Gerhardt

Gerhardt

Gerhardt, Paul, geb. 1606 (12. März 1607) zu Gräfenhainichen in Sachsen, wo sein Vater Bürgermeister war, wurde Hauslehrer bei dem Kammergerichtsadvocaten. Andr. Berthold in Berlin, dessen Tochter Anna Marie (st. 1668) er heirathete. 1651 wurde er Pfarrer in Mittenwalde u. im Juli 1657 dritter Diakonus an der St. Nikolaikirche in Berlin. Hier war G. das Haupt der strengen Lutheraner, welche heftig gegen den von Calixtus angestrebten Synkretismus eiferten. Da die von dem reformirten Kurfürsten Friedrich Wilhelm ausgegangenen Versuche, eine Union zwischen den Lutheranern u. Reformirten zu Stande zu bringen, auf dem Religionsgespräche in Berlin 1663 gescheitert waren, so verbot das Edict vom 16. September 1664 beiden Parteien die Verunglimpfungen u. Verketzerungen auf der Kanzel. Außerdem mußten sich alle Geistliche durch einen ausgestellten Revers auf die Vollziehung dieses Edictes verpflichten. Unter denen, welche sich weigerten, war auch G., der deshalb 1666 seines Amtes entsetzt wurde. Auf Verwenden seiner Gemeinde wurde er zwar 9. Januar 1667 wieder in sein Amt eingesetzt, entsagte aber schon im Februar demselben aus Gewissensangst. Da sein Nachfolger erst Ende 1668 in sein neues Amt eintrat, so bezog G. bis dahin die zufälligen Einnahmen seines Diakonats, wozu noch freiwillige Gaben seiner Gemeinde kamen. Am 15. October 1668 wurde er als Archidiakonus in Lübben eingeführt, wo er 7. Juni 1676 starb. Auf dem Friedhofe seiner Vaterstadt wurde ihm 1844 eine Kapelle errichtet. G. ist nächst Luther der trefflichste deutsche Liederdichter. Von ihm sind u.a. in seinen Geistlichen Andachten (herausgegeben von Ebeling, Berl. 1667 f., Stett. 1660, 1672; Nürnb. 1683, Eisl. 1700; von Fenstking, Zerbst 1707, Wittenb. 1717, 1723; Augsb. 1708, Wittenb. 1821, Berl. 1827, 1838, 1840) die schönen Lieder: Befiehl du deine Wege etc. (schon 1659 gedruckt, daher ist die Sage, daß G. es auf seiner Wanderschaft gedichtet habe, eine ungegründete Sage); Wach auf mein Herz u. singe (1649); Nun ruhen alle Wälder (1653); Gottlob nun ist verschollen (1656); O Haupt voll Blut u. Wunden (1659); Barmherziger Vater, höchster Gott (1661); Ich danke demüthiglich (1667); Ich weiß daß mein Erlöser lebt (1667). Die meisten seiner Lieder sind, wenn auch oft sehr entstellt, fast in alle protestantische Gesangbücher aufgenommen worden. Die besten neueren Ausgaben sind von Langbecker (Berl. 1841), von O. Schultz (ebd. 1842) u. von Wackernagel (Stuttg. 1843, 2. Aufl. 1849). Eine Auswahl nebst Nachricht von G-s Leben von F. Tiedemann, Brem. 1817. Viele von G-s Liedern sind in Melodien gebracht von Joh. Crüger, neuerdings von C. F. Becker, P. G-s Geistliche Lieder, Lpz. 1851. Vgl. Wimmer, Leben G-s, Altenb. 1723; L. G. Roth, G. nach seinem Leben u. Wirken, Lpz. 1829; Langbecker, P. G-s Leben u. Lieder, Berl. 1841; Desselben, Lebensgedichte der Anna Marie G., ebd. 1842; O. Schulz, P. G. u. der Große Kurfürst, ebd. 1840; C. A. Wildenhahn, P. G., ein kirchengeschichtliches Lebensbild aus der Zeit des Großen Kurfürsten, Lpz. 1845, 2. Aufl. 1850; Kraft, P. G., 1855 (in Ersch-Grubers Encyklopädie).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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