeckten, z.B. Gartenthoren, bestehen die Thorflügel sehr oft aus eisernem od. hölzernem Gitterwerk. Sehr schwere eiserne Thorflügel läßt man außerdem auf kleinen Rollen u. eisernen Schienen laufen. 3) Der Ausgang u. Eingang eines engen Bergpasses, z.B. die Porta westphalica; 4) der Eingang, der Zugang zu etwas; 5) Ort des Gerichts, od. Gericht selbst, weil die Alten an den Stadtthoren öffentliches Gericht zu halten pflegten.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.