Perspective

Perspective

Perspective (v. lat.), 1) Lehre von den Projectionen sichtbarer Gegenstände, auf ebenen durchsichtigen Tafeln; ist von Ch. Wolf als ein Theil der Optik zur angewandten Mathematik gezogen worden. Doch ist sie nur eine Anwendung der Geometrie für einen bestimmten Fall, nämlich die richtige Zeichnung eines Gegenstandes, wie derselbe dem Gesicht erscheint, auf ebener Fläche u. in der Ausübung mehr eine Kunst als eine Wissenschaft. Die Anwendung der Mathematik auf die P. unterscheidet man auch als mathematische (Linear-) P., u. erst mit Auffindung der richtigen Grundsätze für dieselbe, bes. durch Albrecht Dürer u. Leonardo da Vinci, erhielt die Malerkunst Wahrheit u. Leben, da früher Verzeichnungen u. dgl. sehr gewöhnlich waren. Indessen hatten schon die alten griechischen Maler so viel dunkle Kenntniß davon, daß sie ein Gemälde richtig darzustellen vermochten. Um sich die P. deutlicher zu machen, denke man sich einen Gegenstand in einiger Entfernung vom Auge auf den Boden hingestellt u. zwischen ihm u. dem Auge eine dünne, durchsichtige, senkrecht stehende Ebene (z.B. eine Glastafel). Von allen Punkten des aufgestellten Objects dringen nun Strahlen nach dem Auge. schneiden aber bei dem Wege durch die durchsichtige Ebene Punkte ab, durch deren Fixirung ein treues Bild des Gegenstandes geliefert wird (Perspectivische Abbildung, Projection). Ist nun eine Zeichnung so entworfen, daß sie, in Gedanken an den gehörigen Ort zwischen Object u. Auge gebracht, ersteres völlig in der Lage darstellt, wie es erscheinen würde, wenn das Blatt, auf dem es gezeichnet ist, durchsichtig wäre, so ist die Zeichnung perspectivisch. Man betrachtet den zu zeichnenden Gegenstand von oben, wo er im Grundriß gelegt erscheint (ichnographischer Riß od. Vogelperspective, indem man den Gegenstand dann so zeichnet, wie er einem Vogel, der darüber hinfliegt, senkrecht dem Gegenstande erscheinen würde), auf diese Art werden die Pläne gezeichnet; od. von der Seite, od. im Profil (orthographischer Riß); od. halb von oben od. unten u. halb von der Seite (Malerperspective). Hiervon verschieden ist die Cavalierperspective, wo, wie bei der Malerperspective, das Auge schief über den Gegenstand (bes. über einer Gegend, ein Gebäude, eine Festung) gedacht u. derselbe halb von der Seite, halb von oben dargestellt wird, zugleich aber, wie bei der Vogelperspective, nahe u. entfernte Gegenstände gleich groß u. breit erscheinen. Die Cavalierperspective ist daher naturwidrig, u. während sie beim Planzeichnen im 16. u. in der ersten Hälfte des 17. Jahrh. fast allein üblich war, ist sie deshalb in neueren Zeiten gänzlich abgekommen, u. man wählt zu Zeichnungen, welche dem Auge die Gegenstände darstellen sollen, so wie sie erscheinen, die Malerperspective, zu Grundrissen aber die Vogelperspective. Luftperspective nennt man dagegen die Kunst des Malers, den Gemälden eine solche Färbung zu geben, daß der Hintergrund nach seinen verschiedenen Entfernungen so erscheint, daß es scheint, als ob man die Luft dazwischen[876] bemerke. Die feinere Ausbildung der Luftperspective fällt in die Periode der vollendeten Kunst. Vgl. Meynier, Anleitung zur Linear- u. Luftperspective, aus dem Französischen, Hof 1803; Lambert, Freie P., Zürich 1772, 2. Aufl. 1774; Segner, Anfangsgründe der P., Berl. 1770; Mönnich, Versuche über die P., ebd. 1794; Bürja, Der mathematische Maler, ebd. 1795; Werner, Anweisung alle Arten von Prospecten selbst ziehen zu lernen, Erf. 1781; Eytelwein, Handbuch der P., Berl. 1810; Weinbrenner, Perspectivische Zeichnungslehre, Tüb. 1817; Jakoby, Anleitung zur P., Lpz. 1821; Thibault, Anwendung der Linienperspective auf die zeichnenden Künste, übersetzt von Reindel, Nürnb. 1841; Beckmann, Graphische Resultate der P., Berl. 1858; Streckfuß, Lehrbuch der P., Bresl. 1858. 2) Die Art, wie etwas in seiner Nebeneinanderstellung nach der Verschiedenheit der Sehwinkel dem Auge erscheint; 3) die Aussicht auf eine Gegend; 4) die Wahrscheinlichkeit eines bevorstehenden Ereignisses.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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