Guāno

Guāno

Guāno (richtiger Huano), die Excremente von Seevögeln, welche sich auf mehreren Inseln des Stillen Oceans, namentlich an den Küsten von Peru, Chile u. Patagonien in ungeheueren, 30–60 Fuß mächtigen Schichten finden u. in neuerer Zeit in Großem nach Europa eingeführt zur Düngung benutzt werden. Der Araber Edrisi erzählt bereits in seinen Unterhaltungen für Wißbegierige nach den Wundern der Welt (1154 n. Chr.), daß sich große Mengen G. im Persischen Meerbusen zwischen Dscholfar u. den Bahreininseln finden. Auch kannte man in Europa schon früher mehrere Fundgruben des Vogeldüngers auf den Inseln der Südsee, denn bereits Humboldt u. Bonpland brachten vor etwa 50 Jahren eine Probe des G. nach Frankreich u. gaben Aufschlüsse über die Gewinnung dieses Stoffes, den Handel mit demselben u. seine Benutzung von Seiten der Indianer zur Fruchtbarmachung der Küste von Peru, auch andere Reisende erwähnten desselben; allein größere Aufmerksamkeit zog dieser für die Landwirthschaft so wichtige Stoff erst in neuester Zeit auf sich. Man bezieht jetzt den G. nicht nur von den Inseln an den Küsten Perus, Patagoniens u. von Labrador, sondern auch von der südwestlichen Küste Afrikas, der Insel Ichabon, Angra-Pequema, Malaga etc. u. bes. von den Klippen der Saldanhabai an der Westküste Afrikas, im Norden des Caps der guten Hoffnung. Es gibt drei Hauptsorten G., der peruanische, patagonische u. afrikanische. A) Der Afrikanische G. ist der bei weitem schlechtere; man sucht die Ursache davon in der Verschiedenheit des Klimas; auch ) der Patagonische G. steht wegen seines geringeren Gehaltes an Ammoniaksalzen dem Peruanischen im Werthe bedeutend nach. C) Der Peruanische G. wird in zwei Sorten, den Angamos- u. gewöhnlichen G., getheilt; a) der Angamosguano besteht aus verhältnißmäßig noch frischen Excrementen, kommt nur in dünnen Schichten vor u. bedeckt namentlich jene Gegenden, welche noch jetzt den Vögeln zum Aufenthalte dienen. Man sammelt ihn mühsam mit den Händen, u. nur selten wird er versendet; dagegen wird er häufig von den Peruanern als Dünger verwendet; b) der gewöhnliche G. ist auf den meisten Inselgruppen an der Küste von Peru vertheilt, etwa von 14 bis 8° südlicher Breite u. 59 bis 65° westlicher Länge. Drei Gruppen sind zu unterscheiden: die Insel Lobos de Terra u. Lobos de Afuero, südwärts von Punta Aguja; dann die bis jetzt am meisten besuchten u. wegen[746] ihres ungeheuren Vorraths wichtigsten Chinchasinseln (s.d.); endlich die nicht weit von ihnen, etwas nach Südwest gelegenen Klippen, von denen das Eiland San Gallan umgeben wird. Beide Gruppen gehören zur Piscobucht. Man findet auf diesen Inseln den G. in mächtigen Lagern übereinandergehäuft, die sich an den tiefern Durchschnitten deutlich durch ihre verschiedenen Farben, in verschiedenen Abstufungen von Braun- u. Graugelb, unterscheiden. Dieser G. ist ganz trocken u. bröckelig; man findet in ihm oft große glasartig durchsichtige Salmiakstücke, die bald farblos, bald grau, gelb, fast schwarz od. glänzend weiß, bald kugel- od. eirund, bald formlos sind, am häufigsten in mehlartiger Beimischung in den hellbraunen, am meisten bröckeligen unteren Schichten. Der G. besteht übrigens neben dem Vogeldünger auch aus verschiedenen verwesten organischen Substanzen, theils ausgeworfenen Pflanzenresten, welche die Vögel zu ihren Nestern benutzten, theils Thieren, als Seehunden u. Seevögeln. Die chemische Mischung des G. ist deshalb eine sehr zusammengesetzte; denn er besteht nach Payen aus 17 selbst wieder zusammengesetzten Stoffen, u. nach Ure enthält peruanischer G. 50 Procent stickstoffhaltige organische Substanz, die 8–17 Proc. Ammoniak liefern kann; afrikanischer G. 50 Proc. derselben Substanz mit 10 Proc. Ammoniak; eine Sorte von Chile 22,5 Proc. organische Substanz mit 12,5 Proc. Ammoniak. Der Werth des G. hängt übrigens nicht allein von dem Ammoniak ab, welches die stickstoffhaltigen Substanzen liefert, sondern auch von den phosphorsauren Salzen, deren Menge 25–48 Proc. beträgt. Im Handel unterscheidet man gewöhnlich drei Sorten von G., den weißen (den gesuchtesten), gelben u. rothen (letztere die am meisten vorkommende). Die rothe Sorte besteht aus einem rothbraunen Pulver, in dem sich noch nicht ganz zerfallene größere Stücken von innen weißgrauer Farbe