- Linnés Pflanzensystem
Linnés Pflanzensystem, ist auf das Verhalten der Befruchtungs- (Geschlechts-) theile der Pflanzen (s. Blüthe) begründet, daher auch Sexualsystem genannt. Die Eintheilungsgründe ergeben sich aus dem Vorhandensein od. dem Mangel deutlich erkennbarer Befruchtungstheile; aus dem Vorhandensein von beiderlei Geschlechtstheilen in einer u. derselben Blüthe, od. in verschiedenen Blüthen, so daß die eine blos männliche, die andere blos weibliche enthält; aus der Zahl u. Stellung, dem Verhalten derselben gegen einander, hinsichtlich der Größe, Verwachsung u. dgl. Die Bestimmungen der Klassen gehen bei weitem bei den meisten von dem Verhalten der Staubgefäße aus, die der Ordnungen, in der Mehrzahl, von den Pistillen, u. zwar größtentheils von der Zahl der letzteren, wo dann nicht allein völlig getrennte Fruchtknoten, sondern eben sowohl mehrere bis auf den einfachen Fruchtknoten getrennte Stempel, od. auf dem Fruchtknoten aufsitzende Narben, als wären mehrere Pistille vorhanden, gezählt werden. Die Gliederung des Systems ist folgende: I. Phanerogamia: Pflanzen mit deutlichen Befruchtungstheilen. A) Zwitterblüthen (Monoclinia), die Staubfäden u. Pistille in einer u. derselben Blüthe; a) die Staubgefäße sind frei, weder mit den Fäden, noch mit den Beuteln unter sich od. sonst verwachsen; aa) von gleicher Länge; α) mit bloßer Berücksichtigung der Zahl: 1. Klasse Monandria, mit 1 Staubfaden, enthält 3 Ordnungen je nach der Zahl der Pistille: 1 Mono-, 2 Di-, 3 Trigynia. 2. Kl. Diandria, mit 2 Staubfäden, 3 Ordn.: Mono-, Di-, Trigynia. 3. Kl. Triandria, mit 3 Staubfäden, enthält 3 Ordn.: Mono-, Di-, Trigynia. 4. Kl. mit 4 Staubfäden, Tetrandria enthaltend, 4 Ordn.: Mono-, Di-, Tri-, Tetragynia., 5. Kl. Pentandria mit 5 Staubfäden, enthält 7 Ordn.: Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Deca-, Polygynia. 6. Kl. Hexandria, mit 6 Staubfäden, enthält 6 Ordn.: Mono-; Di-, Tri-, Tetra-, Hexa-, Polygynia. 7. Kl. Heptandria, mit 7 Staubfäden, enthält 4 Ordn.: Mono-, Di-, Tetra-, Heptagynia. 8. Kl. Octandria, mit 8 Staubfäden, enthält 4 Ordn.: Mono-, Di-, Tri-, Tetragynia. 9. Kl. Enneandria, mit 9 Staubfäden, 3 Ordn.: Mono-, Di-, Hexagynia. 10. Kl. Decandria, mit 10 Staubfäden, 6 Ordn: Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Decagynia. 11. Kl. Dodecandria, mit meistentheils 12, eigentlich 11–10 Staubfäden; 7 Ordn.: Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Hexa-, Dodecagynia. β) Mit Berücksichtigung der Zahl u. des Standortes der Staubgefäße: 12. Kl. Icosandria, mit 20 od. mehr Staubfäden auf dem Kelche stehend, 5 Ordn.: Mono-, Di-, Tri-, Penta-, Polygynia. 13. Kl. Polyandria, mit 20 u. mehreren Staubfäden auf dem Fruchtboden stehend, 7 Ordn.: Mono-, Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, Hexa-, Polygynia. bb) Die Staubfäden sind von ungleicher Länge u. zwar: 14. Kl. Didynamia, 2 Staubfäden sind länger, 2 kürzer. Da hier der Griffel stets einfach ist, so bilden sich die Ordnungen nach der Beschaffenheit der Frucht. 1. Ordn. Gymnospermia (Nacktsamige), mit 4 in dem bleibenden Kelche frei liegenden Samen (Caryopsen); 2. Ordn. Angiospermia, mit in eine Kapsel eingeschlossenen Samen. 15. Kl. Tetradynamia (Viermächtige), 4 Staubfäden sind länger, 2 kürzer. Ordnungen: 1) Siliculosa, mit Schötchen (s. Frucht); 2) Siliquosa, mit Schoten (s. Frucht). b) Die Staubfäden sind verwachsen: 16. Kl. Monadelphia. Die Staubgefäße sind mit den Fäden in eine den Griffel umgebende Röhre verwachsen. Die Ordnungen ergeben sich hier aus der Zahl der Staubfäden u. sind: 1 Tri-, 2 Pent-, 3 Hept-, 4 Oct-, 5 Dec-, 6 Hendec-, 7 Dodec-, 8 Polyandria. 17. Kl. Diadelphia, Staubfäden in 2 Haufen verwachsen. Ordnungen: 1 Pent-, 2 Hex-, 3 Oct-, 4 Decandria. 