Bosporanisches Reich

Bosporanisches Reich

Bosporanisches Reich, Staat an beiden Küsten des Bosporus cimmerius, dehnte sich zuweilen bis zum Tanais aus. Städte waren Pantikapäon (Bosporos, jetzt Kertsch) an der europäischen Küste u. gegenüber Phanagoria auf der Insel Taman, nach denen bald sich mehrere erhoben, wie Myrmekion, Parthenion, Achilleion. Wahrscheinlich siedelten sich schon früh Griechen an den, von den Kimmeriern verlassenen Küsten an; 497 v. Chr. gründeten die Archäanaktiden hier das B. N. Die erweiterten ihr Gebiet nach den nächsten skythischen Steppen hin u. machten es durch Handel, Acker- u. Weinbau, Fischfang etc. blühend; es war die Kornkammer Griechenlands, bes. Athens, u. lieferte außerdem Sklaven, Pelze, Häute Wachs etc. dahin. Nach den Archäanaktiden begann 438 mit Spartakos I. eine neue Dynastie; diesem folgte sein Sohn Seleukos (431–427), dann dessen Sohn Spartokos II. (bis 411), nach ihm Satyros I., welcher bei der Belagerung von Theodosia umkam. Mit dem klugen u. prachtliebenden Leukon (392–353), welcher 360 Theodosia zum Reiche brachte, bestieg die Dynastie der Leukoniden den Thron des B. R-s; er hielt Freundschaft mit den Athenern fort u. erwarb sich dadurch das athenische Bürgerrecht. Sein Sohn Spartokos III. regierte etwa 5 Jahre, worauf ihm sein Bruder Pärisades I. folgte. Doch scheinen dieser u. seine beiden andern Brüder Satyros II. u. Gorgippos zur Zeit Alexanders d. Gr. zugleich in verschiedenen Bezirken regiert zu haben (349–311). Alle 3 Brüder erhielten von den Athenern, die sich bei einer Theuerung mit Erfolg an sie gewendet hatten, eherne Bildsäulen gesetzt. Satyros führte gegen die Mäoten u. Sinder Krieg u. siel in einem Kampf durch die Königin Targatao. Unter den Söhnen des Pärisades entstand Streit über die Regierung: gegen den ältesten Satyros III. brachte der jüngere Bruder Eumelos eine Schaar Skythen u. Thraker zusammen, u. nachdem Satyros 311 v. Chr. geblieben war, sammelte der jüngste Bruder, Prytanis, des Satyros Truppen, wurde aber auch von Eumelos besiegt u. hingerichtet. Eumelos, nun allein König, regierte gut; er machte Pantikapäon zur Residenz. Nach Eumelos regierte (307–287) sein Sohn Spartokos IV., dessen Nachfolger Leukanor den Skythen tributpflichtig wurde u. bald ermordet ward. Als Spartokos V. den Skythen den Tribut verweigerte, verheerten diese wiederholt das Land u. machten bedeutende Eroberungen auf der NKüste der Halbinsel, bei fortgesetztem, ohnmächtigem Kampfe der bosporanischen Herrscher. Da trat endlich Pärisades II., Nachfolger des Spartokos (der letzte der Leukoniden), das Reich an Mithridates d. Gr., König von Pontos ab, welcher die Skythen 116 v. Chr. unter Skiluros aus der Gegend verdrängte. Mithridates übergab nun das B. N. seinem Sohn Machares; als dieser sich aber gegen das Interesse seines Vaters mit den Römern verband, ward er von seinem Vater bekriegt u. tödtete sich selbst (64 v. Chr.). Sein Bruder u. Nachfolger Pharnakes schloß sich ebenfalls an die Römer an, half denselben seinen Vater besiegen u. wurde deshalb in seinem Besitz bestätigt, nur Phanagoria behielten die Römer. Unter ihm u. seinem Schwiegersohne Asander, der ihn ermordete u. von Augustus zum König ernannt ward, blieb das Reich unter römischer Oberherrschaft. Nach Asanders Tode od. Vertreibung heirathete Scribonius (der sich für einen Mithridatiden ausgab) dessen Gemahlin Dynamis u. bestieg den Thron; doch die Bosporaner entledigten sich seiner, u. Polemon II., König von Pontos u. Armenien, erhielt das B. N. Seine Nachfolger hier waren: Kotys I., Rheskuporis I., Sauromates I. (Tiberius Julius), dessen Sohn, nach dessen Tode seine Gemahlin Gepepyris die Regentschaft über ihren unmündigen Sohn Rheskuporis II. führte. Mithridates II., Sohn Polemo's II., 49 n. Chr., vertrieb seinen Bruder Kotys II. Dieser fiel von den Römern ab u. behauptete sich bis. zu seinem Tode (83 n. Chr.). Mithridates suchte vergebens mit Hülfe der Siraceni[117] sein Reich wieder zu erobern; er st. in Rom. Unter Trajan regierte Sauromates II, mit welchem Plinius der Jüngere in Briefwechsel stand; unter Hadrian Kotys III., der ganz unabhängig von Rom war; unter Marc Aurel Kotys IV. 164 ward Eupator von den Römern eingesetzt; dessen Nachfolger waren: Sauromates III bis 210; Rheskuporis IV., Tiranes, Thothorses, Kotys V., alle nur durch Münzen bekannt. Um 231 regierte Sauromates IV., od. war vielleicht blos Mitbewerber des Kotys um das Reich. Um diese Zeit (235_–239) wird auch Irinthimavus erwähnt. 259 starb der Stamm der Mithridatiden aus, u. nun bemächtigten sich die Sarmaten des B. R-s In der Reihe der Könige folgen Rheskuporis V., 276 n. Chr. kurze Zeit Sauromates V., Rhademendis; Sauromates VI. unternahm einen Zug gegen die Römer, drang nach Kolchis u. verwüstete Pontos. Diocletian schickte den Constantius Chlorus gegen ihn u. reizte die Bewohner des Taurischen Chersones zum Einfall in das Gebiet des Sauromates. Ihr Anführer, Chrestos, nahm die Hauptstadt des Reichs ein u. nöthigte den Sauromates zum Frieden, dem zu Folge er seine Eroberungen in Klein-Asien zurückgab u. in sein Reich zurückkehrte. Einige lassen den Sauromates VI. bis 345 regieren u. mit ihm das Reich untergehen; Andere fügen noch Sauromates VII. hinzu; er wollte die Kränkung der Chersoniten an seinem Großvater rächen u. kündigte diesen während seiner Feldzüge in Klein-Asien den Krieg an. Aber besiegt mußte er ihnen das ganze Land abtreten bis Kapha, wo er geschlagen worden war. Das Ende des B. R-s setzt man dann gegen das Ende des 4. od. an den Anfang des 5. Jahrhunderts unter Sauromates VIII. Dieser versuchte das seinen Vorfahren von den Chersoniten abgenommene Land wieder zu erobern, verlor aber im Zweikampf mit ihrem König Pharnakes sein Leben, worauf sich die Chersoniten das ganze Reich unterwarfen. Seit dieser Zeit schmilzt die Geschichte des B. R-s mit der der ganzen Halbinsel. zusammen (s. Krim).


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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