- Seniorat
Seniorat, die stets nur auf besonderer Anordnung beruhende Successionsordnung, nach welcher Familiengüter nur auf den Ältesten in der Familie, ohne Rücksicht auf Linien- od. Gradesnähe, sondern lediglich nach der Entscheidung des höheren Alters vererben. Selbst der Sohn des letzten Besitzers wird daher von der Succession in das natürliche Besitzthum ausgeschlossen, wenn noch ein anderer Agnat vorhanden ist, welcher in einem höheren Lebensalter als er steht. Von volkswirthschaftlichem Gesichtspunkte ans erscheint das S. als die wenigst empfehlenswerthe der besonderen Successionsordnungen, da die Besitznachfolge meistentheils nur auf Zufall beruht u. der häufige Wechsel, welcher durch das in der Regel höhere Alter der zur Succession gelangenden Personen bedingt wird, nur nachtheilig auf Bewirthschaftung der Güter wirken kann. Meist verdankt das S. seine Entstehung dem Gedanken, daß der Familienälteste als der Vertreter der ganzen Familie zu gelten habe, ihm deshalb auch eine bevorrechtete Stellung im Güterbesitz zukomme. Zuweilen erscheint das S. auch so, daß der Geschlechtsälteste (Senior domus) nur das Recht eines Familiendirectors hat, d.h. daß ihm die Besorgung der gemeinschaftlichen, die ganze Familie angehenden Geschäfte, der Vorsitz bei Geschlechtstagen etc. zukommt u. daß der Bezug gewisser pecuniärer Vortheile nur als Belohnung für diese Geschäftsbesorgung gegeben ist. In den souveränen deutschen Fürstenhäusern kommt das S. im Ganzen nicht mehr vor; bes. ist die Regierungsnachfolge nirgends nach den Grundsätzen des S-s geordnet. Das letzte Beispiel eines mit Regierungsrechten verbundenen S-s war das S. im Sachsen-Ernestinischen Hause, vermöge dessen das Amt Oldisleben (s.d.) an den jedesmaligen Senior des Hauses vererbte. Durch Vertrag vom 10. Oct. 1816 ging dasselbe aber ausschließlich an Sachsen-Weimar über. Zuweilen sind aber auch noch in neueren Verfassungen wichtigere Entscheidungen in Familienangelegenheiten des regierenden Hauses, wie die Volljährigkeitserklärung eines Regierungsnachfolgers von der Zustimmung des Seniors des Hauses abhängig gemacht.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.