18. Kl. Polyadelphia, Staubfäden in 3 od. mehrere Haufen verwachsen; Ordn.: 1 Dec-, 2 Dodec-, 3 Icos-, 4 Polyandria. 19. Kl. Syngenesia, mit 5, mit den Staubbeuteln mit einander zu einer Röhre verwachsenen Staubgefäßen. Linné hatte diese Klasse in 2 Hauptabtheilungen geschieden: in Polygamia, worunter Pflanzen mit zusammengesetzten Blumen begriffen sind, u. Monogamia, mit einfachen Blumen. Letztere ist längst aufgegeben, u. die dahin gehörigen wenigen Pflanzengattungen zur 5. Klasse gezogen worden, so daß die Syngenesia nur die Polygamia Linnés enthält. Diese zerfällt in folgende Ordnungen: 1) Syngenesia aequalis, mit lauter Zwitterblümchen; 2) S. superflua, mit Zwitterblümchen auf der Scheibe, nur weibliche Blümchen am Rande; 3) S. frustranea, mit Zwitterblümchen auf der Scheibe, geschlechtslosen od. unfruchtbaren am Rande; 4) S. necessaria, mit blos männlichen Scheiben- u. blos weiblichen Randblümchen; 5) S. segregata, mit Zwitterblümchen, deren jedes, außer den allgemeinen, noch seinen besonderen Kelch hat, welcher bei den vorigen Ordnungen fehlt. 20. Kl. Gynandria, Staubgefäße, meist ohne Fäden, sind mit dem Pistill entweder an der Spitze des Fruchtknotens, od. am Griffel, od, an der Narbe[400] verwachsent Ordn. nach der Zahl der verwawsenen Beutel: 1 Mon-, 2 Di-, 3 Tri-, 4 Hexandria. B) Staubgefäße u. Pistillen befinden sich getrennt in verschiedenen Blüthen (Diclinia), u. zwar 21. Kl. Monoecia (Einhäufige), auf einer u. derselben Pflanze befinden sich theils Blüthen mit Staubfäden ohne Pistille (männliche), theils mit Pistillen obne Staubfäden (weibliche). In den Ordnungen wiederholen sich frühere Klassen: 1 Mon-, 2 Di-, 3 Tri-, 4 Tetr-, 5 Pent-, 6 Hex-, 7 Polyandria (mit mehr als 7 Staubfäden), 8 Monadelphia, 9 Gynandria. 22. Kl. Dioecia (Zweihäusige), die männlichen u. weiblichen Befruchtungstheile befinden sich auf 2 verschiedenen Pflanzen, so daß die eine Pflanze blos männliche, die andere blos weibliche Blüthen trägt. Ordn.: 1 Mon-, 2 Di-, 3 Tri-, 4 Tetr-, 5 Pent-, 6 Hex-, 7 Oct-, 8 Enne-, 9 Dec-, 10 Dodec-, 11 Icos-, 12 Polyandria, 13 Monadelphia, 14 Gynandria. 23. Kl. Polygamia, mit Zwitterblüthen u. eingeschlechtigen Blüthen, bald auf einem, bald auf verschiedenen Stämmen; Ordn.: 1. Monoecia, mit Zwitter-, männlichen u. weiblichen Blüthen auf einem Stamme; 2. Dioecia, wo auf emem Stamme blos Zwitter-, auf einem andern männliche u. weibliche getrennte Blüthen sich befinden; 3. Trioceia (später ganz aufgegeben u. zu den vorigen Ordnungen gezogen), wo ein Stamm blos Zwitter-, der andere blos weibliche, der 3. blos männliche Blüthen trägt. II. 24. Kl. Cryptogamia. In dieser Klasse häufte Linné alle die Pflanzen (fast die Hälfte aller bekannten) zusammen, an denen Staubgefäße u. Pistille gar nicht, od. doch nur in zweifelhaften Andeutungen zu erkeunen sind, u. stellte als Ordnungen darunter: 1. Filices (Farrenkräuter), Pflanzen mit Stängeln u. Blättern, welche auf dem Rücken der Blätter, od. in einer Endröhre, od. in Klümpchen an der Wurzel Samen tragen; 2. Musci (Moose), krautartige Pflanzen, deren Fruchttheile Urnen, od. staubcheutelartige Säcke, od. rosenartige Körper bilden; 3. Algae (Algen u. Flechten), faserige od. lederod. krustenartige, verschieden gefärbte, theils auf dem Lande, auch auf anderen Pflanzen, theils im Wasser lebende Gewächse, mit auf der Oberfläche zerstreuten, od. in Näpfchen, Köpfchen u. Blasen gesammelten Früchten; 4. Fungi (Schwämme), schwammige, korkartige, schleimige, nicht grüne, auf dem Lande u. auf anderen, bes. abgestorbenen Vegetabilien lehende Gewächse, mit im Innern verschlossenen, od. auf der Oberfläche zerstreuten Sauten. Das L. System empfiehlt sich durch die Klarheit u. Übersichtlichkeit seiner