- Deich
Deich, ein Aufwurf von Erde, der zum Schutze des Landes (Deichlandes) gegen die Fluthen an Meer- u. Flußufern dient. I. Man unterscheidet zunächst Fluß- u. See-D-e, je nachdem sie an süßem od. Meereswasser liegen; erstere zerfallen wieder in Winter- (Haupt-, Buten)-, welche das höchste, u. Sommer-D-e, welche nur das hohe Sommerwasser von dem hinter ihnen gelegenen Lande abhalten sollen. Wird vor dem D-e so viel Land angeschwemmt, daß darauf ein zweiter Haupt-D. errichtet werden kann, u. der ältere zur Fürsorge beibehalten, so heißt jener Schlaf-, Sturm od. Rück-D. Bei Erbauung. od. Ausbesserung der Haupt-D-e werden zur Sicherung der Arbeiter gegen[801] die gewöhnlichen Fluthen nur über diese reichende, schmale D-e aufgeführt u. Kay-D-e (Kaje-D-e, Deichdamm) genannt. Noth-D-e heißen sie, wenn sie in Form eines auswärts gehenden Bogens nur an einer gefährlichen Stelle errichtet werden; Ebb e- u. Fluth-D-e, an einem gefährlichen D. gegen die Land- u. Wasserseite bes. errichtete D-e; Gesahr-D-e sind, welche durch starke Strömung u. Sturm leicht beschädigt werden; Binnen- od. Land-D-e werden hinter dem Haupt-D. nach dem Lande zu errichtet, um den Haupt-D. vor Überschwemmung von der Landseite her, od. das Land selbst beim Durchbruch des Haupt-D-s zu schützen. Aster-D-e sind auch eine Art Binnen-D-e an kleinen Flüssen, durch das Binnenland gehend; Groden-D. ist ein Haupt-D., der auf bereits fest gewordenes Land (Groden) zu liegen kommt u. so viel Land nach dem Wasser zu (Vorland, Außen-D.) vor sich hat, daß er nur von hohen Fluthen erreicht wird. Flügel- od. Schenkel-D-e (Armschlag) sind Theile eines D-s, die vom Haupt-D-e schräg über das Vorland gehen. Nach der Bekleidung (Berampung) der Seiten heißen die D-e: Erd-, Sand-, Rasen-, Stein-, Holz-, Busch-, Stroh- u. Rohr-D-e. II. Die Anlage, Form u. das Material eines D-s bestimmen die Haltbarkeit desselben, um dem Drucke des Wassers, dem Anschlagen der Wellen u. des Eises u. dem Überströmen der Fluthen zu widerstehen. Das Erdreich eines D-s muß schwer, fett u. bindend sein, damit es vom Wasser nicht leicht aufgelöst wird, u. die Besodung, d.h. die Bewachsung mit Rasen, leicht anwachsen kann. Bündige, mit seinem Sande vermischte Thonerde ist das beste Material zum D-bau. Das Aufführen eines D-s wird lagen- od. schichtenweise in einer Stärke von 111/2–2 F. bewirkt; jede Schicht wird sodann festgestampft. Ein D. erhält auf beiden Seiten Böschungen, die Seite nach dem Wasser heißt die Waffer- od. Gefahrseite, die nach dem Lande Landabdachung od. Binnenloop; das Land vor erster Butenland, das vor letzter Binnen- od. Gefahrland (weil es bei Beschädigungen des D-s am ersten überschwemmt wird; es ist gewöhnlich Wieseland). Die Böschungen, so wie die Höhe u. Breite des D-s (Deichbestick, Deichkörper) werden nach dem vor dem Bau festgesetzten Deichprofile, der Durchschnittsfläche des D-s, bestimmt, die Richtung des D-s nach der Deichkarte, einer Zeichnung der D-e nach ihrer Richtung (Deichlinie), so wie der Terrainsprofile; auf derselben ist zugleich das D-profil, die höchste Fluth u. die Normalbreite des Wassers angegeben. Ist der Grund des T-s (Wayseld, Anker, Deichanker, Deichfuß, Deichgrund, Deichstelle, Deichstuhl) u. das Erdreich, woraus der D. errichtet wird, fest, so kann die Landabdachung 1 F. Böschung, bei schlechtem Erdreiche aber muß sie 11/2–2 F. Böschung erhalten. Die Wasserabdachung erhält, je nachdem der D. aus festerem od. minder bindendem Erdreiche aufgeführt, od. der Andrang der Fluthen schwächer od. stärker ist, 11/2, 11/3, 3–6 F. Böschung. Die Böschung wird alle Frühjahre mit dem Deichklopfer, einem schweren hammerartigen