Burschenschaft

Burschenschaft

Burschenschaft. Nach dem Kriege von 1815 vereinigten sich zu Jena mehrere Studenten, um den Landsmannschaften u. der daraus hervorgehenden Trennung des vaterländischen Sinnes entgegen zu wirken, zugleich aber das wüste, akademische Leben im Trinken, in Duellen etc. abzuschaffen u. Moralität u. Fleiß der Studirenden zu befördern. Zu ihren Farben wählte die B. Schwarz, Roth u. Gold (vgl. d.). Der lobenswerthe Zweck dieser Verbindung erwarb ihr den Beitritt mehrerer Landsmannschaften, vieler aus dem Kriege zurückgekehrter u. sich den Studien wieder widmenden Militärs u. den Beifall u. die Gunst der Lehrer. 1817 schrieb diese B. das Wartburgsfest aus, zu dem sich Studenten anderer Universitäten zahlreich einfanden, u. man beschloß, die B. zu einer Allgemeinen deutschen B., die sich über alle Universitäten verbreiten sollte, zu erheben. Berlin, Heidelberg u. Kiel traten zuerst, später Halle, Breslau, Gießen, Leipzig, Göttingen bei u. standen nun in innerer Verbindung mit einander u. hielten jährliche, durch Ausschüsse beschickte Burschentage. Viele Unzufriedene, die sich auf der Wartburg, od. doch durch die dort bewirkte Vereinigung, gefunden u. als gleichgesinnt erkannt hatten, verbanden u. bildeten einen inneren, politische Revolutionen bezweckenden Ausschuß. Da geschah 1819 Kotzebues Ermordung durch ein Mitglied der B., Sand, u. bewog die Regierungen, die schon mit Mißtrauen betrachtete B. zu untersagen u. Untersuchungen über demagogische Umtriebe anzustellen. Während dieser dauerte die B. im Geheimen fort u. erhielt nur noch mehr eine demagogische Tendenz in dem Jünglingsbunde. Es fanden mehrere Generalversammlungen in Halle, Dresden, im Odenwalde etc. statt. Schon 1822 wurden in den meisten B-n 2 Richtungen bemerklich. Die Arminische Richtung bezweckte sittliche, wissenschaftliche u. volksthümliche Ausbildung der Studirenden u. durch sie, die sich auf alle Weise mit dem Volk in Verbindung zu setzen[495] hatts, des Volks, damit dasselbe für die versprochene Freiheit reif werde u. den Fürsten keine Entschuldigung bliebe, die Errtchtung constitutioneller Institute aufzuschieben. Die Germanische Richtung war dagegen praktisch-politisch u. bestritt das monarchische Princip, betrachtete das constitutionelle Wesen blos als einen Übergang u. drang auf republikanische Formen, bes. für Deutschland. Der Streit beider Parteien bildete den Hauptgegenstand der Berathungen auf den Burschentagen von 1827–31. Endlich trugen die Germanen über die an Zahl überlegenen Arminen den Sieg davon, u. ihre Tendenz, selbst mit Anwendung von Gewalt die Zwecke der Verbindung zu fördern, wurde als die allein richtige anerkannt. Nun organisirten sich in Tübingen, Würzburg, Heidelberg, München, Breslau, Marburg, Erlangen, Bonn, Kiel, Greifswald, u. später in Halle B-n mit rein germanischer Tendenz, die auch sich vereinend, Ein Präsidium u. Eine geschäftsführende B. hatten. In Jena trennte sich die kleine Anzahl der Germanen von der überwiegenden Menge der Arminen, ohne daß jene dort großen Anhang fanden; Leipzig, Göttingen u. Berlin scheinen gar keine germanische Verbindung gehabt zu haben. Die erst genannten Universitäten traten nun in unmittelbare Verbindung mit den schweizer Hochschulen, u. durch die Ereignisse von 1830 wurden einige ihrer Mirglieder nach Paris versprengt, wo sie zuerst die Franzosen mit ihren Absichten bekannt machten. Durch die nach Frankreich auswandernden Polen kamen die germanischen Verbindungen später in Bekanntschaft mit den französischen Propagandisten u. einzelne nahmen an mehreren deutschen Begebenheiten, namentlich an dem Attentat am Gründonnerstage 1833 in Frankfurt, dem Preßverein u. den Umtrieben für liberale Deputirtenwahlen in Hessen, Baiern etc. Theil. Seit 1832 u. 33 lösten sich die germanischen Verbindungen meist auf, mehrere ihrer Mitglieder kamen in München, Berlin etc. in Haft, u. die strengen Untersuchungen der Central untersuchungsbehörde (s. Demagogische Umtriebe) 1834–39 machte ihnen völlig ein Ende. 1840 wurden die in Hast gehaltenen amnestirt. In Folge der 1848 freigegebenen Association thaten sich auch die B-n wieder auf; im Stillen fortbestanden, hatten sie sich im Ganzen weder an den Gewaltthaten 1848 als Corporationen betheiligt, noch weniger an der Spitze gestanden, vertraten aber bei dem 2. Wartburgsfeste zu Pfingsten 1848 u. dem Studentenparlament in Eisenach im Sept. u. Octbr. 1848 ihre alten republikanischen Tendenzen; s. Universität. Vgl. Haupt, Landsmannschaft u. B, Lpz. 1820; Herbst, Ideale u. Irrthümer des akademischen Lebens unserer Zeit, Stuttg. 1823.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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