Synkretismus

Synkretismus

Synkretismus (gr.), 1) die Vereinigung zweier[148] streitenden inneren Parteien gegen einen äußeren Feind. Der Name wurde von den alten Grammatikern von der Gewohnheit der Kreter abgeleitet, welche oft in inneren Uneinigkeiten lebten, sich aber bei dem Herannahen einer Gefahr von außen vereinigten u. gemeinschaftlich gegen den Feind standen; 2) Vermischung verschiedener Ansichten, bes. Philosophischer Systeme, um eine Ausgleichung od. Vereinigung unter ihnen hervorzubringen. So suchte man die Systeme des Plato u. Pythagoras, des Aristoteles u. der Stoiker mit einander zu verbinden, jedoch meist erfolglos; 3) im 16. Jahrh. bes. das dringend empfohlene Zusammenhalten der in einzelnen Lehrpunkten dissentirenden Reformirten u. Lutheraner zum Schutz gegen die Katholischen; 4) im 17. Jahrh. der Versuch die strengeren u. milderen Lutheraner zu vereinigen. Auf der Universität Helmstädt hatte sich eine freie theologische Richtung der Concordienformel gegenüber behauptet u. hier versuchte es G. Calixtus (s.d. 5) durch eine freiere Auffassung der Lehre von den guten Werken, der Dreieinigkeit etc. die schroffe Stellung der Confessionen zu einander zu mildern u. in einem biblischen Christenthum wie in der Rückkehr zu den ökumenischen Symbolen des fünften Jahrh. eine Einigung derselben zu fördern. Darüber entspann sich mit den Wittenberger Theologen, welche darin eine Verletzung der Lehre der Symbolischen Bücher fanden, ein Streit (Synkretistische Streitigkeiten); das Wort gegen Calixtus führte der Prediger Statius Büscher, doch schien der Streit mit Büschers Tod (1641) beendigt. Allein durch Calixtus' Schüler Joh. Latermann, welcher nach Königsberg gerufen, erst 10 von Calixtus' Lehrsätzen verdammen sollte u. wenigstens sie zu übergehen versprach, jedoch nicht Wort hielt, wurde der Streit wieder erneuert. Das vom König Wladislaw IV. von Polen zur Friedensstiftung zwischen Reformirten u. Lutheranern veranlaßte Religionsgespräch zu Thorn 1645, wozu Calov u. Calixtus gewählt worden waren, regte die Uneinigkeit noch mehr an, indem der orthodoxe Calov durch seinen Gesinnungsgenossen Hülsemann bewirkte, daß Calixtus nicht zum Gespräch gelassen wurde, worauf Calov u. Hülsemann, um ihr Benehmen gegen Calixt zu rechtfertigen, mit den sächsischen Theologen den Beweis zu führen suchten, daß die Helmstädter Theologen nicht mehr für rechtgläubige Lutheraner zu halten seien; u. 1655 gaben die Wittenberger u. Leipziger Theologen den Consensus repetitus fidei verae Lutheranae heraus, wobei sie auf gänzlichen Ausschluß der Helmstädter aus der Lutherischen Kirche antrugen. Aber die Annahme dieser' Lehrschrift wurde von allen Regierungen abgelehnt, u. dieser Umstand, sowie der 1656 erfolgte Tod Calixt's, brachte einen Stillstand in den Streit. Auf Calixts Seite hatte E. Hornejus, G. Titius, J. Hildebrand; auf Calovs Seite Chr. Dorsche, I. Scharf, Hülsemann, I. Weller gestanden. Einen neuen Versuch Frieden zwischen seinen reformirten u. lutherischen Unterthanen zu stiften machte der Landgraf Wilhelm VI. von Hessen-Kassel durch das Religionsgespräch zu Kassel (1662), wo sich auch die reformirten Marburger u. die calixtinisch gesinnten lutherischen Rinteler Theologen zur Stiftung des Friedens vereinigten. Nun begann der Streit von Neuem, indem die Wittenberger u. Leipziger, denen jetzt die vorhin von ihnen zurückgetretenen Jenenser wieder beigetreten waren, den Mittleren es zum Vorwurf machten, daß sie die evangelischen Grundlehren gegen die Reformirten aufgeopfert hätten. Es wurden wieder zahlreiche Schriften bes. von den Wittenbergern gegen die Vereinigung mit den Reformirten geschrieben, worauf die Rinteler u. Helmstädter ruhig u. besonnen antworteten u. auf die Gefahren der durch die sächsischen Theologen provocirten Kirchenspaltung hinwiesen. Wie in Brandenburg, wohin die sächsischen Theologen auch wieder die Brandfackel des Streites geworfen hatten, der Kurfürst durch Edict vom 16. Sept. 1664 den Frieden zwischen den beiden Confessionen gebot u. dasselbe durch strenge Maßregeln ausführte, so verbot der Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen, auf Veranlassung des Herzogs Friedrich Wilhelm von Altenburg, 1669 seinen Theologen die Fortsetzung des Streites, um dessen Ausgleichung sich dann Herzog Ernst der Fromme von Gotha viel Mühe bei den protestantischen Höfen u. Theologen gab. Zwar begann Calov seit 1675 den schriftlichen Streit wieder, bes. gegen Mr. Calixt in Helmstädt u. gegen Musäus in Jena, doch wurde durch die Festigkeit der Höfe der Vertrieb von Calovs Schriften verhindert u. mit Calovs Tode 1686 endigte der Synkretistische Streit. Vgl. bes. Calov, Historia syncretistica, Wittenb. 1682; H. Schmid, Geschichte der Synkretistischen Streitigkeiten, Erl. 1846; W. Gaß, Calixtus u. der S., Bresl. 1846.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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