Holz, festgeschlagen. Einzig durch die Böschung erlangt der D. seine Festigkeit, um die von ihm umgebenen (abgedeichten) Ländereien vor Überschwemmung zu sichern, sie darf daher nie steiler als 45° sein. Die obere Breite des T-s, zwischen den Böschungen, heißt die Kappe (Kamm, Krone). Ihre Breite kann bei niedrigen D-en die eines schmalen Wegs von 4 F. Breite betragen, bei höheren D-en dient sie gewöhnlich als erhöhte Fahrstraße neben abgedeichten Niederungen. Die Kappe wird zum Ablauf des Wassers etwas gewölbt angelegt u. auf der Kappe Pfähle (Horizontpfähle) eingeschlagen, um damit die Höhe der Erhaltung des D-s zu bezeichnen. Auf die D-e kommt die Deichbedeckung, d.h. sie werden mit Heusamen besäet, od. mit Rasen belegt, od. auch mit Weiden, Buschholz etc. (Deichholzung) bepflanzt. Seedeiche werden aber mit Steinen, Bauholz, Weidenreisern, auch Stroh bedeckt. Der Ort innerhalb eines D-s, aus welchem die Erde zur Ausbesserung genommen wird, heißt Schlacht (Deichschlacht); Deichgraben (Deichgrühen) dagegen die Vertiefungen, aus welchen die Erde zu Errichtung des Damms genommen ist. Deichmensen (Deichloch, Deichschart, Mensen) sind die im D-e angebrachten Öffnungen, damit an dieser Stelle Wagen leichter über denselben fahren können. Sie werden an beiden Seiten mit Bohlen bekleidet, u. im Winter mit Bohlen ausgesetzt. III. Die Gesetze u. Gebräuche, welche zum gesammten D-ban etc. gehören, bilden das Deichrecht (Deichding, Spaderecht, Spadelandrecht); Sammlungen derselben heißen Deichordnungen. Bes. vollständig ist die bremische D-ordnung. Das Deichwesen, d.h. die Errichtung der D-e u. deren Unterhaltung (Deichfriede) ist Sache der Polizei; meist aber geschieht sie durch Verbindung der dabei interessirten Grundbesitzer (Deichband, Deichbank, Deichgenossen, Deichkluft, Deichstrich), unter Aufsicht u. Leitung der höheren Landespolizei, daher dieser auch das Recht der Gesetzgebung in dieser Hinsicht zusteht. Die Aufsichtsbehörde heißt Deichacht (Deichamt, Deichstuhl, Deichgericht) u. ihr Ausspruch Deichfindung. Der Beisitzer einer D-acht heißt Deichrath, u. die Macht der D-acht, zur Befolgung der gegebenen Befehle Zwangsmittel anzuwenden, Deichzwang. Der, welcher die Aufsicht über die D-e eines Bezirks führt, heißt Deichgeschworner (Deichältester, Deichheimrath, Deichrichter); der Oberauff her über die D-e u. D-beamte einer Provinz (Deichgrafschaft) heißt Deichgraf (Deichhauptmann); der Deichinspector, ein oberer Beamter, welcher des D-bauwesens ganz kundig sein muß, führt die Oberaufsicht über die Anlage u. den Bau der D-e u. deren stete Unterhaltung in gutem Zustande; unter ihm unmittelbar steht der Deichconducteur, welcher die nöthigen Vermessungen u. Pläne anfertigt u. die Aufsicht über die Arbeiten führt; der Deichaufseher (Deichmeister, Deichwärter, Deichschütz, Deichschulze, Deichvogt) ist ein Unterbeamter, welchem die Aufsicht der Unterhaltung eines D-districts anvertraut ist; die Deichboten (Deichläufer) überbringen den Deichpflichtigen seine Befehle; Deichwachen wachen bei Sturmfluthen, Eisfahrten etc. auf den D-en u. arbeiten an schadhaft gewordenen Stellen einem D-bruche entgegen. Um Deichschaden, d.h. Beschädigungen des D-s aller Art zu entdecken, dient die Deichschau, die zu verschiedenen Jahreszeiten von den durch die Obrigkeit dazu beorderten Deichbeschauern gehaltene Besichtigung der D-e, welches im April, Mai, September od. October geschieht; erstere wird Vor-, letztere Rachschau genannt.