- Gens
Gens, 1) (röm. Ant.), Stamm, Geschlecht; begriff die einen gemeinschaftlichen Geschlechtsnamen (Nomen) führenden Personen (Gentīles). Die Gentilen waren entweder vollberechtigte od. untergeordnete, wie Clienten u. Freigelassene, welche nur den[161] Namen der G. führten u. den Schutz der G. od. Familien genossen, ohne die Rechte derselben zu besitzen. Die Gentes theilten sich wieder in Familiae (s.d.), die Familien in Stirpes, z.B. die Virginia gens zerfiel in die Familien Tricosti, Rusti etc., die Familie Tricosti in die Stirpes Rutili u. Cölimontani. Die Glieder einer Familie hatten gemeinschaftliches Cognomen, die einer Stirps gemeinschaftliches Agnomen. Ursprünglich beruhte die Gentilität auf gemeinschaftlicher Abstammung, später war dieselbe verwischt, od. es traten andere Familien zu der od. jener G., u. die gemeinschaftliche Abstammung galt nicht als juristisches Merkmal der Gentilität. In der ersten Zeit Roms gab es nur Gentes patricĭae, u. wahrscheinlich war ihre Anzahl eine bestimmte; sie gehörten als Gentes majōres zu der Tribus Ramnes u. Tities, u. als Gentes minōres zu der Tribus Luceres. Da an die Stelle einer ausgestorbenen G. selten eine andere aufgenommen wurde, so schmolz die Anzahl derselben mit der Zeit sehr zusammen. Erst seit Servius Tullius kommen Gentes plebējae vor, welche die Gentilrechte nur unter sich übten u. keinen Antheil an den Curien, Auspicien etc. hatten. In derselben G. kamen nun auch patricische u. plebejische Familien vor, was geschah, wenn nur eine Familie das Patriciat erhielt, od. ein Patricier durch Adoption in eine plebejische Familie kam, od. wenn Neubürger den Namen dessen erhielten, durch welchen sie das Bürgerrecht erlangt hatten. Die Rechte der Gentilen (Gentilitia jura) an die G. bestand in dem Anspruch auf Schutz u. Vertretung in Noth, Anklage, Unmündigkeit, Anrecht auf das Gentileigenthum, so namentlich auf Beisetzung im Familienbegräbniß. Die G. äußerte ihre Wirkung bes. im Erbrecht, indem die Zwölf Tafeln bestimmten, daß, wenn kein Suus heres od. kein Agnat (s.d.) vorhanden wäre od. doch aus sonst einem Grunde der Nächste davon nicht zur Erbschaft gelangte, die Gentilen die Erbschaft zu erhalten hätten (Gentiles familiam habento). Wie diese Vererbung an die Gentilen dann stattfand, ist ungewiß. Wahrscheinlich war entweder in jeder G. eine besondere Successionsordnung aufgestellt, od. es wurde das Vermögen an die Geschlechtskasse eingezogen. Schon zu Gajus Zeit war das Erbrecht der G. mit den Gentes selbst ganz in Wegfall gekommen. Auch die G. hatte Rechte an die Gentilen; es konnte kein Gentil ein Testament machen, od. Einen arrogiren (s. Adoption), ohne die Genehmigung der G.; alle Gentilen waren an die Beschlüsse der gesammten G. gebunden. Als unter Servius die Vorrechte der römischen Bürger nicht mehr an die Geburt, sondern an den Census gebunden waren, behielten die Gentes nur noch einige Vorzüge in sacralen Verhältnissen, namentlich die Gelangung zu Priesterstellen. Was die religiösen Gentilverhältnisse anlangt, so waren die Gentilitia sacra bloße Privatdienste, außer wenn der Staat einer G. einen öffentlichen Cultus überwiesen hatte; aber auch jene durften nie unterlassen werden od. eingehen. In der Kaiserzeit hörte die Bedeutung der G. ganz auf u. der Begriff der G. wurde identisch mit dem der Familie. 2) So v.w. Adel.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.