- Engel [1]
Engel (v. gr. ἄγγελ ος [d.i. Bote, Gesandter]), A) nach der Ansicht der Hebräer höhere von Gott geschaffene Wesen, die seinen Thron umgeben u. von ihm zur Verkündigung od. Vollziehung seines Willens auf die Erde gesandt werden. Man dachte sie in der letzteren Beziehung entweder als Gesandte Gottes mit einzelnen Aufträgen, od. als beauftragt für eine besondere Klasse von Gegenständen. Die Bibel, wo sie im Alten Testament unter den Namen Bne Elohim (Kinder Gottes, als Gott nahe stehend), Elohim (als glänzendere, erhabnere Naturen u. mächtig waltende Wesen), Malchim (Boten) u. Ketoschim (Heilige, theils wegen ihres erhabnen Wesens, theils wegen ihrer Wohnung im Himmel) vorkommen, personificirt als E. Alles, was sich als Werkzeug der göttlichen Vorsehung in der Natur denken läßt. Man dachte sich die E. vor dem Exil als in menschlicher Gestalt erscheinend. Am häufigsten treten sie im 1. Buch Mosis auf, werden aber je weiter herab immer seltner u. kommen in den Büchern Esra u. Nehemia gar nicht mehr vor. Wie sich die Lehre von ihnen im Exil durch Bekanntschaft mit dem Parsismus weiter ausbildete, s.u. Dämon. Man unterschied seitdem von den guten E-n bestimmt einen bösen, welchen man Satan (s.u. Teufel) nannte u. als Urheber des Bösen, doch unter Gottes Leitung dachte. Man gab aber auch nun den E-n eine eigne Kleidung, bestimmte unter ihnen eine Rangordnung u. ertheilte ihnen Eigennamen. So finden sich Erzengel, E. für besondere höhere Verrichtungen, unter denen Gabriel, Raphael u. Michael (im Daniel u. dem Buch Tobias) genannt sind. Wie der Glaube an die E. ursprünglich dem israelitischen Volksglauben angehört hatte, so blieb er auch später u. wurde in der Theologie der Juden zum Dogma; nur die Sadducäer glaubten nicht an E., u. auch von den Samaritanern ist es ungewiß. Wie auch früher schon die E. als Diener der Vorsehung Gottes erscheinen, so traten sie in der christlichen Zeit bes. in dieser Eigenschaft hervor, u. während die palästinensischen Juden ihnen das Höchste u. Wichtigste in der Weltregierung, auch den Schutz des jüdischen Volks, u. dies dem E. Gabriel, zuwiesen, schrieben die alexandrinischen ihnen nur das Geringere u. die Leitung der Schicksale der Heiden zu, Gotte selbst aber den Schutz des Volkes Israel, daher auch die Zahl der E. auf 71 bestimmt wurde, weil sie so viel Völker zählten. B) Im Neuen Testament, wo bes. in der Offenbarung Johannis die E. oft erscheinen, werden sie ihrer Natur nach als höhere Geister (Πνεύματα) bezeichnet, deren Macht weit über die der Menschen hinausreicht, u. die im Himmel wohnen, gleichwohl aber Gott unterworfen sind u. bei allen ihren Vorzügen doch gewisse Beschränkungen haben. Nach ihren Verrichtungen stellt sie das Neue Testament als Diener Gottes hin, die besonders an dem höhern geistigen Leben der Menschen Antheil nehmen u. einst bei dem Gericht gegenwärtig sein werden. Die Lehre von den Schutzengeln läßt sich nicht mit Bestimmtheit im Neuen Testament nachweisen. Außerdem redet dasselbe von der großen Zahl der E. u. erkennt einen Unterschied zwischen den E-n an, sagt aber nichts von der Anbetung derselben u. ihrer Fürbitte für den Menschen bei Gott. In der Dogmatik hat man die Lehre von den E-n oft nur als Anhang zu der Lehre von der Schöpfung od. bei der Lehre von den Menschen behandelt. Die Ansicht, daß sich Jesus u. die Apostel rücksichtlich der E. dem Volksglauben accommodirt hätten, hat neuerlich immer mehr Anhänger verloren, da das Neue Testament ganz bestimmt von dem Dasein der E. redet. Übrigens sind in der Kirche über die E. nie bedeutende Streitigkeiten gewesen. Außer der Art, wie sie geschaffen worden (wobei die Gnostiker sie als diejenigen von den, aus den Äonen emanirten Wesen annahmen, welche der Erde am nächsten wohnten, wogegen sie die orthodoxe Kirche Creaturen Gottes nannte), war bes. die Zeit, wenn sie geschaffen worden, streitig, indem sie die Einen vor der Schöpfung der Erde da sein, Andere am 1. Tage mit geschaffen dachten. In dem Streit über die Körperlichkeit der E. bestimmte das Concil zu Nicäa 787, daß die Asomatosis (Körperlosigkeit) nur als eine Verschiedenheit von dem menschlichen Körper anzunehmen sei, während das Lateranensische 1215 gänzliche Körperlosigkeit annahm, doch blieb die Sache bei den Scholastikern streitig, u. man legte ihnen wenigstens eine Ubietas (das Sein an einem bestimmten Orte) bei. Geflügelte Engelbilder, eine jüdische Vorstellung, kommen in der christlichen Kirche zuerst bei dem Dichter Nonnos vor. Eben so schwankend blieb in der Kirchenlehre die Sittlichkeit[696] der E., u. es wurde sogar die Ansicht ausgesprochen, daß sich die Erlösung durch Christus auch auf die E. bezogen habe. Je sinnlicher der Cultus in der Kirche wurde, desto mehr hob sich der, obgleich auf dem Concil zu Laodicäa 368 ausdrücklich verbotene Engeldienst (Angelodulie), bes. seit dem 5. Jahrh. Eigentlich sollten nur die in der Bibel genannten Erzengel Gabriel, Raphael u. Michael verehrt werden, u. 704 verdammte ein Concil zu Rom den Adelbert, welcher Uriel (nachmals von Milton u. Klopstock auctorisirt), Raguel, Tubuel, Inias, Tubuas, Sabaoth, Simiel als Namen von E-n angerufen hatte. Durch das ganze Mittelalter kommen E. in Legenden u. auf Kunstwerken vor u. Kirchen wurden ihnen gewidmet. Der Engeldienst ist in der Katholischen Kirche geblieben, auch die Griechische verbietet ihn nicht, aber wohl ist er in den Symbolischen Büchern der Protestantischen Kirche, in welchen nur gelegentlich von den E-n gesprochen wird, gemißbilligt u. nur eine Fürbitte der E. nicht ganz verworfen. Selbst gegen die aus dem alexandrinischen Platonismus geschöpfte, auch als Dogma öffentlich in der Kirche nicht bestätigte Ansicht, daß jeder Mensch einen Schutzengel (s.u. Schutzgeist) habe, haben sie sich nicht erklärt. Übrigens sind die E. wohl zu unterscheiden von den Dämonen (s.d.) u. von den Seraphim u. Cherubim (s. b.), himmlischen Wunder- u. Thiergestalten. C) Von der Lehre von den E-n im Islam s.u. Muhammedanische Religion.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.