[802] Die Verbindlichkeit, die D-e zu erhalten (Deichlaft), ist eine Reallast. Die bei Erbauung od. Unterhaltung der D-e nöthige Arbeit (Deicharbeit, Deichhülfe) besteht in Anfahrung der Materialien, Flechtung der Faschinen, Feststampfen der verschiedenen Schichten, Anlage der Böschungen u. der Kappe, Bedeckung mit Rasen, Holz, Steinen etc. Sie wird entweder von ganzen Gemeinden (Communion-D., Bauern-D.) od. einzelnen D-pflichtigen (Psand-D.) verrichtet, od. sie wird im Allgemeinen an Unternehmer (Deichannehmer, Deichbaas) verdungen. Vorkommende Ausgaben der Genossen eines D-bandes werden aus der gemeinschaftlichen Deichkasse (Deichschatz) bestritten; die Einnahme det hierzu erforderlichen Abgabe (Deichschoß) besorgt der Deichpfennigmeister (Deichrentmeister). Die Unterhaltungskosten tragen alle cultivirte Grundstücke, die nicht durch ihre Lage, sondern durch den D. geschützt werden. Der Theil eines D-s, über dessen Unterhaltung die D-pflichtigen streitig sind, heißt Kief- od. Wrack-D. Die Leistungen zum D-bau (Deichpflicht) treffen den jedesmaligen Besitzer des deichpflichtigen Grundstückes (Deichpflichtiger, Deichhalter, Deichherr, Deichinteressent, Deichschläger), vorbehältlich seines Regresses, wenn er von Reallasten befreit ist. Der D-bau geschieht entweder aus der Dkasse, od. durch die einzelnen D-pflichtigen, von denen jedem ein Theil des D-s zur ordentlichen Unterhaltung zugewiesen ist (Pfanddeichung). Nothhülfe im Augenblicke der Gefahr haben alle Bewohner der bedrohten Gegend, Bihülfe zur Pfanddeichung bei ungewöhnlicher Beschädigung entweder der ganze D-band, od. mehrere benachbarte D-bänder, soweit sie dabei interessirt sind, zu leisten. Der D. ist Eigenthum des Staats u. eine befriedete Sache. Die Benutzung desselben wird vom Staate geleitet, darf aber die D-last nicht erschweren. Die Forderungen des D-bandes gegen den D-pflichtigen an Deichverlag, d.h. Vorschuß an Geld, Arbeitslohn, Materialien etc., haben den Vorzug im Concurs; Streitigkeiten in Deichsachen haben einen privilegirten Gerichtsstand u. werden summarisch behandelt. Deichpfand (Deichblock, Deichfach, Deichseck, Deichkabel, Deichkavel, Deichloos, Deichschlag) nennt man den Theil eines D-s, welcher nach dem D-rechte einem D-pflichtigen zur Unterhaltung zuerkannt ist (Deichtheilung). Über diese D-pfänder wird ein genaues Verzeichniß (Deichrolle, Deichregister) geführt u. sie selbst durch, mit den Nummern, welche sie in der T-rolle führen, bezeichnete u. an dem innern Rande der Rappe eingeschlagene Pfähle (Deichpfähle) von einandergeschieden. In manchen Ländern, wie in Holland, wird bei dem Trohen einer Überschwemmung schnell entgegengewirkt (Deichlager), u. es geschieht dies durch Gegen- od. Aufdeichung (Aufklisten), indem man 2 Breterwände von einigen Fuß Höhe, zwischen welche Erde u. Mist geschlagen wird, errichtet; ist der D. schon beschädigt, so erfolgt die Verkistung od. Verstärkung der Dossirung des T-s durch Legen von Buschholz, die man mit Erde, Mist, Heide u. Stroh ausfüttert; od. das Überbringen, wobei die Erde an der Wasserseite abgegraben u. an die Landseite geworfen wird, wodurch der D. landeinwärts zur Hälfte eine neue Basis bekommt. Im Deichmagazin (Stromzeughaus) werden die beim D-bau etc. nöthigen Wertzeuge, Baumaterial u. dgl. aufbewahrt, um gleich zur Hand zu sein, falls Überschwemmungen etc. eintreten. Vgl. Cancrinus, Von der Anlage, dem Bau u. der Ausbesserung des D-e, Frankf. 1781; Walters Allgemeine Grundsätze etc. in D- u. Abwässerungssachen, Glücköst. 1795; Woltmann, Beiträge zur hydraulischen Architektur, Gött. 1791–99, 4 Bde.; Eytelwein, Handbuch der Hydraulik, Berl. 1801, 2. Aufl. 1822; Wiebeking, Wasserbaukunst, Darmst. 1798–1807, 2. Aufl., Münch. 1812–14, 4 Bde.; Börm, Abriß der D-kunde, Altona 1813; Hagen, Handbuch der Wasserbaukunst, 1841 ff.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.