Anordnung ganz bes., um nach demselben eine vorkommende Pflanze zu uutersuchen u. kennen zu lernen; indeß gibt es doch nicht immer die gewünschte Auskunft, da die Natur sich nicht in ein so streng geregeltes Netzwerk einschließen läßt, u. oft Arten derselben Gattung in der Zahl u. Anordnung der Staubfäden von einander abweichen, ja selbst die frühern u. spätern Blüthen mancher Pflanzen. Ferner bieten die diklinischen Klassen (21,22 u. 23) manche bedeutende Schwierigkeiten für die Analose der dahin gehörigen Pflanzen dar, da man nicht jederzeit Exemplare beiderlei Geschlechts vor sich haben u. aus der Wirbelblüthe die Klasse nicht erkennen kann. Deshalb haben auch mehrere neuere Botaniker die männlichen Blüthen dieser Klassen in andere, ihren Ördnungen eutsprechende eingereiht u. die weiblichen Blüthen für sich gestellt u. beschrieben. Auch die 18. Klasse (wiewohl mit Unrecht) u. mehrere Ordnungen. sind von. Einigen gestrichen worden. Als ein künstliches System, welches seine Eintheilungs gründe nur von wenigen Hauptorganen ableitet, kann das Linnéische der so unendlich mannigfaltigen Natur sich in sehr vielen Fällen nicht anschmiegen u. verweist Pflanzen, die naturgemäß zusammengehören, in weit von einander entfernte Klassen, doch finden sich auch viele bedeutende natürliche Familien ineiner Klasse ganz od. dem größten Theil nach versammelt. So die Scitamineen in der 1., die Gräser, Cyperoideen, Irideen großentheils in der 3., die Aggregaten in der 4., die Asperifolien, Solaneen, Convolvuleen, Asklepiadeen, Gentianeen, Doldenpflanzen u. m. a. in der 5., Liliaceen in der 6., Cassiaeeen u. Caryophylleen in der 10., Rosaceen in der 12., Ranunkuleen in der 13., Labiaten, Personaten großentheils in der 14., Kreuzblumenpflanzen ausschließlich in der 15., Malvaeeen in der 16., Schmetterlingshlumen in der 17., Compositae ausschließlich in der 19., Orchideen in der. 20., Amentaceen u. Coniferen größtentheils in der 21. etc. Die Ordnungen der Kryptogamla repräsentiren an u. für sich schon natürliche Familien, sind jedoch zu weit gefaßt u. mußten daher in mehrere getrennt werden. Die Vorgänge eines natürlichen Systems u. die Nothwendigkeit, Behufs einer wissenschaftlichen Begründung der Botanik, die natürlichen Verwandschaften der Pflanzen möglichst zu erforschen, wohl erkennend, hat Linne auch eine, wiewohl sehr unvollkommene Anordnung der Vegetabilien in dieser Hinsicht versucht u. dieselben in folgende Gruppen zusammengestellt: Piperitae, Palmae, Seitaminae, Orchideae, Ensatae, Tripetaloideae (Alismaceae alior.), Denudatae (Crocus, Gethyllis etc.), Spathaceae, Coronariae, Liliaceae, Muricatae (Bromeliacae), Coadunatae (Magnolia, Thea etc.), Calamariae (Cyperoideae, Junceae al.), Gramina, Coniferae, Amentaceae, Nucamentaceae, Aggregatae, Dumosae (Caprifoliaceae al. partim), Scabridae (Urtlceae al.), Compositae, Umbellatae, Multisiliquae (Ranunculaceae), Bicornes (Ericeae), Sepiariae (Jasmineae alior.), Culmineae (Tiliariae partim), Vaginales (Polygoneae), Corydales, Contortae, Rhocades, Putaminea (Capparis etc.), Campanuleae, Luridae, Columniferae (Malvaceae), Senticosae (Spiraea etc.), Pomaceae, Drupaceae, Arbustiva (Myrtaceae alior.), Calycanthemae (Lythreae, Oenotheriac etc.), Hesperideae (Citrus, Styrax etc.), Caryophylleae, Asperifolliae, Stellatae, Cucurbitaceae, Succulentae (aus verschiedenen Gattungen gebildet), Tricoccae, Inundatae, Sarmentaceae, Trihilatae, Precieae (Primuleae), Rosaceae, Holeraceae, Vepreculae, Papilionaceae, Lomentaceae (Cassieae, Mimoseae), Siliquosae, Verticillatae, Personatae, Perforatae, Matuminatae, Candelares, Crmosae, Filices, Musci, Myae, Fungi, incertae sedis noch sehr viele.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.