u. blättrigem Gefüge befinden; die gelbe Sorte ist von siechendem urinösem Geruch u. enthält häufig Vogelfedern beigemengt. Der peruanische streift vom Lichtbraun ins Grane u. zeichnet sich vor allen anderen Sorten durch seinen starken ammoniakalischen Geruch aus. Er ist pulverförmig u. die etwa darin noch vorkommenden Klumpen sind leicht zu zerkleinern. Der afrikanische von Ichabon steht ihm in seiner Wirksamkeit am nächsten. Er ist dunkelbraun, hat einen schwachen ammoniakalischen Geruch u. viel Wasser. Noch geringer im Werthe, oft fast ganz unwirksam ist der chilesische, rothgelb, pulverförmig, von schwach ammoniakalischem Geruche, der von Saldanha, der patagonische u. der vom Cap. Die übrigen Sorten kommen sehr verschieden vor u. riechen fast gar nicht ammoniakalisch, sondern wie dumpfige Erde, die lange vom Zutritte der Luft abgeschnitten war. Gewöhnlich kommen sie in graubräunlichen thonigen Klumpen zu uns.

Als sich die Betriebsamkeit der Europäer u. namentlich der Engländer diesem für Europa noch neuen Dünger zuwendete u. man angefangen hatte, ihn um Cap Horn zu verschiffen, so stieg sein Preis bedeutend, u. die Regierung Perus erklärte bald hierauf die Guanolager als Staatseigenthum u. eignete sich den Handel mit G. allein an. Allein größere Aufmerksamkeit erregte der G. erst, als im Juli 1841 Lord Stanley desselben in der Gesellschaft für Ackerbau, welche damals in Liverpool ihre Versammlung hielt, Erwähnung that, u. die bis Ende 1843 aus Peru eingeführte Menge konnte man auf etwa 28,000 Tonnen schätzen. Von da an steigerte sich die Ausfuhr immer mehr, auch wurden bald andere Bezugsquellen entdeckt, z.B. die afrikanischen Guanoinseln. So bedeutend aber auch der Verbrauch des G. ist, seitdem er in Europa Aufnahme gefunden hat, so ist der Vorrath an Guanomasse auf den drei Chinchasinseln doch immer noch ungeheuer. Die an G. reichste Insel ist Chincha selbst, wo derselbe nicht weit von dem bewohnten Theile der Insel auf einem hohen steilen Hügel gebrochen u. jetzt an der Nord- u. Südküste gleichzeitig verladen wird. Die Arbeiter sind theils Verbrecher, theils politische Gefangene, theils eine Anzahl Chinesen, die freiwillig hierher kommen. Die peruanische Regierung hat selbst mit G. nichts zu schaffen, sondern gestattet dem Meistbietenden gegen eine im Voraus zu entrichtende Summe, gewöhnlich auf ein Jahr, die Verschiffung. Es hat sich zu diesem Zwecke eine Handelsgesellschaft gebildet, die meistens aus englischen Handelshäusern in Lima u. Callao besteht. Die Fahrzeuge, welche G. bei Lima od. Callao holen, müssen alle bei Pisco anlaufen, um dort zu clariren; daher in manchem Jahre nahe an 500 Fahrzeuge diesen kleinen Hafen besuchen. Die Zahl der beständig auf der Insel Wohnenden beträgt in der Regel 200 Köpfe. Da der G. einen so bedeutenden Absatz findet, so sucht man ihn auch zu verfälschen. Man erkennt eine solche Verfälschung aber gewöhnlich bald durch Einäscherung einer Portion desselben, die bei unverfälschtem nur eine sehr geringe Menge ganz kreidiger Asche geben darf. Ebenso hat man sich auch bemüht, Surrogate für den G. aufzufinden, allein so viel man auch im Handel ausbietet, so erreicht doch kein einziges den echten G. u. namentlich den peruanischen an Wirksamkeit weder der Taubenmist, der sich namentlich von wilden Tauben, z.B. auf den Kalkfelsen von Scarborough-Head an der Yorkshireküste in England in großer Menge ansammelt, noch der Vogeldünger von den nördlicher gelegenen Inseln u. Küste z.B. Island, den Faröerinseln, St. Kilda, den norwegischen Küsten, etc.; eben so wenig vermochte das von Longmald in England als Düngemittel empfohlene pulverisirte Seegras, od. die vielen künstlichen Guanosorten, die z.B. aus den Abfällen der vielen Schlächtereien (Saloderos) in der Nähe von Buenos-Ayres, od. aus Menschenkoth etc. bereitet wurden, den echten G. zu ersetzen. Am meisten Beachtung fand u. verdiente noch der Fischguano (s.d.). Die Analysen lehren nun zwar, daß der Fischguano nach seinem relativen Gehalte an Stickstoff u. phosphorsaurem Kalke mit dem peruanischen G. ganz übereinkommt, dagegen nach seinem absoluten Gehalte an beiden Stoffen diesen nur etwa zur Hälfte erreicht. Nach den Versuchen, welche mit Fischguano angestellt worden, hat sich seine Düngkraft übrigens sehr entschieden herausgestellt.

