Derwisch

Derwisch

Derwisch (pers., ein Armer, arab. Fakir), muhammedanische Mönche, die vereint leben, fasten, sich kasteien, gewisse religiöse Tänze aufführen, wobei sie sich oft 5–7 Minuten lang genau auf einer Stelle drehen, erst mit auf der Brust gekreuzten, dann über den Kopf gehobenen Armen, worauf sie oft besinnungslos niederfallen. Sie haben Vorgesetzte, welche den Titel Scheich od. Pir führen, wohnen in Klöstern (Tekkije, Khangah), theilen sich in verschiedene Orden (Tarich) u. tragen ein Tesvi (Scapulier) mit 33,66 od. 99 Kügelchen, das sie nach Art eines Rosenkranzes abbeten. Den Gebildeten unter den D-en wird große Toleranz nachgerühmt, sonst huldigen sie den orthodoxen Lehren u. dem Mysticismus. Die große Masse derselben führt ein ähnliches Leben, wie die christlichen Bettelmönche, nur daß sie zugleich Gaukler u. Taschenspieler sind u. ihre Künste für Geld zeigen. Außerdem haben die verschiedenen Orden in ihrer Organisation u. ihren symbolischen Handlungen einige Verwandtschaft mit dem Wesen der Freimaurer. Die D-e geben Abubeker u. Ali als Stifter an, Andere behaupten, daß sie von Dschelal ed-Din (st. 1274) od. 1294 zu Konieh in Karamanien von Mevelava gestiftet wurden, wenigstens erhielten sie damals ihre jetzige Form; in Konieh residirt noch jetzt ihr General (Schelabi ed-Din) in einem Kloster mit 500 Zellen u. mit 500 Mönchen, von denen immer 400 auf Missionen sind. Er ernennt die Scheihs aller Klöster seines Ordens u. schnallt dem neuen Sultan den Säbel Osmans um. Die angesehensten Orden sind die Mewlewis od. Mevelaviten (nach Mevelava genannt); die vier großen Orden in Ägypten, wo das Derwischthum vorzüglich in Flor ist, sind: a) die Risayeh, welche an den schwarzen Fahnen, dunkelblauen Turbanen um den rothen Tarbusch kenntlich sind u. in die Secten Elwanijeh u. Sandijeh zerfallen; b) die Kaderijeh, gestiftet von Abdelkader el Gilani, mit weißen Bannern u. Turbanen, deren Mitglieder größtentheils Fischer sind; c) die Said Bidawi, zestiftet von Said Achmed el Bidawi von Tourta, auch Abu Farradsch genannt, tragen weiße u. rothe Farben; ihr Hauptfest ist das ihres Stifters, bei welchem ein abgerichteter Esel die vorzüglichste Rolle pielt; d) die Said Ibrahim, gestiftet von Sidi Ibrahim el Dahuki, mit grünen Farben u. Turbanen. Bei ihren gottesdienstlichen Übungen führen die meisten Secten wunderliche Ceremonien auf, indem sie u.a. im Kreis um den Scheich sitzend u. das islamitische Glaubensbekenntniß: La ilaha illa lah (Es ist kein Gott außer Allah), vor sich murmelnd, plötzlich aufstehen u. tanzen od. immer vor- u. zurückgehen u. sich verbeugen, dabei aber ein Gebet heulen (daher heulende D-e), welches stets mit den Worten schließt: An Allah haben wir Genüge, u. herrlich ist er, der Wächter. Und es gibt keine Macht noch Gewalt außer bei Gott, dem Hohen, dem Großen! O, Gott! O, unser Herr! O, gern Verzeihender! O, Allgütiger! O, Allah! wobei sie, sobald der Name Allah vorkommt, ihn eine Terz od. Quinte höher abrufen. Auch fallen sie zu Boden, erheben sich aber bald wieder, um das Wort Allah von Neuem zu rufen. Zu den D-en gehören Personen aus den verschiedensten Ständen, niedere Handwerker, Soldaten, Kawassen, selbst Matrosen. Die Ehe ist ihnen nicht untersagt, doch legen manche das Gelübde der Keuschheit ab. Auch unterscheiden sie sich äußerlich höchstens bei festlichen Gelegenheiten von anderen Muhammedanern. Die türkischen D-e tragen meist eine zuckerhutförmige, mit arabischer Schrift durchwirkte Filzmütze. Auch die Rusai-D-e (1182 n. Chr. von Rusai gestiftet), heulen das Wort Allah ununterbrochen ab. Noch eigenthümlichere Gebräuche haben die Esaujieh, welche zu ihren religiösen Übungen Tambourins u. Kesselpauken schlagen u. nach einem wilden Tanze auf ein in den Kreis gestelltes Kohlenbecken zustürzen u. von den glühenden Kohlen essen. Eine der merkwürdigsten Feierlichkeiten der ägyptischen D-e ist das Fest Mulid en-Nebbi, wobei das Doseh aufgeführt ist; diese Ceremonie besteht darin, daß die D-e sich der Reihe nach auf die Erde hinstrecken u. ihr Oberhaupt, den Scheich el Bakri, übet sich hinreiten lassen; nachher suchen sie sich durch verschiedene Mittel in den Zustand der Verzückung zu versetzen, in welchem sie auch wohl Schlangen u. Scorpionen essen. Noch andere D-e sind die Bestami (schon 874 gestiftet), Nakschibendi, Bektaschi, Chalweti, Sufani, Ruscheni, Schemßi, Dschemali etc. Sie sind durch das ganze Türkische Reich verbreitet u. nicht ohne politischen Einfluß, namentlich sind die Bektaschi mit ihrer freien Richtung als eine Art Freimaurer angesehen worden, welche diesem Orden ähnliche Logen, Zeichen u. Tendenz haben. Sie waren deshalb verboten, konnten ihre Versammlungen nur im Geheimen halten u. ihr Eigenthum wurde ihnen confiscirt. Der Hauptsitz dieser D-e ist in Belgrad, u. sie suchten in Folge des Hat-i-Humayum 1856 um Anerkennung u. Wiederherausgabe ihres Eigenthums bei der Pforte nach.


Pierer's Lexicon. 1857–1865.

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  • Derwisch — Mystiker; Anhänger des Sufismus; Sufi * * * Dẹr|wisch 〈m. 1〉 muslim. Bettelmönch [<frz. derviche <türk. dervis „mohamm. Bettelmönch“ <pers. darwes „Bettler“] * * * Dẹr|wisch, der; [e]s, e [türk. derviş = Bettelmönch < pers. darwīš …   Universal-Lexikon

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