- Hebräerbrief
Hebräerbrief, eine der Lehrschriften des N. T., worin Judenchristen vor dem Abfall von dem Christenthum u. dem Rückfall in das Judenthum gewarnt u. belehrt werden, wie der Stifter des Neuen Bundes, als der Sohn Gottes über Moses u. alle Engel erhaben u. wie ein anderer Melchisedek, der wahre Hohepriester u. König in Einer Person, der Mittler eines höheren Bundes, einer höheren u. ewigen Versöhnung sei, für welche die alttestamentliche Versöhnung nur symbolische Vorbilder gebe. Diese Schrift, von welcher es noch unausgemacht ist, ob sie ein Brief od. eine Abhandlung od. eine Predigt ist, steht in manchen Bibeln unmittelbar hinter den Paulinischen, in anderen hinter den Johanneischen Briefen. Der Grund davon ist, daß man schon seit der ältesten Zeit über den Verfasser ungewiß gewesen ist u. gestritten hat. Die Väter der Morgenländischen Kirche nämlich legten die Schrift dem Apostel Paulus bei, wogegen die Väter der ältesten Abendländischen Kirche, bis auf Hieronymus u. Augustinus herab, dieselbe dem Paulus absprachen, ja Anfangs gar nicht in der Sammlung hatten; die neueste Kritik hat sich dafür entschieden, daß der H. nicht von Paulus sein könne, daß er aber theils wegen der kirchlichen Tradition, theils wegen des Paulinismus im Lehrgehalt von einem Schüler des Paulus geschrieben sein möge, u. man hat dabei bes. gedacht an die apostolischen Männer Clemens Romanus u. Barnabas, od. an die Apostelgehülfen Lucas u. Apollos, namentlich an Letztern, weil der schriftstellerische Charakter des H-s bes. auf alexandrinische Bildung hinweise. Auch über die Hebräer, an welche die Schrift gerichtet ist, herrscht Streit; daß es Judenchristen sind, nehmen alle an, aber nach Einigen sollen es die Judenchristen überhaupt, nach Anderen diejenigen in Alexandrien, nach Anderen diejenigen in Jerusalem sein, für letzte Ansicht sind die meisten Kritiker. Die vorzüglichsten neuen Erklärungen des H-s sind von Dav. Schulz, Berl. 1818; Böhme, Lpz. 1825; Fr. Bleek, Berl. 1828–40, 3 Bde.; Tholuck, Hamb. 1836, 3. A. 1850; von Ebrard (in dem Olshausenschen Commentar zum N. T.), Königsb. 1850; von Lünemann (in dem Meyerschen Commentar zum N. T.), Gött. 1855; von Fr. Delitzsch, Lpz. 1857; vgl. Riehm, Der Lehrbegriff des H-s, Ludwigsb. 1858 f., 2 Bde.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.