Weichselzopf

Weichselzopf

Weichselzopf (Wichtelzopf, Koltun der Polen, Plica polonica, Trichoma, Trica polonica), krankhafte Verfilzung zumeist der Kopfhaare, früher auch in Deutschland verbreitet, gegenwärtig nur noch in den polnischen Ländern. Die Haare backen zuerst dicht an der Haut unter Mitwirkung eines mit dem Kopfschweiß ausgeschwitzten thierischen Stoffes zu einer weichen Masse zusammen, in welcher sich die Haare mehr u. mehr verwirren u. wirklich verfilzen u. schließlich in jene Masse hineintrocknen. Endlich werden die sich so bildenden Ballen, Wülste, Büschel u. Zöpfe durch nachwachsende gesunde Haare gelöst u. emporgehoben u. die gesunde Kopfhaut kommt zum Vorschein. Früher war man der Ansicht, daß der W. eine kritische Bedeutung habe, gleichsam eine Reinigung des Körpers sei. Durch die neueren chemischen u. mikroskopischen Untersuchungen hat der W. eine große Verwandtschaft mit den Kopfgrinden gezeigt, u. somit dürften die Streitigkeiten über die rein örtliche od. dyskratische Natur des W-es fallen. Es finden sich nämlich die Haare durch allerlei Unrath verkittet, ferner viel Fett, Epitheliumzellen, Staub, Schimmelfäden u. Sporen (Mycoderma plicae, Trichomaphyton), lebende u. todte Milben u. Läuse, Mottenflügel, Fäserchen von Wolle, Seide, Baumwolle etc. Als Vorboten des W-es werden angegeben: Schwere u. Eingenommenheit des Kopfes, schmerzhafte Anschwellung der Haarwurzeln, mangelnder od. krankhafter Appetit u. hundert andere Symptome mehr, ja zuweilen sollen diese Erscheinungen vorhanden sein, ohne daß der W. selbst zum Vorschein kommt (Maskirter W., Plica larvata), doch ist neuerdings durch officielle statistische Untersuchungen höchst wahrscheinlich gemacht, daß der W. zumeist nur ein Erzeugniß grober Unreinlichkeit sei u. hauptsächlich durch. den endemisch verbreiteten Glauben an die kritische Natur u. die mannichfachen Vorboten des W-es hervorgerufen werde, indem man bei den meisten Beschwerden einen verborgenen W. vermuthet u. sofort das Kopfhaar zu kämmen, zu reinigen u. zu kürzen sich hütet, Tag u. Nacht den Kopf bedeckt u. mit Salben beschmiert. Möglich ist wohl, daß zuweilen eine innere Krankheit, eine Dyskrasie einhergeht u. vielleicht auch zur krankhaften Ausscheidung auf der Kopfhaut gleichsam provocirt wird, auch mag ein voreiliges Abtragen des W-es schon durch Erkältung der Kopfhaut Schaden thun. Nichts aber berechtigt eine endemische trichomatöse Dyskrasie (Morbus plicosus) anzunehmen, od. den W. mit dem mittelalterlichen Aussatze in Zusammenhang zu bringen. Die Behandlung hat da, wo sonst keine anderen Krankheiten nebenhergehen, einfach durch Reinigen, Kämmen u. Abschneiden des Haares u. der eingetrockneten von der Haut[21] gelösten Verfilzungen das Übel an der Wurzel anzugreifen. Vgl. Oczapowski, Über die Weichselzopfkrankheit, Warschau 1839; Rosenberg, Der W., München 1839; Beschorner, Der W. nach statistischen u. physiologischen Beziehungen dargestellt, Bresl. 1843.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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