Scherr

Scherr

Scherr, 1) Thomas, geb. 15. Dec. 1801 zu Hohenrechberg in Württemberg, widmete sich dem Lehrerberuf u. zwar vorzugsweise der Bildung der Taubstummen u. Blinden, wurde 1821 Adjunct des Directors am Taubstummen- u. Blindeninstitut in Schwäbisch-Gmünd, 1825 Director des Blindeninstituts in Zürich u. gründete die damit verbundene Taubstummenanstalt; er wurde 1831 in den Erziehungsrath gewählt u. 1832 Director des Lehrerseminars in Küßnacht, in welcher Stellung er sehr zur Verbesserung der Volksschulen beitrug. Da er sich der politischen radicalen Partei anschloß, verlor er in Folge der Septemberrevolution 1839 seine Stelle u. ging nach Winterthur, wo er auf dem Sonnenberg eine Erziehungsanstalt gründete, welche er 1842 auf sein Gut zur obern Hochstraße im Canton Thurgau unweit Constanz verlegte. 1849 wurde er in Thurgau in den Verfassungsrath u. 1852 auch zum Präsident des Erziehungsrathes gewählt; 1855 legte er seine Stelle nieder, zog sich nach der Hochstraße zurück u. lebt dort ausschließlich als pädagogischer Schriftsteller beschäftigt. Er schr.: Anleitung taubstumme Kinder zu unterrichten, Gmünd 1825; Mém. sur l'institution des sourds et muets, 1831; Elementarsprachbildungslehre, Zür. 1831; Schulgrammatik, ebd. 1834; Bildungsfreund, ebd. 1838, 4. A. ebd. 1856; Handbuch der Pädagogik, ebd. 1839–44, 2 Bde.; Meine Beobachtungen, Bestrebungen u. Schicksale im Canton Zürich, St. Gallen 1840; Freundlicher Wegweiser durch den deutschen Dichterwald etc., Winterthur 1842; Realistisches Lesebuch für die oberen Klassen der Primarschulen, Zür. 1846; Handbuch der Pädagogik, ebd. 1851; Der schweizerische Schul- u. Hausfreund, Frauenfeld 1860; Pädagogisches Bilderbuch (pseudonym als Christian Frymann), Zür. 1855; mit dem Folgenden gab er heraus: Gemeinfaßliche Geschichte der religiösen u. philosophischen Ideen, Schaffh. 1841–43, 2 Bde. 2) Johannes, Bruder des Vorigen, geb. 3. Oct. 1817 in Hohenrechberg, studirte seit 1837 in Tübingen Anfangs Theologie, dann Philologie, Philosophie u. Geschichte, wurde 1840 Lehrer an der von seinem Bruder gegründeten Anstalt in Winterthur, ging 1843 nach Stuttgart, wo er sich literarisch beschäftigte u. von 1846–48 die Neue Encyklopädie der Wissenschaften u. Künste redigirte; 1848 u. 1849 war er Mitglied der zweiten württembergischen Kammer u. betheiligte sich als Führer der demokratischen Partei an der Aprilbewegung 1849; er flüchtete im August 1849 nach Zürich, wurde dort Docent an der Universität, siedelte aber 1852 nach Winterthur über u. ist seitdem dort ausschließlich literarisch thätig. Er schr.: Die Waise von Wien (Roman), Stuttg. 1847, 3 Bde.; Bildersaal der Weltliteratur, ebd. 1848; Eine deutsche Geschichte (1849–49), Zür. 1850; Allgemeine Geschichte der Literatur, Stuttg, 1851 ff., 2. A. ebd. 1861; Geschichte deutscher Cultur u. Sitte, Lpz. 1852 ff., 3 Bde., 2. A. ebd. 1858; Die Pilger der Wildniß (historischer Roman), Lpz. 1853, 2. A. 1855; Geschichte der Deutschen Literatur, Lpz. 1854; Geschichte der Englischen Literatur, ebd. 1854; Geschichte der Religion, ebd. 1855 f., 2 Bde., 2. Aufl. 1859; Schiller u. seine Zeit, ebd. 1859, 3. A. 1862; Geschichte der deutschen Frauen, ebd. 1860; Drei Hofgeschichten, ebd. 1861; Der Gekreuzigte od. das Passionsspiel von Wildisbuch, St. Gallen 1861; Blücher. Seine Zeit u. sein Leben, Lpz. 1862; gab heraus: Dichterkönige, Lpz. 1855, 2 Bde., 2. A. 1861; u. übersetzte u. erläuterte das Nibelungenlied, Lpz. 1860.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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