Die Anwendung des G. anlangend, so ist er wegen seines pulverigen Zustandes leicht auszubreiten. Man setzt ihm auch eine gleiche Menge Erde zu, um ihn gleichförmiger auf dem Boden zu vertheilen; auch will man gefunden haben, daß der Zusatz von etwa 1/10 Kohlenpulver seine Wirkung erhöht. Nach Ledru-Thouins [747] Versuchen verhält sich die Wirkung des G. gegen Pferde- u. Viehdünger wie 1 zu 50. Der G. zieht außerdem die Feuchtigkeit der Luft stark an u. wird von keiner andern Düngerart in sandigem Boden u. in trockneren Jahren ersetzt. Ganz vorzüglich befördert er das Wachsthum des weißen Klees. Auch für saure Wiesen ist er von großem Nutzen, bei seiner großen Verschiedenheit erfordert er aber eine eben so sorgsame Prüfung, wie der Boden, auf dem er angewendet, u. die Natur der Culturpflanzen, die auf dem Boden erzeugt werden sollen. Die gewöhnliche Anwendungsweise des G. auf Kartoffeln besteht darin, daß man den G., nachdem die Kartoffeln bestellt waren, entweder obenauf säet od. eineggt, od. daß man ihn in die Reihe ausstreut, in welche die Kartoffeln eingelegt wurden Bei diesem Verfahren, bei welchem man auf den Magdeburger Morgen 2–21/2 Centner G. braucht, geht aber viel von dem letzteren verloren, indem bei dem ersten Verfahren nur so viel an die Pflanze kommt, als durch den Regen aufgelöst wird bei dem letztern aber zwar etwas G. an die Samenkartoffeln kommt, da aber diese 1 Fuß auseinanderliegen, so ist auch hier der größte Theil des G. verschwendet. Um die mit dem bisherigen Verfahren verbundenen Übelstände zu beseitigen, hat Beerend Beerens eine Guanosäemaschine erfunden, mit deren Hülfe man auf einen Morgen zu einer reichlichen Düngung nur 1 Centner G. braucht u. den ganzen angewendeten G. im ersten Jahre zur Wirkung auf die Pflanzen bringt. Die Peruaner bedienen sich übrigens des G. nur zum Anbau des Mais u. der Kartoffeln. Ein paar Wochen, nachdem die Saat zu treiben angefangen, wird rings um die Wurzel eine kleine Höhlung gegraben u. mit G. aufgefüllt, der dann mit einer Erdschicht zugedeckt wird. Nach Verlauf von 12–15 Stunden wird das ganze Feld unter Wasser gesetzt u. einige Stunden lang so gelassen. Vom weißen G. reicht eine geringere Menge hin, das Feld muß bei diesem auch schneller u. reichlicher bewässert werden, weil sonst die Wurzeln zu Grunde gehen würden. Die Wirkung zeigt sich nun so schnell, daß in wenigen Tagen die Pflanze schon noch einmal so groß geworden ist; u. wird die Düngung noch einmal, doch in geringerer Menge, wiederholt, so ist eine reiche Ernte sicher. Vgl. Stöckhardt, Guanobüchlein, Lpz. 1853; Kirschstein, Der künstlich bereitete G., Glogau 1857.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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