- Béarn
Béarn, 1) Grafschaft in dem südwestlichen Winkel Frankreichs, mit Bayonne u. Mauléon das jetzige Departement Nieder-Pyrenäen begreifend; wird von einem kräftigen, arbeitsamen u. nüchternen Volksstamme (Bearner) bewohnt, welcher in den höher gelegenen Gebirgsgegenden Bergbau, in den wärmeren Thälern Weinbau u. Leinweberei, sowie auch (namentlich in den Niederungen) Vieh- u. Pferdezucht u. Landwirthschaft treibt; die alte Hauptstadt Beneharnum wurde 845 von den Saracenen zerstört, die nachherige war Pau. – B. bekam unter den Karolingern seine eigenen Vicomten, deren erster Centulf I. 819 war; um 845 folgte ihm sein Sohn Centulf II. unter Vormundschaft seiner Mutter; dessen Nachfolger waren um 905 sein Enkel Centull I., um 940 Gaston Centull I.; 984–1004 Centull II. der Alte[449] dann bis 1012 Gaston II.; dessen Sohn, Centull der Jüngere, welcher mit König Sancho dem Gr. gegen die Araber focht, benutzte die Kämpfe um das Herzogthum Gascogne, nach dem Tode des Herzogs Berengar, um sich von der Abhängigkeit von Gascogne zu befreien. Die Bewohner von Soulle, welches Land er erobert hatte, ermordeten ihn 1058. Da sein einziger Sohn u. Mitregent, Gaston III., vor ihm gestorben war, so folgte dessen hinterlassener Sohn Centull IV. seinem Großvater bis 1088, nach welchem sein Sohn Gaston IV. bis 1130 regierte. Mit dessen Sohne Centull V. erlosch 1134 die Dynastie im Mannesstamme, u. ihm folgte Peter, der Sohn seiner Schwester Guiscarde u. Peters von Gavaret, durch welchen B. mit Gavaret vereinigt wurde. Da dieser um 1153 st. u. sein Sohn Gaston V. noch minderjährig war, so führte seine Großmutter Guiscarde die Regentschaft. Auch Gaston V. hatte keine Kinder, u. so folgte ihm 1170 seine Schwester Marie, seit 1170 Gemahlin Wilhelms von Moncada. Aber die Bearner empörten sich gegen Marie, welche Alfons II. von Aragonien zum Lehnsherrn aller ihrer Besitzungen erklärt hatte, u. wählten einen Ritter von Bigorre zum Herrn, aber sowohl dieser wurde 1171, als auch sein Nachfolger Centull v. Auvergne 1173 ermordet. 1173–1215 herrschte Gaston VI. der Jüngere od. Gute, u. dann bis 1223 dessen Bruder Wilhelm Raimund als Vicomte; sie waren Söhne der vertriebenen Marie; 1223 folgte auf Wilhelm Raimund sein Sohn Wilhelm I. u. diesem 1229 sein minderjähriger Sohn Gaston VII., nach dessen Tode 1290 B. durch Heirath seiner Erbtochter Margarethe an die Grafen von Foix, u. mit Foix an Navarra kam. Heinrich IV., König von Frankreich, war als Kronprinz von Navarra in B. geboren u. hieß daher Bearner; er brachte B. 1593 an Frankreich. Die Stände dieses Landes hatten bis 1789 große Vorrechte u. einen Cour major, welchen Ludwig XIII. 1620 bei der förmlichen Einverleibung in Frankreich mit dem Parlamente von Navarra vereinigte. Wappen: zwei schwarze Kühe im goldenen Felde. 2) Vorgebirg mit Leuchtthurm an der Küste des Mittelmeeres im französischen Departement Ostpyrenäen.
Pierer's Lexicon. 1857–1865.