Nominalismus

Nominalismus

Nominalismus, die Ansicht von den Gattungsbegriffen (Universalien), welche dieselbe für Namen (Nomina), bloße Bezeichnungen einer Mehrheit von Dingen od. der gemeinsamen Eigenschaften mehrer Dinge, also für Producte der Reflexion u. Abstraction erklärt, ihnen dagegen die Wirklichkeit außer dem Vorstellungskreise des denkenden Subjects abspricht. Die entgegengesetzte Ansicht heißt Realismus (s.d.). Diese Streitfrage über die Bedeutung der allgemeinen Begriffe zieht sich durch die ganze Geschichte der Philosophie hindurch. Die antike Philosophie, unbeirrt von kritischen Reflexionen über den Ursprung u. die Bedeutung der Begriffe u. von dem Gedanken geleitet, daß das, was gedacht wird, auch sein müsse, war bei Plato entschieden, bei Aristoteles vorherrschend realistisch; erst die Stoiker machten nach dem Vorgang des Antisthenes die später nominalistisch genannte Ansicht geltend. Der Name N. entstand nämlich als Spottname gegen Ausgang des 11. Jahrh., als Roscellinus (s.d.) die herrschende, von den Alten entlehnte realistische Ansicht der Scholastiker angriff. Er behauptete, die Universalien seien nicht vor den einzelnen Dingen (Universalia ante rem) die ihnen zu Grunde liegenden Wesenheiten, sondern nach den Dingen (Universalia post rem). Seine Lehre wurde 1092 zu Soissons verdammt u. seine Anhänger auch Vocalisten, Terministen, Tirones (Anfänger) genannt. Der scholastische Realismus herrschte dann mehre Jahrhunderte lang unangefochten, bis im 14. Jahrh. Wilhelm Occam (s.d.) ihn mit verstärkten Waffen wieder angriff. Obwohl von den herrschenden Autoritäten mehrfach verfolgt u. verdammt (1407 wurden z.B. die Bücher der Nominalisten auf der Pariser Bibliothek an Ketten gelegt), gewann er doch an Verbreitung; seine wichtigsten Vertreter waren Joh. Buridan, Robert Holkot, Gregorius Ariminensis, Nikolaus Oresmius, Gabriel Biel. Da die Nominalisten zugleich Vertreter eines freieren, an den Fesseln der hergebrachten Lehrformen rüttelnden Geistes waren, so ist die Verbreitung ihrer Denkart zugleich ein Symptom der sinkenden Scholastik. Vgl. Meiners, De nominalium et realium initiis (im 12. Bd. der Comment. Soc. Gotting.); Baumgarten-Crusius, De vero scholasticorum realium et nominalium discrimine etc., Jena 1821. Die Wiedererweckung selbständiger philosophischer Forschung im 16. u. 17. Jahrh. durch Baco u. Cartesius bewegte sich wesentlich innerhalb der nominalistischen Denkweise (vgl. I. Salaberti, Philosophia nominalium vindicata, Par. 1651). Dasselbe gilt von den Forschungen Locke's, Leibnitz's, Kant's. In der Periode nach Kant dagegen tritt in den Speculationen Schelling's u. Hegel's wieder die realistische Ansicht hervor, während Herbart in diesem Sinne Nominalist ist. Vgl. Fr. Exner, Über Nominalismus u. Realismus, Prag 1842.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Nominalismus — steht für: eine Position zu einem philosophischen Problem: dem Universalienproblem einen juristischen Begriff zur Behandlung der Geldentwertung im Recht: Nominalismus (Recht) einen diagnostischen Begriff zur Beschreibung des Zahlverständnisses… …   Deutsch Wikipedia

  • Nominalismus — (neulat.), die philosophische Ansicht vom Wesen und von der Bedeutung der allgemeinen Begriffe, wonach diese bloß Produkte des abstrahierenden Denkens sind. Der Sache nach ging er bis auf die Kyniker und Stoiker zurück, der Name entstand erst zur …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Nominalismus — (mittellat.), die philos. Ansicht, wonach die allgemeinem Begriffe (Universalien) als subjektive Produkte der Abstraktion bloße Namen, nicht wirkliche Dinge (Realien) sind (Gegensatz: Realismus); Nominalíst, Anhänger dieser Ansicht …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Nominalismus — Nominalismus, nannte man die aristotelisch scholastische Philosophie des Mittelalters, weil sie im Gegensatze zur platonisch scholastischen oder zum Realismus von der Grundansicht ausging, die universalia liefen lediglich auf nomina oder flatus… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Nominalismus — No|mi|na|lịs|mus 〈m.; ; unz.〉 1. 〈Scholastik; Sprachw.〉 Lehre, dass die allg. Begriffe, z. B. die der Gattungen, nur Namen sind u. nichts Wirkliches bedeuten 2. 〈Wirtsch.〉 ökonomische Lehre, nach der Geld nur das Symbol für einen Wert, nicht… …   Universal-Lexikon

  • Nominalismus (Recht) — Der Begriff des Nominalismus, auch Nennwertgrundsatz, Nominalprinzip, Mark gleich Mark Grundsatz genannt, besagt, dass eine auf eine bestimmte Summe laufende Geldforderung durch die Leistung genau der ursprünglich vereinbarten Zahl nominaler… …   Deutsch Wikipedia

  • Nominalismus —    (lat. = Namenstheorie), eine erkenntnistheoretische, metaphysische u. theol. Richtung der Spätscholastik am Ende des Mittelalters (Ockhamismus). Nach ihr haben die allgemeinen Begriffe (”universalia“) keine jeweils eigene Realität; sie sind… …   Neues Theologisches Wörterbuch

  • Nominalismus — No|mi|na|lịs|mus 〈m.; Gen.: ; Pl.: unz.; Scholastik; Sprachw.〉 Lehre, dass die allg. Begriffe, z. B. die der Gattungen, nur Namen sind u. nichts Wirkliches bedeuten; Ggs.: Realismus (5); →a. s. Ockhamismus …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Nominalismus — No|mi|na|lis|mus der; <zu ↑...ismus> sich gegen den Begriffsrealismus Platos wendende Denkrichtung der Scholastik, wonach den Allgemeinbegriffen (= Universalien) außerhalb des Denkens nichts Wirkliches entspricht, sondern ihre Geltung nur… …   Das große Fremdwörterbuch

  • Nominalismus — No|mi|na|lịs|mus, der; (eine philosophische Lehre) …   Die deutsche Rechtschreibung

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”