Gera [1]

Gera [1]

Gera, 1) fürstlich reußische Herrschaft; umfaßt die beiden Ämter G. u. Saalburg; jenes grenzt an den preußischen Regierungsbezirk Merseburg, an das Herzogthum Altenburg u. den Neustädter Kreis des Großherzogthums Weimar; dieses liegt südlicher zwischen dem Schleizer, Greizer u. Lobenstein-Ebersdorfer Gebiet; beide sind gebirgig u. waldig; Flüsse: Elster u. Sebnitz; Regierung: G. war bis 1848 gemeinschaftlicher Besitz der jüngeren Linie des Hauses Reuß, als der Fürsten von Reuß Lobenstein-Ebersdorf u. Reuß-Schleiz, welche die jährlichen Einkünfte theilten; im genannten Jahre entsagte aber der Fürst von Lobenstein-Ebersdorf der Regierung, u. die Alleinregierung fiel dem Fürsten Reuß von Schleiz zu; 74 QM., 32,300 Ew., welche sich mit Holzcultur, Holzgewerben u. Fabrikation wollener u. baumwollener Zeuge beschäftigen; die Herrschaft hat auch eine erbohrte Salzquelle mit dem Salzwerk Heinrichshall; Einkünfte, Ausgaben, Militär etc., s.u. Reuß. 2) (Gesch. der Herrschaft), s.u. Reuß. 3) Amt darin, enthält die Herrschaft G. u. den größten Theil des Pöllwitzer Waldes. 4) Hauptstadt der Herrschaft, im Elsterthale, an der Elster, über welche oberhalb seit 1640 eine neue steinerne, u. unterhalb eine hölzerne Brücke führt; Sitz der Regierung, des Consistoriums u. des Amtes, seit dem Brande 1780 wieder aufgebaut, sechs Plätze, mehrere Vorstädte, drei Kirchen (außer der Johanniskirche, die seit dem Brande noch nicht aufgebaut ist) u. eine kleine Kapelle, fürstliches Palais, Rathhaus, Gymnasium, Schullehrerseminar, Musikalischer Verein, Bank (seit 15. Jan. 1856), Kleinkinderbewahranstalt, Zucht- u. Waisenhaus, zwei Hospitäler, Gasbeleuchtungsanstalt; viele Fabriken in Wollenwaaren, Tuch, baumwollenen Stoffen, Kutschen, Tabak, Seife, Wachstuch, Harmonikas, chemischen Producten etc.; großer Gewerbfleiß in Gerbereien, Töpfereien, Kunst- u. Schönfärberei, Bleichen, große Bierbrauerei; starke Getreidemärkte u. lebhafter Handel; zwei Buchhandlungen, eine Buchdruckerei, eine Steindruckerei. In G. erscheint auch eine eigene Zeitung. In einem der Gärten der Umgebung ist eine Mineralquelle. Vergnügungen: die Erholung, das Bad u.m.a.; Freimaurerloge: Archimedes zum ewigen Bunde; 12,500 Ew. Auf dem nahen Hainberge liegt das Schloß Osterstein, darunter das Dorf Unterm-Haus, in dem eine Porzellanfabrik u. wo der Sitz des Amtes ist. – G. (in Urkunden Geraha, auch Schworz, Goiska) ist wahrscheinlich eine sorbische Anlage; es gehörte früher den Grafen von Groitsch, u. Graf Wiprecht baute das Schloß G. (nachher das alte Schloß) u. erhob um 1086 G. zur Stadt. Angeblich 1080 hier Niederlage des Königs Rudolf durch Kaiser Heinrich IV. Im 12. Jahrh. wurde G. den Herren von Reuß gegeben, 1292 vertauschte jedoch Friedrich Tuta, Markgraf von Meißen, Schloß u. Stadt G. gegen Dresden, an Friedrich den Jüngeren. 1459 wurde G. von dem Landgrafen Wilhelm III. von Thüringen, welchen Heinrich von G. beleidigt hatte, nach langer Belagerung gestürmt, geplündert u. verbrannt; damals wurde auch das alte Schloß zerstört. 1605 stiftete Heinrich Postumus das Gymnasium. Früher war G. schon oft durch große Feuersbrünste (1450, 1639, 1686) betroffen, die größte war aber am 18. Sept. 1780, wo 31 öffentliche Gebäude u. 686 Bürgerhäuser abbrannten. 1830 kam es hier bei der Rekrutenaushebung zu einigen Excessen, s.u. Reuß (Gesch.) Vgl. Klotz, Beschreibung der Herrschaft u. Stadt G., Ronneb. 1817; Eisenschmidt, Geraische Brandchronik, ebd. 1817; Ferd. Hahn, Geschichte von G. u. dessen nächster Umgebung, Gera 1855, 2 Bde. 5) Nebenfluß der Unstrut; entspringt im Herzogthum Gotha am Fuß des Schneekopfes bei Mannebach in zwei Quellen, der östlichen od. eigentlichen u. der Wilden od. Kleinen G., theilt sich bei Erfurt in zwei Arme, die Wilde G., welche bei Gebesee, u. die Schmale G., welche bei Werningshausen mündet; sie nimmt die Spring, Wipper, Gramme, Apfelstädt, Jüchnitz u.a. auf. 6) (Klein- od. Neu- G.), Vorstadt von Luckenwalde. 7) Vorstadt von Pizzighetone in der Lombardei.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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