- Spitzgeschosse
Spitzgeschosse (Spitzkugeln), Geschosse für gezogene Handfeuerwaffen u. Geschütze, sie bilden einen Cylinder, welcher in eine Spitze von verschiedener Form ausläuft, daher auch cylindro-konische, cylindro-ogivale Geschosse. Bei den zuerst vom Capitän Delvigne angegebenen Geschossen war der cylindrische Theil ganz glatt u. die Spitze bildete einen vollständigen geraden Kegel, u. Capitän Tamisier legte behufs Verbesserung der Trefffähigkeit den Schwerpunkt möglichst weit nach vorn u. brachte an dem cylindrischen Theile drei kleine scharfkantige Ringe an, welche bei ihrem dadurch hervorgebrachten Widerstande in der Luft hinter dem Schwerpunkte ein Hinderniß bieten, so daß die Achse des Geschosses aus der Tangentiallinie der Flugbahn kommt; außerdem wurde die vordere Spitze etwas abgerundet. Von dieser Construction sind gegenwärtig die meisten S., welche bei Stiftgewehren Anwendung finden. Capitän Minié construirt zu seinem Gewehre, welches keinen Stift in der Schwanzschraube enthält, ein S., welches den genannten gleich ist u. nur in dem unteren Theile eine Aushöhlung hat, in welche ein eiserner Spiegel kommt, der durch die Ausdehnung des Pulvers eine Austreibung des Bleies u. die Führung des Geschosses durch die Züge, also das bewirkt, was bei den Stiftgewehren durch die Austreibung der Geschosse auf den Stift mittelst des Ladestockes geschieht. Diese Verbesserung umgeht die Fabrikation u. Erhaltung des Stiftes u. gestattet ein schnelleres Laden. Da fast alle Armeen mit gezogenen Handfeuerwaffen bewaffnet sind, so hat man in der neuesten Zeit S. der verschiedensten Art construirt, welche in ihrer Form vielfach variiren. Mit der Einführung der gezogenen Geschütze bei der Artillerie wendet man auch hier S. an. Die bis jetzt gebräuchlichen sind das Cavallische S., es hat die Gestalt eines Cylinders, dessen hinteres Ende convex abgerundet ist. Den Vordertheil bildet eine konische od. eine bogenförmige (ogivale) Spitze, an welcher sich das Mundloch für den Percussionszünder befindet. Der cylindrische Theil hat seiner Länge nach, sich diametral entgegengesetzt, zwei angegossene Längenstreifen, deren Stellung u. Form den Zügen entsprechen, damit das Geschoß von vorn herein die Gestalt erhalte, welche ihm außerdem durch Eintreiben in die Züge gegeben werden müßte. In der Mitte jeder Halbcylinderfläche erhebt sich mit derselben gleichlaufend ein kleiner Ansatz, um den cylindrischen Theil zur Führung des Geschosses etwas zu verlängern. Das Wahrendorfsche Geschoß[576] wird, wie das Cavallische, von hinten in das Rohr eingebracht, es hat ebenfalls eine cylindroogivale Gestalt, der cylindrische Theil ist mit einem platten Bleimantel umgeben (neuerdings auch gereifelt), welcher nach dem Compressionsprincip der Kammerladungsgewehre in Folge der durch die entzündete Pulverladung auf das Geschoß wirkenden Kraft in die Züge der Seele eintritt. Das ganz massive Lancastersche Geschoß hat die Gestalt eines sich sanft verjüngenden Kegels mitparabolischer Spitze u. convex gewölbter Basis. Der Querdurchschnitt des Geschosses ist der Construction der Geschützbohrung entsprechend ein Oval, so daß das Geschoß die Form eines etwas gedrückten Eies hat. Vgl. Steinle, Die S. u. ihr Einfluß auf das Kriegswesen, Landau 1857; von Rouvroy, Theorie der Bewegung der S., Dresd. 1862; von Helden-Sarnowski, Populäre Theorie des Schießens, Erf. 1862.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.